Das 6Wunderkinder-Team an einem „Formal Friday“ 2012

Was für eine Geschichte: Ein kleines Berliner Startup baut eine To-Do-App, die wird millionenfach heruntergeladen, am Ende steht die Übernahme durch einen riesigen US-Softwarekonzern. 6Wunderkinder und Microsoft – die Szene kennt in diesen Tagen kein anderes Thema.

Kaum einer abseits des Gründerteams weiß über die Geschichte hinter dem Startup und seinem Verkauf so gut Bescheid wie Frank Thelen. Der Seriengründer und Investor aus Bonn, der im vergangenen Jahr durch seinen Job als „Löwe“ bei DHDL deutschlandweite Bekanntheit erlangte, war der erste Geldgeber der 6Wunderkinder. Thelen hat das Startup seither auf seinem Weg begleitet.

In einem langen Blogbeitrag blickt Thelen nun zurück auf die fünf Jahre mit den Wunderlist-Machern um Christian Reber. Wir dokumentieren ein paar Ausschnitte – empfehlen aber auf jeden Fall die Lektüre des ganzen englischen Texts. Denn solche Berichte aus erster Hand sind selten.

Das erste Treffen

„Einige Monate, nachdem wir [unser Startup] Ip.labs verkauft hatten, trafen Marc [Sieberger] und ich Christian bei einem Meetup in Berlin, er hatte zu der Zeit seine eigene Agentur. Wir verknüpften uns auf Xing […] und einige Wochen später sah ich seine Nachricht: ‚Wer will sich mir anschließen, um eine Projektmanagement-Software der nächsten Generation zu bauen?‘ Ich war sehr neugierig.“

Der Name

„Christian und sein Team hatten die Idee, das Unternehmen 6Wunderkinder zu nennen, und seine Produkte Wunderkit und Wunderlist. Ich war am Anfang sehr skeptisch. […] Heute mag ich Namen und Marke wirklich. Learning: Vertraue und folge dem Instinkt des Gründers.“

Ein erster Strategieschwenk

„Ich rief Christian und sagte: ‚Ich weiß, wir haben unserem Investor [dem High-Tech Gründerfonds] versprochen, Wunderkit zu bauen, aber ich glaube, wir sollten zuerst eine Cloud-Synchronisierung für Wunderlist bauen.‘ Er war einverstanden und begann, an dem Synchronisierungscode zu arbeiten. Wir schätzten die Arbeitszeit auf vier Wochen, aber wir brauchten mehr als zwei Monate für die erste Version. Die war zwar hacky, aber sie funktionierte. Eine einfache, ausbaufährige MySQL-Datenbank, ein PHP-Sync-Algorithmus, fertig!“

Ein zweiter Schwenk: Wunderkit wird begraben

„Im Februar 2012 wurde Wunderkit endlich als vollständige Projektmanagement-Plattform veröffentlicht, auf der sogar Dritte Wunderkit-Apps bauen konnten. Ich glaube wirklich, dass das Design und die Architektur, die Christian und sein Team abgeliefert hatten, herausragend war. Es bekam viel Aufmerksamkeit und wuchs sehr schnell. Aber es funktionierte nicht. Es war zu komplex. […] Christian traf die unglaublich schwierige Entscheidung, das Team auf Wunderlist zu refokussieren. Ich habe großen Respekt vor der Art und Weise, wie er diesen dramatischen Strategieschwenk ausführte und seinem Team, Management und den Investoren kommunizierte.“

Ein neuer CTO

Chad [Fowler] einzustellen, war ein genialer Schachzug von Christian. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie er einen berühmten US-amerikanischen CTO dazu bekam, zu einem kleinen Berliner Startup mit Backend-Problemen zu wechseln, aber sein Pitch muss sehr überzeugend gewesen sein. […] Chad war extrem freundlich und immer ruhig, was für uns Investoren am Anfang eine Herausforderung war: Wir wollten ein felsenfestes Backend und zwar JETZT. Aber Chad hatte natürlich recht, sich Zeit zu nehmen um zu analysieren, nachzudenken, zu planen und dann auszuführen.“

Sequoia

„Ein Jahr nach dem Launch von Wunderlist 2, entschloss sich Christian in die USA zu fliegen und eine weitere Finanzierungsrunde abzuschließen, um Wunderlist bauen zu können. Er sprach nur mit einer Handvoll Investoren, nur mit denen, die er mochte – aber wollte unbedingt Sequoia (die seit 2011 interessiert waren) dabei haben. […] Er traf Sir Michael Moritz, und schloss den Deal innerhalb von drei Tagen ab.“

Der Exit

„Warum haben [Christian] und die Investoren ein Angebot von Microsoft angenommen? Lass es mich so sagen: weil es eine unfassbare Chance ist. Wunderlist wird Teil von Microsoft werden, was sich gerade zu der führenden, plattformunabhängigen Produktivitätsplattform wandelt. […] Wunderlist wird weiter leben, und es wird sogar stärker werden (und viel schneller als es ohne diesen Deal je hätte werden können). Ich erinnere mich, wie [Christian] zu mir sagte: ‚Frank, mein Herz sagt nein, aber mein Kopf sagt ja.‘ Meiner Ansicht nach ist das mehr als unglaublich. Ein deutsches Startup mit so gut wie keiner Gründungserfahrung hat es geschafft zu starten, zu kämpfen, zu überleben und sein Ziel zu erreichen. Viele Personen sind sehr reich geworden und werden wahrscheinlich einen guten Teil ihres Vermögens wieder in das Berliner Ökosystem investieren. […] Freut euch, das ist episch!“

Bild: 6Wunderkinder