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„Du suchst einen Job?“ So wirbt Foodora um Fahrer

Wegen der Arbeitsbedingungen ihrer Fahrer stehen Deliveroo und Foodora seit längerem in der Kritik. Denn die Kuriere, die für die Liefer-Startups Essen durch die Städte fahren, müssen Stress, Verspätungen und verärgerte Kunden bei einer niedrigen Bezahlung aushalten. Zuletzt streikten italienische Foodora-Fahrer wegen der schlechten Löhne, während Deliveroo-Kuriere in London jetzt versuchen, sich von einer Gewerkschaft vertreten zu lassen.

Wie hart der Alltag der Lieferkuriere aussehen kann, zeigt nun eine aufwändige Recherche des Spiegel-Online-Ablegers Bento: In Hamburg und Leipzig hat ein Reporter mit Fahrern gesprochen und sich selbst bei Foodora und Deliveroo beworben.

Unter anderem zeigte sich, dass ein Jobinterview bei Deliveroo gerade einmal 17 Minuten dauern kann. Das sei auch gleichzeitig die Einarbeitung gewesen, berichtet der Reporter. Fahrer, die nicht gut performten, habe der Deliveroo-Mitarbeiter im Gespräch als „Sediment“ bezeichnet, als Bodensatz.

Der Sonntag ist für die Lieferdienste der wichtigste Tag der Woche. Deshalb heiße es bei Deliveroo: Sonntagsarbeit ist für alle ein Muss. „Wir können dich gesetzlich leider nur an drei Wochenenden im Monat verpflichten“, soll der Deliveroo-Mitarbeiter gesagt haben, „aber wir gehen davon aus, dass du echt Bock hast. Deshalb würde ich dich auch am vierten eintragen.“ Gegenüber Bento streitet Deliveroo die illegale Praxis ab. Gegenüber Gründerszene konnte das Unternehmen am Donnerstag kurzfristig nicht Stellung beziehen.

In einem später nachgereichten Statement heißt es: „Wir erkennen in der Darstellung von Bento den Bewerbungsprozess von Deliveroo in Deutschland nicht wieder.“ Man habe eine „außerordentlich positive Beziehung mit über 1.000 Kurieren in Deutschland“. Das Startup betont, es habe gründliche und umfassende Prozesse bei der Bewerbung und Einstellung und stelle „höchste Standards bei Schulungen, Sicherheit und Service sicher“.

„Der kannte den DGB nicht“

Der Bento-Reporter fand weitere Schwachstellen. „Zwischen dem, was neuen Fahrern versprochen wird, und der Wirklichkeit klafft eine große Lücke“, schreibt er. So werbe Foodora mit einem Stundenlohn von bis zu 13 Euro. Das Unternehmen habe ihm aber nicht sagen können, wo dieser Betrag tatsächlich gezahlt werde. In Berlin liege der Stundenlohn bei 8,50 Euro, in Hamburg und in Frankfurt bei neun beziehungsweise zehn Euro. Derzeit wird auf der Webseite noch mit zwölf Euro Stundenlohn geworben. Foodora antwortete am Donnerstag auf Gründerszene-Anfrage bislang nicht.

Der Reporter berichtet von einer weiteren denkwürdigen Episode. Einer der Foodora-Fahrer, den er interviewt habe, soll einen Unfall gehabt haben und mit dem Rad gestürzt sein. Daraufhin sei er mehrere Wochen krankgeschrieben gewesen – doch sein Vorgesetzter habe ihm eine Abmahnung gesendet. „Der wusste nicht, was eine Krankschreibung bedeutet. Ich habe ihm dann mit dem Rechtsschutz der Gewerkschaft gedroht“, so der Fahrer zu Bento. „Aber der kannte den DGB nicht.”

Bild: Screenshot Foodora.de/ride4us; Hinweis: Der Artikel wurde um ein STatement von Deliveroo ergänzt.