Gründer Flo Leibert (34) im Mesosphere-Büro in San Francisco

Die Geschichte der Mesosphere-Gründer beginnt in der Programmier-AG des Schweinfurter Gymnasiums. Die 15-jährigen Schüler Florian Leibert und Tobias Knaup entwickeln das erste Mal in ihrem Leben Software. Das macht ihnen so viel Spaß, dass sie beschließen, ihr erstes Unternehmen gemeinsam zu starten. „Tobi und ich waren schon immer competitive“, sagt Leibert. Für einen Bootsverkauf entwickeln sie eine Inventurlösung, die deutschlandweit genutzt wird. Knaup wird später noch sein Studium mit dem Projekt finanzieren.

Heute leben die Freunde in San Francisco, beschäftigen in fünf Büros etwa 200 Mitarbeiter und haben mehr als 120 Millionen Dollar Risikokapital eingesammelt. Bekannte Investoren wie SV Angel, Andreessen Horowitz und Khosla Ventures sind an Mesosphere beteiligt. Auch Microsoft ist eingestiegen: Der Konzern soll den Gründern vergangenes Jahr sogar ein Übernahmeangebot gemacht haben, doch sie lehnten ab.

Geplanter Umsatz in diesem Geschäftjahr: 50 Millionen Dollar

Die Entwicklung ist steil: In einem Gründerszene-Interview vor drei Jahren erklärte der Gründer, dass man zwar Umsatz generiere, verschiedene kostenpflichtige Produkte aber erst 2015 launchen würden. In diesem Geschäftsjahr, das im Januar 2018 enden wird, rechnet Leibert mit einem Umsatz von 50 Millionen Dollar.

Einen BWLer haben die drei Gründer, zu denen noch der Amerikaner Ben Hindman zählt, auf dem Weg nach oben nicht an Bord – eine weitere Besonderheit an dem 2013 gestarteten Unternehmen. Sie sind ausgebildete Programmierer – „und wir kümmern uns alle drei um das Produkt“, so Leibert.

Ihr Startup Mesosphere verkauft Software, die Unternehmen hilft, Daten schnell zusammenzuführen und zu managen. Mit dem Betriebssystem namens DC/OS werden viele verschiedene Datenspeicher – also Clouds oder Rechner – von einer einzigen Oberfläche aus bedient. Programme, um beispielsweise Daten auszuwerten, werden nicht mehr auf den einzelnen Rechnern installiert, sondern direkt in das Betriebssystem von Mesosphere integriert.

„Bei einem unserer Kunden, einem Hedgefonds, waren die Server nur zu zehn Prozent ausgelastet“, sagt der Gründer Leibert. „Wir haben die Auslastung auf 95 Prozent gesteigert.“ Denn durch die Lösung von Mesosphere können Programme auf allen Servern flexibel ausgeführt werden und es wird in Echtzeit geprüft, wo gerade freie Kapazitäten liegen (ein sogenanntes Bin Packaging). Dadurch können Unternehmen viel Geld sparen, denn Cloud-Leistungen bei Dienstleistern wie Amazon anzumieten ist teuer.

Fortune-50-Konzerne gehören zu Mesospheres Kunden

„Ein anderer Kunde ist die Kreuzfahrt-Gesellschaft Royal Caribbean“, erklärt Leibert. Das Problem: Wlan auf See sei stets wackelig. „Nun richten sie auf jedem ihrer Dampfer eine eigene Cloud ein. Läuft das Schiff im Hafen ein, können die Daten der verschiedenen Schiffe mit unserer Software zusammengeführt werden.“ Die Gesellschaft könne dann mit den richtigen Tools Muster erkennen und zum Beispiel auswerten, welches Angebot nicht gut funktioniert habe.

Dafür arbeitet Mesosphere mit Partnern wie dem Kölner Startup ArangoDB zusammen. Die Datenbanksoftware kann mit einem Klick in Mesospheres Produkt integriert werden, um Daten auszuwerten. Mehr als 100 solcher Partner arbeiten mittlerweile nach Unternehmensangaben mit Leibert und seinen Kollegen.

Zu den Kunden gehören demnach heute ein Viertel der Fortune-50-Unternehmen, also der US-Konzerne mit den höchsten Umsätzen. Darunter ist der Internetanbieter Verizon mit einem Jahresumsatz von 125 Milliarden US-Dollar. China Unicom, einer der größten Mobilfunkanbieter der Welt, zählt zu den Kunden, auch ein deutscher Automobilbauer, dessen Namen Leibert nicht nennen darf. „Immer mehr Daten müssen immer schneller, ja in Echtzeit, verarbeitet werden“, sagt er. Gerade autonomes Fahren sei da ein Bereich, in dem Mesospheres Lösung helfe.

Wie viel die Unternehmen an das Startup zahlen, hängt von der Größe ihrer Rechenzentren ab. Der Gründer gibt an, derzeit mehr als 100 Firmenkunden zu haben. Kleinere Unternehmen können die Lösungen von Mesosphere umsonst nutzen – die Software ist als Open Source zu haben. „Dadurch bekommen wir tausende Kunden, die Feedback geben.“

Schon als Teenager wollte der Gründer in die USA

Ihren Ursprung hat Mesospheres Entwicklung an der Universität UC Berkeley. Dort hat der Mitgründer Ben Hindman die Grundsteine in seiner Doktorarbeit gelegt. Auch Hindman kennt Leibert schon lange: Er ist der Sohn der Familie, bei welcher der Deutsche Anfang der 2000er zwei Austauschjahre in Colorado verbrachte. „Ich wollte danach unbedingt zurück in die USA“, sagt Leibert. „Das Valley war für Entwickler einfach attraktiv. Sie treffen hier auch Produktentscheidungen und entwickeln nicht nur, was ihnen vorgesetzt wird.“

Schon als Teenager wusste der heute 34-Jährige also, wo er hinwollte. In Deutschland hat er sich deswegen für den ersten englischsprachigen Bachelorstudiengang in Computer Science eingeschrieben und 2006 seinen Abschluss gemacht, Wenig später gelang ihm der ersehnte Schritt in die USA.

Das Gründerteam: Leibert (34), Tobi Knaup (35) und Ben Hindman (34) (von links)

Bei Twitter fand Leibert seinen ersten Job in San Francisco. Dort setzte er die Software mit Hindman, der noch promovierte, das erste Mal ein und sie lösten damit Kapazitätsprobleme des Kurznachrichtendiensts.

Während seiner Zeit in Kalifornien besuchte ihn auch sein Schulfreund Tobi Knaup, dem es in der Bay Area sehr gut gefiel. Also beschloss Knaup kurzerhand, ebenfalls in die USA zu gehen und heuerte bei Airbnb an. Nachdem Leibert und Knaup dann noch einige Zeit gemeinsam bei Airbnb arbeiteten, entschlossen sich die beiden mit Hindman zur Gründung von Mesosphere.

Noch nicht am Ziel

„Es ist supermotivierend, jeden Tag mit seinen besten Freunden zusammen zu arbeiten“, sagt Leibert. „Das macht Vieles einfacher, man vertraut ihnen völlig und weiß, dass sie in ihrem Bereich gute Entscheidungen treffen.“

Wirkt wie ein ungebremster Aufstieg nach oben. „Naja“, sagt Leibert. „Selbst, wenn das Fundraising von außen leicht aussieht, ist es das trotzdem nicht, wenn du bei Andreessen Horowitz stehst und sie überzeugen willst, dir Millionen zu geben. Wir sind außerdem noch weit weg von unserem Ziel. Wir machen zwar einen super Umsatz, aber sind natürlich weiter von Wagniskapital abhängig.“

Trotz der Millionenfinanzierung ist Leibert Bodenständigkeit wichtig. Um an eine gesunde Perspektive zu erinnern, haben die Gründer ein handgeschriebenes Poster in den Aufzug gehängt, der zu Mesospheres Büro in San Francisco führt. Darauf steht ein Zitat des Vertrieblers und Autors Zig Ziglar:

Dankbarkeit ist die gesündeste aller menschlicher Emotionen. Je mehr Dankbarkeit du ausdrückst, umso mehr wirst du haben, wofür du dankbar sein kannst.

Leibert erklärt das so: „Es ist auch ein Problem im Valley, dass alles steil nach oben geht. Es wird schnell vergessen, was im Leben wichtig ist – wie wichtig Beziehungen sind.“

Expansion in Deutschland: Die Gründer wollen den Standort fördern

Mit den Freunden gegründet zu haben, helfe da sehr, gerade in den schwierigen Zeiten. Es sei zum Beispiel nicht leicht gewesen, sich selbst mit der gleichen Geschwindigkeit weiterzuentwickeln, mit der das eigene Startup wachse, erklärt der Gründer. Schnell müsse man lernen, wen man nach welchem Rat frage. Dabei ist Leibert ein Verfechter des Mottos Fail Fast: „Es ist wichtiger, auch mal falsche Entscheidungen zu treffen, als zu lange zu zögern. Wer nichts versucht, kann auch nicht gewinnen.“

Und gewinnen wollen die drei Gründer noch Einiges. „Wir sind ganz klar im Wachstumsmodus. Dabei ist Hamburg besonders wichtig und unser Expansionsstandort“, sagt Leibert. Aktuell beschäftigt Mesosphere dort etwa 40 Programmierer, bis Ende 2018 soll sich die Zahl verdoppeln, „wenn wir genug Talent finden“.

Aber warum gerade in Deutschland? „In den USA haben sich Visas durch die jetzige Administration verkompliziert“, sagt Leibert. In Deutschland erhielten Ausländer viel leichter eine Arbeitserlaubnis, was ein klarer Vorteil für den Standort sei. Das sei aber nicht alles: „Tobi und ich kommen schließlich aus Deutschland. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass sich dort ein Ökosystem wie im Silicon Valley entwickeln kann.“

Bilder: Mesosphere