goldtruhe günther jauch

Die einen sind reich, die anderen sexy. Was sich gerade in der Bankenbranche abspielt, erinnert an den Sugar-Daddy, der sich für den eigenen Glanz und das Vergnügen eine attraktive und sehr viel jüngere Partnerin sucht. Etablierte Kreditinstitute gehen reihenweise Kooperationen mit Fintechs ein, die mit kundennahen Lösungen die Finanzbranche verändern wollen.

Jüngstes Beispiel ist die Deutsche Bank, die ihren vier Millionen Onlinekunden seit einigen Tagen mithilfe des Münchner Startups Gini einen speziellen Überweisungsservice bietet. Kunden müssen per Mail erhaltene Rechnungen nur noch in eine Zwischenablage schieben, die Gini-Software filtert automatisch die Kontodaten des Empfängers aus dem Textdokument heraus und füllt das Überweisungsformular aus. Der lästige Übertrag der IBAN entfällt bei dieser Lösung für das Internetbanking.

Für die Deutsche Bank soll die Zusammenarbeit mit dem 20-Mitarbeiter-Unternehmen keine Ausnahme bleiben. „Wir haben in den vergangenen Monaten eine Shortlist mit Namen junger Finanzunternehmen erstellt. Die werden wir nun nach und nach abarbeiten“, sagt Markus Pertlwieser, der für die Betriebsabläufe im Privat- und Firmenkundengeschäft verantwortlich ist. Gini sei die erste Kooperation, die man eingegangen sei, aber sicherlich nicht die letzte.

Anfangs belächelt, heute geschätzt

Weitere Themen gebe es viele. Eine Vermögensverwaltung per Computer könne er sich vorstellen. „Auch an einer App arbeiten wir, die dem Kunden erlaubt, alle seine Konten übersichtlich zusammenzuführen“, so Pertlwieser. Spannend seien zudem Plattformen, auf denen sich Kunden untereinander über Geldfragen austauschen.

Ob Vermögensverwaltung, Zahlungsverkehr oder Kreditgeschäft, in den vergangenen Jahren sind weit mehr als 150 Fintechs in Deutschland entstanden. Anfangs wurden sie von den etablierten Instituten belächelt, dann als Bedrohung gesehen, mittlerweile schätzt man sie als Partner mit neuen, unverbrauchten Ansätzen.

Dies zeigt auch eine Umfrage des IT-Dienstleisters GFT Technologies: Für 56 Prozent der befragten Bankentscheider ist die Zusammenarbeit wichtiger Teil der Digitalisierungsstrategie. Damit stehen die Banken dem Thema hierzulande aufgeschlossener gegenüber als beispielsweise in Spanien und Italien.

Bei der Consorsbank können Kunden über die Crowdinvesting-Plattform Seedmatch in Startups investieren. Die Deutsche Kreditbank arbeitet mit dem Berliner Zahlungsanbieter Cringle zusammen. Mit der App können Nutzer sich per Smartphone Geld schicken. Die Sparda Bank Berlin kündigte unlängst eine Kooperation mit der Kreditplattform Zencap an.

Startups wollen an die Kunden der Banken

Die Banken hätten etwas lange gebraucht, bis sie Startups nicht mehr als Gegner, sondern als mögliche Verbündete begriffen, sagt Gini-Gründer Steffen Reitz. Aber sie seien immer noch deutlich schneller als Telekommunikationsunternehmen gewesen. „Die haben sich von Anbietern wie WhatsApp erst ihr Milliardengeschäft mit SMS kaputt machen lassen, bevor sie sich überhaupt einmal bewegten“, so Reitz.

Wobei es nicht so ist, dass nur die Banken die schnellen, kreativen und stärker von den Kundenbedürfnissen her denkenden Fintechs brauchen, um den Kontakt zum Kunden nicht zu verlieren. Die Abhängigkeit gilt genauso umgekehrt – auch hier eine Parallele zu den Sugar-Daddys. Attraktiv an den Banken ist nicht unbedingt ihr Geld, sondern die große Kundendatei.

Die insgesamt neun Millionen Privatkunden der Deutschen Bank seien das stärkste Argument, um Fintechs von einer Kooperation zu überzeugen, sagt Pertlwieser. Banken fehle mitunter das Know-how, Fintechs häufig die Kunden. Raffael Johnen, Gründer der Kreditplattform Auxmoney, führt ein weiteres Argument an. „Kooperationen mit Banken geben uns einen Vertrauensvorschuss bei unseren Kunden“, sagt er.

An der Stelle besteht aber auch Konfliktpotenzial. „Es gibt Punkte, die sind für eine Bank nicht verhandelbar, dazu gehören Datenschutz und Datensicherheit“, so Deutsche-Bank-Mann Pertlwieser. Auch Gini-Chef Reitz sieht immer die Gefahr, dass es kracht. Zu unterschiedlich seien die Ansätze, wenn es beispielsweise um Rechtsfragen und Risikobewertung geht.

Ende der Zusammenarbeit

Als die Frage kam, ob das Gini-Gebäude in München gegen Terroranschläge geschützt sei, hätten sie spätestens gemerkt, dass sie mit einer Bank zusammenarbeiten.

Dass solche Partnerschaften jederzeit scheitern können, hat sich gerade erst bei der Commerzbank-Tochter Comdirect gezeigt. Im Februar verkündete man stolz die Zusammenarbeit mit dem Bezahldienst Lendstar, im Mai kam das Aus. „Es gibt Punkte, wo eine Bank keine Kompromisse machen kann“, so die knappe Erklärung von Comdirect.

Ob Fintechs und Banken irgendwann mehr als nur Partner sind, bleibt abzuwarten. „Eine finanzielle Beteiligung an einem Fintech-Unternehmen schließe ich nicht aus – den kompletten Kauf dagegen schon“, sagt Pertlwieser. Man wolle nicht alles auf eine Karte setzen. Zudem müsse der Gründergeist erhalten bleiben. „In einem Bankkonzern wäre der schnell weg.“

Dieser Artikel erschien zuerst in der Welt.

Bild: © panthermedia.net / C.Ahrens