Freelancer

Ein Fachbeitrag von Gerd Schorn, Geschäftsführer des Personaldienstleisters provativ, der sich auf die Vermittlung erfahrener, freiberuflicher IT-Experten in Projektarbeit spezialisiert hat.

Die Anzahl der Menschen in freien Berufen wächst seit über 20 Jahren durchschnittlich um vier Prozent. Waren es im Jahr 1994 gerade mal 550.000 Menschen, stieg die Zahl in 2014 schon auf 1,27 Millionen. Das macht etwa drei Prozent aller Beschäftigten in Deutschland aus, mit steigender Tendenz. Vorteile der freiberuflichen Tätigkeit sind mehr Abwechslung im Job, aber auch bessere Verdienstmöglichkeiten. Sowohl Absolventen als auch Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung haben gute Chancen, von diesem Trend zu profitieren. Wenn sie folgende Regeln beachten und Stolpersteinen aus dem Weg gehen.

1. Das Qualifikationsprofil ist die Visitenkarte des Freelancers

Das erste, was ein Kunde von einem Freelancer sieht, ist sein Qualifikationsprofil. Entsprechend ist es wichtig, damit gleich einen guten Eindruck zu machen. Dazu gehört auch eine ansprechende, übersichtliche Aufbereitung der Bewerbungsunterlagen, damit der Kunde auf einen Blick sieht, warum man für ein Projekt der geeignete Kandidat ist. Leider vernachlässigen viele Experten diesen Punkt und verlassen sich zu sehr darauf, dass ihre Erfahrungen für sie sprechen. Bei der Masse an Bewerbungen, die Entscheider zu bearbeiten haben, schaffen sie es aber gar nicht, jedes Detail eines 20-seitigen Lebenslaufs zu lesen.

Daher gilt hier die Devise: kurz halten und auf maximal fünf Seiten das Wichtigste herausstellen. Die Erfahrung der letzten zehn Jahre genügt in der Regel, was älter ist, ist oftmals überholt und bläht den Lebenslauf unnötig auf. Bei den Kenntnissen und Fähigkeiten ist es sinnvoll, sie übersichtlich zu ranken. Am besten fängt man an mit dem, was man am besten kann, und schreibt verständlich dazu, wie gut man eine bestimmte Technik, ein bestimmtes Tool beherrscht. Übertreiben sollte man es aber nicht mit der Selbstdarstellung. Fällt eine Referenz weniger rosig aus als angekündigt oder kommt im Interview heraus, dass der Lebenslauf „frisiert“ ist, hat man den potentiellen Kunden schnell nachhaltig vergrault.

Weglassen sollte man außerdem bunte Grafiken und eingefügte Kundenlogos. Das wirkt unprofessionell und lenkt vom Wesentlichen ab. Auch blumige Sinnsprüche oder persönliche Mottos haben im Lebenslauf nichts zu suchen. Schließlich gehört in einen CV auch ein Foto – und zwar ein ordentliches Business-Portrait, kein Freizeit-Schnappschuss.

2. Eigenwerbung ist Pflicht

Schon vor dem Schritt in die Selbständigkeit sollte der angehende Freelancer kräftig die Werbetrommel in eigener Sache rühren. Nur wer von potentiellen Kunden gesehen wird, bekommt auch Aufträge. Standard ist hierfür die eigene Website, auf der man sein Leistungsprofil mit Referenzen ausführlich darstellen kann. Sie sollte so verschlagwortet sein, dass sie in einer Google-Suche nach den eigenen Fähigkeiten auch zu finden ist. Bewerber mit Website können ihren Lebenslauf knapper gestalten und darauf verweisen, dass sich ausführliche Informationen online finden. Eine Website wirkt professionell und positioniert den Betreiber als Unternehmer.

Unverzichtbar ist auch ein gut gepflegtes XING- oder LinkedIn-Profil. Neben der Möglichkeit, unkompliziert mit potenziellen Auftraggebern in Kontakt zu kommen, findet man in diesen Netzwerken auch Jobangebote, sowohl von Unternehmen als auch von Vermittlungsagenturen. Wichtig ist, die eigenen Skills und Erfahrungen stets auf dem neuesten Stand zu halten, ebenso die Kontaktdaten. Darüber hinaus sollten Freelancer stets die Augen nach ausgeschriebenen Aufträgen offen halten. Hierfür gibt es eine Reihe an Plattformen für Freiberufler, darunter Projektwerk, Freelancermap oder Freelance.de, auf denen Projektangebote gelistet sind. Schließlich lohnt es sich auch, sich bei Projektvermittlern zu registrieren. Diese haben oft Angebote, die woanders nicht zu finden sind.

3. Preisgestaltung: zu teuer ist schlecht, zu günstig aber auch

Wer den Zuschlag für ein Projekt bekommt, ist immer auch eine Frage des Preises. Gerade für Tätigkeiten, die häufig angeboten werden, sind Kosten oft der ausschlaggebende Faktor. Setzt man den eigenen Stundensatz zu hoch an, verbaut man sich ziemlich sicher den Weg zum Auftrag. Das heißt aber nicht, dass man Kampfpreise aufrufen sollte. Liegt ein Angebot deutlich unter dem üblichen Satz für eine bestimmte Tätigkeit, werden Kunden möglicherweise misstrauisch. Warum bietet sich jemand unter Marktwert an? Wer sich unsicher ist, was ein angemessener Preis für seine Leistung ist, findet im Internet Hilfestellung. Schließlich kann zu Beginn der Freiberuflerkarriere eine kreative Rabattgestaltung für die Zeit der Einarbeitung, zum Beispiel in neue Technologien, der Türöffner zu interessanten Projekten sein.

Grundsätzlich gehören Stundensätze nicht in die Bewerbungsunterlagen. Abhängig von Tätigkeit, Auftraggeber und Einsatzort sind die Schwankungen zu groß. Erst wenn das Unternehmen am Freelancer interessiert ist und weitere Gespräche stattfinden, ist die Zeit gekommen, über Geld zu sprechen. Dabei sollte man ruhig abwarten, ob ein Angebot vom potenziellen Kunden kommt, bevor man die eigenen Honorarvorstellungen kommuniziert.

Wer über eine Vermittlungsagentur geht, bekommt dort in der Regel auch Tipps, welche Preisspanne realistisch ist. Die ist zwar nur eine Orientierungshilfe und letztendlich entscheidet der Freiberufler selbst, welchen Stundensatz er aufruft. Sich von Profis beraten zu lassen hilft aber, die Chancen auf den Zuschlag zu erhöhen. Zudem werden Kandidaten mit überzogenen Honorarvorstellungen in der Regel von Agenturen gar nicht erst vorgeschlagen.

4. Vermittler einschalten: Wann macht es Sinn?

Ein wichtiger Grund, in die freiberufliche Tätigkeit zu wechseln, sind für viele die besseren Verdienstmöglichkeiten. Manch einer fragt sich da, wozu er überhaupt einen Vermittler braucht, für den der Kunde ja auch noch zahlen muss. Wer selbst genügend Kontakte mitbringt, ordentlich Eigenwerbung betreibt und gefragte Skills hat, benötigt nicht unbedingt Unterstützung, um genügend Aufträge zu bekommen. Dennoch sind Freelancer, die mit Vermittlungsagenturen zusammenarbeiten, im Durchschnitt mehr beschäftigt als solche, die es auf eigene Faust versuchen, ergab die Computerwoche-Freiberuflerstudie 2015. Ein Grund dafür ist, dass Agenturen Freiberufler dabei unterstützen, ihre Bewerbungsunterlagen zu optimieren. Hinzu kommt, dass gerade Großunternehmen häufig eine sehr restriktive Einkaufspolitik haben und „Einzelkämpfer“ gar nicht beauftragen dürfen.

Aber auch, wer über eine Agentur einen Vorschlag bekommt, hat den Job aber noch lange nicht sicher. Der Vermittler nimmt dem Kunden die Arbeit der Vorauswahl ab, anschließend muss der Kandidat ihn von sich überzeugen. Gefällt der Lebenslauf dem Kunden, folgen in der Regel erst ein Telefoninterview und dann ein persönliches Gespräch. Hier gelten die üblichen Regeln für Bewerbungsgespräche, also ein professionelles Auftreten und gute Vorbereitung. Besonders wichtig ist im Projektgeschäft außerdem Verbindlichkeit. Was man zusagt, egal ob schriftlich oder mündlich, sollte auch eingehalten werden. Ist man sich nicht sicher, ob man einen bestimmten Auftrag annehmen kann, ist es besser, dies klar zu sagen. Kunden haben meistens Verständnis, dass Freiberufler mehrere Baustellen gleichzeitig haben. Kurzfristige Absagen hingegen beschädigen das Vertrauensverhältnis meist irreparabel.

Vertrauen ist auch ein wichtiges Stichwort, wenn es darum geht, die passende Agentur zu finden. Entscheidend ist zunächst eine attraktive Projektauswahl. Aber auch die Betreuung spielt eine wichtige Rolle für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Ob man bei einem bestimmten Vermittler gut aufgehoben ist, zeigt sich vor allem an der Kommunikation. Findet diese ausreichend statt? Ist die Agentur für den Freelancer erreichbar? Gibt sie ihm Feedback und informiert sie ihn auch über Absagen? Sind Verträge so formuliert, dass dem Freiberufler Autonomie zugestanden wird oder wird jedes Detail schriftlich geregelt und mit Strafen bewehrt? Wie sieht es aus mit den Finanzen und der Zahlungsmoral des Vermittlers? Besteht Transparenz darüber, welchen Endkunden das eigene Profil vorgelegt wird? Einige Unternehmen schließen nämlich Bewerber, die ihnen von mehr als einer Agentur vorgeschlagen werden, aus – und zwar dauerhaft. Freiberufler sollten daher stets den Überblick behalten, um welches Projekt sie sich über welchen Vermittler beworben haben.

Auch für Freelancer, die ohne Vermittler genug Aufträge haben, kann es sich unter Umständen lohnen, eine Agentur einzuschalten. Fällt ein Freiberufler während des Projektzeitraums aus, etwa wegen Krankheit, können zuweilen empfindliche Vertragsstrafen auf ihn zukommen. Eine Agentur kann in dem Fall helfen, schnell Ersatz zu finden und das Projekt zum Erfolg zu bringen. Zudem zahlen Auftraggeber mittlerweile oft mit einer Verzögerung von 90 oder gar 120 Tagen nach Rechnungsstellung. Gerade bei Neulingen mit einem bescheidenen finanziellen Polster kann dies existenzbedrohend sein. Agenturen federn ein mittelfristiges Zahlungsziel in der Regel ab und überweisen das Honorar deutlich früher, unabhängig davon, wann der Auftraggeber zahlt. Eine solche finanzielle Planbarkeit kann den Start in die berufliche Selbständigkeit erleichtern.

5. Schreckgespenst Scheinselbständigkeit

Ein neuralgischer Punkt für viele Auftraggeber ist das Thema Scheinselbständigkeit. In Zeiten stark beanspruchter Sozialkassen haben auch die Behörden dieses Thema längst entdeckt und führen verstärkt Kontrollen durch. Dabei gibt es zwar keinen eindeutigen Kriterienkatalog, was genau als Scheinselbständigkeit gilt. Aber um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Freelancer am besten parallel mehrere Auftraggeber haben und idealerweise eigene Mitarbeiter beschäftigen. Auch sollte man darauf achten, dass Einsätze bei einem Kunden nicht zu lang werden und am besten zwölf Monate nicht überschreiten. Überhaupt nicht empfehlenswert ist es, nach dem Sprung in die Selbständigkeit sofort wieder beim alten Arbeitgeber anzuheuern. Hier ist der Verdacht der Scheinselbständigkeit am ehesten gegeben. Ist seit der eigenen Anstellung einige Zeit vergangen und hat man inzwischen Projekte für andere Kunden durchgeführt, spricht allerdings nichts dagegen, dort auch als Freiberufler wieder anzuklopfen.

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