Über die genauen Details ihres Einsatzes im Rahmen der EU-Ausbildungsmission sowie der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen im westafrikanischen Mali gibt sich die Bundeswehr normalerweise sehr verschlossen. Lediglich der Einsatzort Koulikoro wird bei Meldungen über Austausch der Truppen angeführt, Details aus dem Alltag der deutschen Soldaten in Afrika bleiben Verschlusssache. 

Doch wer sehen will, wo genau Soldaten verschiedener Nationen der beiden internationalen Missionen stationiert sind und wo sie regelmäßig ihre Trainingsrunden in der westafrikanischen Provinz drehen, der muss nur auf die Homepage des Fitness-Startups Strava schauen. Dort ist auf einer hochdetaillierten Weltkarte genau sichtbar, wo Strava-Nutzer überall joggen gehen – auch in den Krisengebieten Afrikas oder in Syrien. Damit aber legt Strava eher zufällig auch die Position geheimer Militärbasen westlicher Staaten überall auf der Welt offen.

Strava startete 2009 als soziales Netzwerk für Sportler. Mit der Strava-App können Nutzer die Routen ihrer Lieblingsjoggingstrecken austauschen, sich für gemeinsame Läufe oder Fahrradtouren verabreden, virtuell gegeneinander antreten und Rekordzeiten verbessern. Dazu braucht es nur Daten eines Fitness-Trackers mit GPS-Funktion und Smartphone-Anbindung wie etwa die Modelle von Fitbit oder Garmin. Die Daten aller sportlichen Aktivitäten seiner Mitglieder sammelt Strava in einer Datenbank, die Daten bietet das Unternehmen anschließend zum Verkauf an. Urbane Verkehrsplaner können so etwa sehen, wo der Ausbau von Radwegen sinnvoll sein könnte. Im vergangenen Jahr luden die Nutzer die Positionsdaten zu über 136 Millionen Fitnessaktivitäten hoch.

Doch diese Daten stellen sich nun als Gefahr für die Operationssicherheit westlicher Militärs heraus. Denn die Fitness-Tracker sind extrem beliebt bei Elitesoldaten, die meist methodisch und kompetitiv ihre Kondition trainieren und mit der Strava-App etwa virtuelle Wettkämpfe um Rekordzeiten innerhalb einer Einheit organisieren können. Ihre Fitnessaktivitäten zeichnen diese Soldaten jedoch augenscheinlich nicht nur in der Basis im Heimatland, sondern auch im Auslandseinsatz auf.

Im November veröffentlichte Strava eine extrem genaue digitale „Heatmap“, die die Aktivitäten der Nutzer weltweit auf einer zoombaren Weltkarte vor schwarzem Hintergrund anzeigt. Je mehr Nutzer in einer Gegend Sport treiben, desto heller wird sie in der Karte angezeigt – von schwarz über rot und gelb bis grellweiß. In Staaten wie Frankreich oder Deutschland ist die Karte grellgelb und weiß – Millionen Nutzer haben schon fast jede Straße einmal beradelt oder gejoggt. Doch in den Krisenstaaten Nordwestafrikas oder in Nordsyrien dürften Fitness-Tracker extrem selten sein – die Menschen dort haben andere Probleme als den Austausch der besten Joggingrouten via App. Dementsprechend ist Stravas weltweite Heatmap dort vor allem schwarz.

Bundeswehrstandort in Mali wird deutlich sichtbar

Doch einige wenige Orte stechen grellweiß wie Leuchttürme heraus – teils obwohl dort laut Satellitenbildern von Google Maps nichts ist außer syrische Wüste oder westafrikanische Wildnis. Wer dort in die Karte hereinzoomt, entdeckt seltsame Muster von Läufern, die augenscheinlich immer im Kreis laufen oder wenige Hundert Meter lange Straßen im Nichts beradeln. In Koulikoro in Mali, wo die Bundeswehr stationiert ist, laufen diverse Nutzer augenscheinlich eine Dreiecksroute in den Hügeln über dem Ort äußerst gerne – sie wird in der ansonsten schwarzen Provinz hell weiß angezeigt. Wer sich Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz einmal näher ansehen will, muss also nur zur richtigen Zeit dort auftauchen.

Auch zeigt die Karte, dass nicht nur in Koulikoro diverse Strava-Nutzer ihre Runden drehen, sondern auch in Tominian weiter im Osten von Mali – ein Ort, der vor einigen Jahren als von Dschihadisten besetzt galt. Augenscheinlich ist auch hier mittlerweile westliches Militärpersonal stationiert, das die Strava-App nutzt. Sollten die Dschihadisten wiederkommen, wissen sie nun genau, wo ihr Gegner joggt.

Strava-Karte zeigt, wo US-Militärs in Syrien stationiert sind

Noch bedrohlicher dürfte die Strava-Karte für US-Militärs in Syrien sein. Denn die Karte zeigt genau, wo die Strava-Nutzer in Nordsyrien joggen. Da die meisten Soldaten in der hochbrisanten Krisenregion ihre Runden augenscheinlich auf ihre gesicherten geheimen Basen beschränken, haben sie per Joggingdatenupload unfreiwillig Straßenkarten dieser Basen in der Strava-Datenbank angelegt. Sie liefern so Grundrisse der Stützpunkte, die die Kämpfer des IS etwa für einen Angriff per Mörser oder Rakete nutzen könnten. Kartendienste wie Google Maps zensieren Satellitenfotos solcher Basen bislang freiwillig.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Strava seine Weltjoggingkarte entsprechend modifiziert. Noch zuvor dürften heute einige Soldaten im weltweiten Kriseneinsatz von ihren Nachrichtendienstoffizieren einen geharnischten Vortrag über Operationssicherheit und soziale Netzwerke zu hören bekommen.

Dieses Interview erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Sean Gallup / Staff