Mo Drescher (links) und Holger Veldt

Großer Andrang bei Berliner Show

Berlin Mitte, Donnerstagabend. Die Geschäfte haben geschlossen und viele Seitenstraßen sind menschenleer. Doch vor der Bar des Coworking-Space Rainmaking Loft stehen Menschen bis auf die Straße Schlange, um sich in eine ohnehin überfüllte Bar zu drängeln. Drinnen sind schon lange vor Beginn der FuckUp Night keine freien Stühlen mehr zu haben, Leute sitzen auf dem Boden vor der Bühne oder im Gang. Alle wollen hören, wie es ist, schöner zu scheitern.

Während die Leute aufgeregt auf die Redner warten, laufen Youtube-Videos von „Ultimate Failures“ über den Beamer. Bier und Wasser gibt es für Gäste umsonst an der Bar, Medien sind auch da, die Stimmung ist ausgelassen.

Der Schokoladenpioneer Holger Veldt macht den Anfang. Etwas überfordert von der Situation stellt er sein gescheitertes in’t-veld Schokoladengeschäft vor. Das Publikum amüsiert sich, denn der etwas nervöse Holger reißt einen Witz nach dem anderen. Doch so ganz wird nicht klar: Warum ist er eigentlich gescheitert? Das Publikum fragt nach. Es kommt raus: Nachdem Holger dann auch noch ein Schoko-Cafe eröffnete, lief alles aus dem Ruder. Doch er nimmt sein Scheitern mit Humor und schiebt es auf seine Wessi-Mentalität: „Bei uns hieß es ja immer: kaputt machen ist eh geiler, als aufzubauen.“ Das Geschäftliche habe ihn gestresst und „die Buchhaltung war auch nicht so meins“. Doch er hat sich aufgerappelt und macht wieder Schokolade. Dies Mal in der Eisdielenküche seines Freundes im Prenzlauer Berg.

Auch Mo Drescher hatte schwer zu kämpfen. Der Werbedesigner, der in einer kleinen Unternehmerfamilie aufwuchs, machte sich 2000 selbstständig und gründete 2005 seine eigene Agentur Caschimoto. „Als Freelancer hat es am Anfang echt Spaß gemacht“, erzählt Mo, als er auflistet, wie er in zwei Jahren Pitches im Wert von 55 Millionen Euro für Agenturen an Land gezogen hat. „Doch leider ist es in der Werbung nicht wie beim Fußball, bei dem du mehr Geld bekommst, je besser du spielst. In unserer Branche bekommst du einen Tritt in den Arsch, wenn du gut bist.“

In seiner Agentur merkte er schnell, dass es ohne Beziehungen in der Branche nicht einfach ist, an die großen Kampagnen zu kommen. Ohne Geschäftssinn – aber mit einem Büro wie in Mad Men – folgte dann 2009 der Crash. „Und plötzlich war niemand mehr da“, erzählt Mo. „Wenn du scheiterst, bist du nichts mehr.“ Beide, Holger und Mo, sind sich einig: Wenn man scheitert, fehlt oft das Verständnis aus dem eigenen Umfeld. Das Publikum ist nachdenklich.

Ob beruflich oder privat: jeder kann scheitern

Ex-Piratenmitglied Julia Schramm erzählt von ihrem persönlichen Scheitern. Das hat zwar nichts mit Unternehmensgründung zu tun – ist aber genauso schmerzhaft. Nach der Wahl zur Beisitzerin der Partei wurde die mittlerweile 29-jährige Opfer eines gewaltigen Shitstorms, der sie völlig unvorbereitet traf. Nachdem sie Artikel für deutsche Medien geschrieben hatte und die Veröffentlichung ihres Buches bevorstand, wurde sie in der Öffentlichkeit plötzlich geächtet, erzählt sie. „Dann kam irgendwann der Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass ich keine Kontrolle mehr hatte. Eigentlich wollte ich gar keine Politikerin sein. Wie konnte das nur passieren?“ Zwei Wochen später sei sie zurückgetreten. Mittlerweile kann sie über die ganze Geschichte lachen. „Ich glaube, was wir hier alle gemeinsam haben, ist eine Art von Größenwahn“, schmunzelt sie.

Die letzte FuckUp Night ist gerade mal zwei Monate her. Trotzdem kamen knapp 150 Leute kamen zu dem Event im Startup-Hub Rainmaking Loft. Mitveranstalter Fabian Metzeler ist mit dem Andrang rundum zufrieden. „Wir haben vor ab jetzt jeden Monat eine FuckUp Night zu veranstalten”, erzählt er. „Für die nächsten drei bis vier Monate haben wir auch schon andere coole Locations organisiert.” Fabian lernte das Format, das in 64 Städten in 25 Ländern stattfindet, in Düsseldorf kennen und dachte sich: warum eigentlich nicht Berlin? Er wolle den Austausch über das Scheitern ermöglichen, erzählt er. „Am Anfang fand ich das Thema Scheitern auch echt gruselig. Und in Deutschland ist das auch echt ein Tabu, dass man mal etwas in den Sand setzt. Dann ist man sofort gebrandmarkt. Das wollen wir ändern.“

„Kaputt machen ist geiler, als aufzubauen“

Bild: Gründerszene