Die Flightright-Macher Marek Janetzke und Philipp Kadelbach (von links)
Die Flightright-Macher Marek Janetzke und Philipp Kadelbach (von links)

Das Pech des einen ist manchmal das Glück des anderen. Seit Wochen fluchen die Kunden von Air Berlin über verspätete oder abgesagte Flüge. Showmaster Frank Elstner löste kürzlich mit einem Tweet einen Shitstorm gegen die Fluglinie aus. In einem Interview musste selbst der Air-Berlin-Chef eingestehen: Die Entschädigungsforderungen würden sich auf insgesamt zehn Millionen Euro belaufen. Frustrierte Fluggäste und eine Airline in der Krise, das klingt nach Pech.

Die Glücklichen in diesen Monaten sind die Flugrechte-Startups, denn sie profitieren von dem Chaos. Passagiere können sich bei Verspätungen oder einem Flugausfall an die jungen Anbieter wenden. Sie ziehen für die Reisenden vor Gericht, wenn sich eine Airline weigert, Entschädigungen zu zahlen. Im Erfolgsfall behalten die Startups etwa 30 Prozent der Entschädigungssumme.

Einer der Pioniere auf diesem Markt ist Flightright – insgeheim muss sich das Potsdamer Unternehmen über die Causa Air Berlin freuen, schließlich steigt das öffentliche Interesse an ihrem Geschäft. Erst kürzlich schafften es Flightright und einige Wettbewerber auf eine der vorderen Seiten der Bild-Zeitung – und jeder Bericht hilft, schließlich wissen viele Fluggäste gar nicht, dass ihnen nach EU-Recht eine Entschädigung von bis zu 600 Euro zusteht.

In diesen Zeiten präsentiert sich Flightright selbstbewusst, das Unternehmen bezeichnet sich als Marktführer. Für dieses Jahr hatte Mitgründer Marek Janetzke gleich eine Verdopplung des Umsatzes angekündigt, wie er im Januar gegenüber T3n sagte.

55 Millionen will Flightright 2021 umsetzen

Interne Unterlagen, die Gründerszene vorliegen, wecken nun Zweifel, ob dieses Ziel nicht möglicherweise zu optimistisch war. Die Vorhersage in den Dokumenten ist sehr viel konservativer und beläuft sich für dieses Jahr auf 14,1 Millionen Euro Umsatz – also ein Wachstum von 26 Prozent.

Das hält Flightright nicht davon ab, für die kommenden Jahre eine große Wachstumsgeschichte zu versprechen: 2016 machte das Unternehmen laut Unterlagen einen Umsatz von 11,2 Millionen Euro, 2021 soll er sich dann auf mehr als 55 Millionen Euro belaufen.

Heute schreibt das Unternehmen außerdem Gewinne: Ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 1,6 Millionen Euro erzielte Flightright im vergangenen Jahr, heißt es. Auch in den zwei Jahren davor war das Unternehmen bereits profitabel. Auf Nachfrage von Gründerszene äußerte sich Flighright nicht zu den Zahlen und weiteren Hintergründen.

Die Flightright-Vision teilen nicht alle: Mehrere Szenekenner sehen das Wachstumspotential eher kritisch. Flightright und Co. hätten vor allem zwei Schwierigkeiten: Zum einen kennen immer noch vergleichsweise wenig Fluggäste ihre Rechte, zum anderen könnte die EU die Gesetze für die Entschädigungen in den kommenden Jahren anpassen.

Gerade die Frage nach der Kundenakquise ist schwierig. Denn wer nicht weiß, dass ihm eine Entschädigung zusteht, der googelt auch nicht danach. Somit können die Startups solche Kunden auch nicht mit einer Google-Anzeige einkaufen. Hinzu kommt, dass sich mittlerweile etwa zehn Player im Markt tummeln, das treibt die Werbepreise in die Höhe. Flightright startet wohl auch aus diesem Grund gerade eine neue TV-Kampagne. Die Marketing-Ausgaben gehören zu den großen Kostenblöcken des Unternehmens.

Die Suche nach neuen Einnahmequellen

Die EU-Verhandlungen bringen weitere Unsicherheit für das Geschäftsmodell. Es wird darüber diskutiert, die Ansprüche der Fluggäste einzuschränken. Ein Schritt, der den Flugrechte-Startups weh tun würde: Je weniger potentieller Entschädigungsanspruch, umso weniger Kunden und umso geringere Einnahmen.

Die Player im Flugrechte-Markt experimentieren aus diesem Grund mit neuen Angeboten rund um das Thema Entschädigungen – so auch Flightright. „Aggressively expanding the Flightright solution portfolio“, heißt es in beispielsweise in den Unterlagen. Ein Grundstein für das weitere Wachstum, denn Flightright will sich als LegalTech-Plattform positionieren.

Inmitten dieser Spannungen wurde nun bekannt, dass ein Investor von Flightright plant, seine Anteile zu verkaufen. „BFB möchte jetzt nach einer über sechsjährigen Beteiligung an der Flightright GmbH die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen eines Verkaufs der Minderheitsanteile beenden“, teilt das Unternehmen schriftlich mit. „Dies ist eine vollkommen gängige Praxis.“ Über das mediale Interesse daran sei das Unternehmen „erstaunt“. Der BFB Frühphasenfonds Brandenburg ist mit 19,9 Prozent laut Handelsregister der zweitgrößte Anteilseigner, nach dem Gründer Philipp Kadelbach.

„Perfekter Zeitpunkt für einen Exit“

Einige Szenekenner gehen davon aus, dass mehr bevor steht: Marktgerüchte zu einem möglichen Verkauf des Unternehmens halten sich hartnäckig. „Durch die öffentliche Wahrnehmung von Air Berlin ist jetzt der perfekte Zeitpunkt für einen Exit“, sagt ein VC, der nicht genannt werden möchte.

Wer könnte an Flightright interessiert sein? Mitgründer Marek Janetzke gab selbst die Antwort – im T3n-Interview Anfang des Jahres: „Ich kann mir vorstellen, dass unsere Plattform für große Versicherungen oder Reiseportale interessant ist, die ihre Services ergänzen möchten. Oder eben eine große Anwaltskanzlei.“ Ein Käufer muss auf jeden Fall den Optimismus für den großen Wachstumsplan von Flightright teilen.

15 Legaltech-Startups, die den Markt aufmischen

Bild: Flightright