Die Flaconi-Gründer Paul Schwarzenholz und Björn Kolbmüller

Es war eine der überraschenden Startup-Meldungen der letzten Wochen: Der Parfüm-Händler Flaconi wird komplett an ProSiebenSat.1 verkauft. Der Preis ist uns unbekannt, beide Seiten haben Stillschweigen vereinbart. Auch Spekulationen führen nicht weit, denn Flaconi gibt für das Geschäftsjahr 2014 bisher keine Zahlen heraus. Es hieß nur: Noch in diesem Jahr wolle das Berliner Startup profitabel sein. Viel mehr wussten wir allerdings nicht, denn in den vier Jahren seit dem Start hatten sich die Flaconi-Gründer Paul Schwarzenholz (34) und Björn Kolbmüller (32) gegenüber der Presse zurückgehalten. Auch auf Gründerszene war kaum etwas über das Startup zu lesen.

Vergangene Woche haben wir dann die Flaconi-Gründer in ihrem Büro besucht, das gerade einmal fünf Minuten von unserer Redaktion entfernt beim Berliner Moritzplatz liegt, um endlich mehr über das Unternehmen zu erfahren. Das Flaconi-Büro befindet sich in der Lobeckstraße im dritten Stock. Durch eine hellblaue Metalltür gelangt man in eine Halle. Links und rechts gehen riesige Lagerräume ab. Erst am Ende des Ganges geht es in das Büro des Startups, in dem die Wände mit Parfümwerbung behängt sind und überall Flacons rumstehen – von Gucci, Chanel oder Dior. Die beiden Gründer beschäftigen hier bereits ein 85-köpfiges Team.

Kolbmüller und Schwarzenholz kennen sich schon seit zehn Jahren aus ihrem Studium an der bekannten Gründer-Uni HHL in Leipzig. Nach dem Abschluss wechselte Schwarzenholz für drei Jahre als Berater zu Bain & Company, Kolbmüller ging zu Procter & Gamble, wo er die Düfte von Herstellern wie Gucci betreute. 2010 kündigten beide ihre Jobs, um mit Flaconi durchzustarten. „Wir sind ein sehr eingespieltes Team und vertrauen uns blind. Das hat zu unserer familiären Flaconi-Kultur beigetragen und das Team spürt das auch“, erzählt Kolbmüller.

Für den Start sammelten die beiden Geld von mehreren Angels, darunter Mister-Spex-Gründer Dirk Graber, der auch an der HHL studiert hatte und beiden Gründern für einige Monate mehrere Arbeitsplätze in seinem Büro anbot. Viel vor dem Bildschirm saßen Kolbmüller und Schwarzenholz dort allerdings nicht. Sie waren unterwegs: Mit einem „Präsentationskoffer“ seien sie anfangs von Hersteller zu Hersteller getingelt, um diese bei ihrer E-Commerce-Strategie zu beraten und für eine Zusammenarbeit mit Flaconi zu gewinnen, berichtet Kolbmüller.

„Als wir 2010 gestartet sind, war das Thema Beauty und Drogerie gerade ein heißes Thema. Damals waren beispielsweise auch AllesAnna oder Beautydeal von Rocket Internet aktiv“, erinnert sich Kolbmüller. „Den Lieferanten war es aber wichtig, dass nur Spieler im Markt agieren, die ein Verständnis für Luxusmarken mitbringen.“ Rockets Beautydeal hatte mit Dumping-Preisen für Marken-Pflegeprodukte geworben. Daraufhin untersagten die Hersteller den Händlern, das Startup zu beliefern. Beautydeal musste wenige Monate später den Betrieb einstellen. Schwarzenholz und Kolbmüller wollten es besser machen.

Im Frühjahr 2011 zog Flaconi in ein Büro auf der Berliner Torstraße, wenige Monate später ging der Shop live. Es begann ein Auf und Ab für die Gründer. Die großen Hersteller Procter & Gamble und Coty seien gleich zum Start an Bord gewesen, erinnert sich Kolbmüller, mit anderen Herstellern hätten sie fast eineinhalb Jahre verhandeln müssen, um die Produkte verkaufen zu dürfen. „Allen großen Luxusmarken ist es unglaublich wichtig, dass ihre Marken richtig dargestellt sind, damit das über Jahrzehnte aufgebaute Luxusimage erhalten bleibt“, beschreibt Kolbmüller.

Die Flaconi-Gründer mussten weitere Hindernisse überwinden: In den ersten Jahren nach dem Start erwies sich die Suche nach Investoren beispielsweise als langwierig: „2011 und 2012 waren aus Investorensicht sehr schwierige E-Commerce-Jahre. Die großen Marktplätze um Amazon und Co erweiterten ihre Sortimente und viele Online-Händler schoben ihre Profitabiltät immer weiter hinaus. Dadurch war es für uns in den beiden Jahren nicht leicht, hohes Funding zu bekommen“, berichtet Schwarzenholz.

Ein weiteres Problem: Douglas, das schon einige Jahre vor Flaconi mit einem Online-Shop präsent war, griff fast alle potentiellen Kunden über Google ab. Um die Marke Flaconi bekannter zu machen, startete das Berliner Unternehmen 2012 eine kleine TV-Kampagne bei RTL II. Kurze Zeit später, im November, kam ProSiebenSat.1 als Investor an Bord und übernahm zunächst 25 Prozent der Anteile. „Die Marke Douglas war enorm stark. Deswegen mussten wir schnell eine eigene Marke aufbauen und haben uns dann für die Zusammenarbeit mit ProSiebenSat.1 entschieden. Zum Weihnachtsgeschäft 2012 haben wir die erste TV-Kampagne auf den Sendern von ProSiebenSat.1 gestartet und von da an ging es für uns immer nur noch bergauf“, berichtet Kolbmüller.

Im vergangenen Sommer hat ProSiebenSat.1 seine Anteile auf 47 Prozent erhöht. Auch Paua Ventures, B-to-v, die KfW Bank und mehrere Business Angels, beispielsweise die Trivago-Gründer, waren noch an Bord. Seitdem seien Umsatz und Kundenanzahl durch die TV-Werbung stetig gewachsen, sagen die Gründer. „Da hatte sich bereits angedeutet, dass ProSiebenSat.1 langfristig weitere Anteile übernehmen könnte“, erzählt Schwarzenholz. Zu den aktuellen Geschäftszahlen wollen die Gründer aber nichts sagen. Nur so viel: Von Ende 2013 bis Ende 2014 hätten sich die Kundenanzahl von 140.000 auf 300.000 Kunden mehr als verdoppelt. Dem Bundesanzeiger ist zu entnehmen, dass der Jahresfehlbetrag 2013 bei knapp vier Millionen Euro lag. Gemeinsam mit dem Verlustvortrag aus den beiden vorhergehenden Jahren stieg der Bilanzverlust 2013 auf etwa 6,7 Millionen Euro.

Mittlerweile besitzt ProSiebenSat.1 100 Prozent der Anteile an Flaconi, neben den anderen Investoren wurden auch Schwarzenholz und Kolbmüller, die vorher noch rund zehn Prozent hielten, herausgekauft. „Für uns war es gerade eine gute Gelegenheit, um die eigenen Anteile zu verkaufen“, sagt Kolbmüller nur dazu. Und: „Wir werden weiterhin an Bord bleiben.“

ProSiebenSat.1 will mit Flaconi langfristig Gewinn erwirtschaften, aber auch TV-Wissen abgreifen. Das Startup hat in den letzten Jahren viel Know-how in diesem Bereich angesammelt und die Auswirkungen seiner Werbespots genau beobachtet. „Oft fokussieren sich Marketing-Mitarbeiter auf Kanäle wie Display-Werbung, obwohl für TV ein vielfaches an Budget ausgeben wird. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir für TV ein eigenes Team und ausgefeiltes Tracking benötigen, damit wir die Effekte jedes einzelnen Spots messen und unsere Media-Planung eigenständig optimieren können“, erklärt Kolbmüller. „Ich kenne kaum ein Startup, dass auf dem Niveau TV-Werbung trackt, wie wir das seit über zwei Jahren verfolgen. Den Bereich haben wir bewusst sehr frühzeitig aufgebaut.“

Obwohl die beiden zu der Höhe des Kaufpreises keinerlei Andeutungen machen, lief offenbar alles nach Plan: „Wir sind sehr glücklich, wie die Transaktion gelaufen ist.“ Doch wie fühlt es sich an, wenn man keinen Anteil mehr an der selbst gegründeten Firma hält? „Solange wir die strategische Ausrichtung von Flaconi gestalten können, verstehen wir uns weiterhin als Unternehmer“, zeigt sich Schwarzenholz optimistisch. Nun wollen sich die beiden auf den Aufbau eines eigenen Shopsystems, die Entwicklung einer Eigenmarke und die Internationalisierung fokussieren. Bald soll nach Österreich expandiert werden. Bisher liefert Flaconi zwar nach ganz Europa, hat aber nur einen deutschen Shop. Auch hier soll ProSiebenSat.1 unterstützen – wie genau, steht noch nicht fest. „Wir wissen schon lange, wie angenehm die Zusammenarbeit mit ProSiebenSat.1 ist. Schließlich sind sie seit zweieinhalb Jahren bei uns an Bord und bisher funktioniert das extrem gut.“

Bilder: Michael Berger / Gründerszene