Die beiden Zalando-Gründer David Schneider (links) und Robert Gentz bei der Berliner Fuck-up-Night

„Ein Riesen-Fuck-up in Mexiko“, kündigt David Schneider an, als er mit seinem Studienfreund und Mitgründer Robert Gentz die kleine Bühne im Berliner Hauptsitz von Zalando betritt. Bei der Fuck-up-Night am Donnerstagabend, bei welcher Unternehmer von ihrem Scheitern erzählen, finden die beiden Zalando-Macher klare Worte zu ihrem ersten Gründungsversuch.

Dass sie gründen möchten, haben beide schon im Studium gewusst. Im letzten Semester ist den beiden WHUlern dann die Idee in ihrer WG gekommen: Ein soziales Netzwerk soll es sein. Facebook war gerade in den USA ein großer Erfolg, in Deutschland wurde StudiVZ für 85 Millionen Euro verkauft. „Wir waren im Studium beide in Südamerika und affin für diese Länder. Also dachten wir uns: Warum nicht in Mexiko starten?“, erzählt David Schneider. Nach dem Motto: „Wir teilen uns die Welt auf.“

Der Businessplan war ambitioniert: 81 Millionen Nutzer wollen die beiden Freunde auf ihre Plattform mit dem Namen Unibicate bringen. Zunächst hatten sie dann fünf Nutzer in Mexiko und zwei in Chile und Argentinien, den anderen beiden Startmärkten des Netzwerks. Kapital von deutschen Investoren haben sie für ihre Idee trotzdem bekommen. „Wir hatten ein richtiges Tech-Startup-Gefühl. Nur, dass wir keine Ahnung von Tech hatten und in Mexiko saßen“, erinnert sich Schneider.

Dort war es nicht so leicht, Programmierer zu finden. Robert Gentz sagt: „Wir mussten feststellen, dass die meisten guten in die USA gingen und dort blieben.“ Glücklicherweise fanden beide einen ambitionierten Mitarbeiter, „ein echtes Brain“, so Gentz. Der habe sich drei Tage lang in ein Zimmer eingesperrt, ein 700-Seiten-Buch mit dem Titel „PHP 5.0“ gelesen und sei danach Chef-Programmierer bei Unibicate geworden.

Ausflüge zum Geldautomaten

Die Hindernisse nahmen nicht ab – dafür gab es immer mehr semi-kreative Lösungen. „Irgendwann stellten wir fest, dass man Leute auch bezahlen muss“, witzelt Gentz. In Mexiko hätten allerdings die meisten der Mitarbeiter gar kein Konto gehabt, Gehälter gebe es üblicherweise per Scheck. Die Lösung: Bargeld. „Nun waren wir aber eine deutsche GmbH mit einem deutschen Bankkonto. Und die Deutsche Bank erlaubte in Mexiko nur Geldabhebungen von 500 Euro am Tag.“ Also habe es mehrfach im Monat regelrechte Ausflüge zum Geldautomaten gegeben. Bei denen hätten die Gründer alle verfügbaren Kartenlimits ausgereizt, um ihre Mitarbeiter bezahlen zu können. „Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn wir mal mehr als 30 Mitarbeiter haben“, lacht Schneider. Gentz antwortet: „Zum Glück war das nie der Fall!“

Neben dem Team in Mexiko bauten die beiden noch zwei kleine Ableger in Chile und in Argentinien auf. Die Entfernungen zwischen den Standorten aber hätten sie unterschätzt: Die Koordination der Teams über Skype sei sehr schwierig gewesen, gerade in einer so kritischen Phase des Startups.

Auch die kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern waren ein Problem. So ging eine der vielen Aktionen, die Nutzer auf die Plattform locken sollten, nach hinten los. Ein Schönheitswettbewerb. „Da sind wir explizit nicht stolz drauf“, betont Robert Gentz. „Gar nicht oberflächlich…“ Was Interaktion angehe, sei der Contest allerdings die erfolgreichste Aktion gewesen: Nutzer hätten Fotos hochgeladen und kommentiert – nur nicht so, wie erhofft. „Chilenen haben die Mexikaner für ihre Eitelkeit gedisst“, erzählt Schneider, „und Mexikaner Chileninnen für ihr Aussehen.“

Robert Gentz (links) zeigt alte Bilder aus Mexiko, sein Mitgründer David Schneider steht rechts

Gentz und Schneider nehmen das Scheitern mit Humor. Sie sagen aber: „Auch, wenn der Rückblick heute oft lustig und mit hoher Fuck-up-Dichte ist, damals waren wir am Boden.“ Schließlich sei es alles andere als einfach vor das Team zu treten und die schlechten Nachrichten des Netzwerk-Endes zu überbringen. Außerdem hätten sie sich in den acht Monaten kein Gehalt gezahlt und noch von ihrem Studienkredit gelebt. Da habe man schon häufig ans Aufgeben gedacht, so Gentz. „Einfach einen vernünftigen, zahlenden Job annehmen“.

„Wir waren komplett blank“, sagt er. Nicht einmal Geld für Flugtickets nach Hause war übrig. Das kam dann von unerwarteter Seite, von Oliver Samwer. Für ihn arbeiteten Gentz und Schneider als Gegenleistung einige Monate für das spanische Tarifportal Tarifas24 in Madrid. „Da waren wir wenigstens schon mal in Europa“, lachen die Gründer.

Sie glauben, dass sie nicht noch einmal gegründet hätten, wären sie nicht zu zweit gewesen. „E-Commerce fanden wir so spannend, da haben wir uns noch einmal gegenseitig hochgeschaukelt und es versucht“, sagt Gentz. Dieses Mal natürlich um so einige Erfahrungen und Learnings reicher:

  • Wer nie in einem Unternehmen gearbeitet habe, dann aber eines gründe, kenne keine Risiken und könne diese nicht antizipieren. Dabei sei das natürlich einer der wichtigsten Punkte für die Planung.
  • Das Scheitern habe wach gemacht und Realismus für Planung und Teamaufbau gebracht.
  • Gründer müssen sich gegenseitig vertrauen und eng kommunizieren. Sie säßen bis heute an einem Schreibtisch.
  • Von dem „ersten Baby“, dem Netzwerk, habe man sich zu schlecht lösen können. Emotionen seien wichtig, aber Objektivität müsse neben der Leidenschaft sein. Nur, wer sich gegenseitig challenged, könne Schwächen bekämpfen.

Schließlich will noch ein Zuschauer wissen, warum die beiden eigentlich so bodenständig geblieben sind – trotz ihres Erfolgsgeschichte mit Zalando. „Ich denke das ist Typfrage“, antwortet Robert Gentz. „Und liegt an der Art, mit der wir das Unternehmen führen. Wir konzentrieren uns immer auf die großen Herausforderungen, die vor uns liegen. Nicht auf das, was hinter uns liegt.“

Bilder: Claudia Burger