Ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main hat unter den Millionen Interneteinkäufern in Deutschland Aufregung ausgelöst. Die Richter entschieden, dass die Deutsche-Bahn-Tochter DB Vertrieb nicht länger den Abbuchungsdienst „Sofortüberweisung“ als einzige kostenfreie Zahlart bei Flugbuchungen anbieten darf (Az.: 2-06 O 458/14). Das Urteil wirft die auch auf europäischer Ebene viel diskutierte Frage auf, welche Bezahlmöglichkeiten einem Kunden im Internet geboten werden müssen.

Geklagt hatte in diesem Fall der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Verbraucherschützer störten sich daran, dass derjenige, der auf dem Reiseportal start.de einen innerdeutschen Flug für 120 Euro buchen wollte, lediglich die Wahl zwischen Sofortüberweisung und Kreditkarte hatte. Bei Sofortüberweisung fielen keine zusätzlichen Gebühren an, bei der Kreditkarte 12,90 Euro.

Die Frankfurter Richter sehen in dem begrenzten Angebot an Bezahlwegen einen Verstoß gegen Paragraf 312a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Darin heißt es, dass ein Verbraucher zumindest eine „gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit“ haben muss.

Selbst Kreditkarten sind kritisch

Zumutbar sind aus Sicht des Gerichts nur Barzahlung, EC-Karte, Überweisung oder Lastschrifteinzug. Schon Kreditkarten fallen nur dann darunter, wenn ihr Einsatz in der Situation „weithin üblich ist und mehrere am Markt verbreitete Kredit- und Zahlungskarten unentgeltlich eingesetzt werden können“.

Die Richter verweisen darauf, dass der Sofortüberweisung-Betreiber einen umfassenden Einblick in die Kontoinformationen des Kunden erhalte. Der Kunde gebe schließlich seine Kontodaten einschließlich PIN und TAN in die Eingabemaske ein.

Das Geld wird, vereinfacht gesagt, nach Prüfung des Kontostands direkt an den Händler überwiesen. Bei Internethändlern ist dieses Verfahren deshalb sehr beliebt, sie kommen schnell an ihr Geld. Jeder zweite Händler bietet es mittlerweile als eine Bezahlvariante an – oft neben Vorkasse, Paypal, per Rechnung und Kreditkarte.

Die Begründung der Unzumutbarkeit dürfte viele Verbraucher verunsichern. Das Gericht vertritt die Auffassung, die Eingabe von PIN und TAN berge „erhebliche Risiken für die Datensicherheit und eröffnet erhebliche Missbrauchsmöglichkeiten“.

Konkrete Sicherheitsbedenken bleiben die Richter allerdings in ihrem Urteil schuldig. Sie sprechen sich denn auch nicht grundsätzlich gegen „Sofortüberweisung“ aus. DB Vertrieb könne dies weiterhin anbieten und versuchen, die Kunden von der Qualität zu überzeugen.

Verbraucherschützer jubeln

Der Beklagten sei lediglich untersagt, den Kunden durch die einzige kostenlose Zahlungsart dazu zu zwingen, einem Dritten „hochsensible Daten“ zu übermitteln.

Die Verbraucherschützer jedenfalls jubeln. „Das Gericht hat die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher verteidigt“, sagt Kerstin Hoppe, Rechtsreferentin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Berlin. Verbraucher müssten ihre Zahlungsverpflichtungen auch ohne Preisgabe sensibler Daten kostenlos begleichen können.

Das sei zum Beispiel gegeben, wenn die Verbraucher daneben die Wahl hätten, kostenfrei eine Einzugsermächtigung zu erteilen. Die Deutsche Bahn kündigte dagegen an, die Sache bei dem erstinstanzlichen Urteil nicht bewenden zu lassen.

„Wir werden in Berufung gehen“, teilte ein Sprecher von DB Vertrieb mit. Bei kurzfristigen Reisebuchungen, wie sie gerade bei Flügen häufig vorkämen, sei dies schließlich aus Sicht eines Händlers eine schnelle und sichere Möglichkeit, an das Geld zu kommen. Lastschriften könnten zurückgeholt werden.

Verweis auf Missbrauchsmöglichkeiten

Sofortüberweisung, obwohl nicht direkt an dem Verfahren beteiligt, verweist zum einen darauf, dass es in dem Verfahren überhaupt nicht um einen Nachweis der Sicherheit der Bezahlmöglichkeit gegangen sei.

Der Verweis auf Missbrauchsmöglichkeiten sei in dem Urteil denn auch nicht faktisch untermauert, sondern entspringe offenbar lediglich einem Empfinden der Richter, sagte Jens Lütcke, einer der Geschäftsführer der Sofort GmbH.

Grundsätzlich sehen Beobachter hinter dem Urteil des Landgerichts auch die für das elektronische Bezahlen wichtige Frage, wem die Kontodaten gehören. „Generell kann angeführt werden, dass ein Durchgreifen auf das Konto des Verbrauchers und seine sensiblen Finanzdaten, sprich den aktuellen Kontostand, die Kontobewegungen der letzten 30 Tage, erst einmal als kritisch zu betrachten ist“, sagt Sven Korschinowski, Unternehmensberater bei KPMG.

Es sei denn, der Kunde stimme der Nutzung bewusst und aktiv zu und erhalte einen Gegenwert dafür. „Die Daten gehören dem Kunden, nicht der Bank, nicht dem FinTech, nicht dem Händler. Jeder Kunde muss entscheiden können, wem er sie gibt und was er für die ‚Währung‘ Daten erhält“, so der Zahlungsexperte.

Fall für das Bundeskartellamt

Über Jahre hat sich die deutsche Kreditwirtschaft dagegen gewehrt, dass Dienstleister Einblick in Kontodaten erhalten, auch wenn der Kontoinhaber dem vorher ausdrücklich zugestimmt hatte – wie dies auch bei Sofortüberweisung der Fall ist.

Eine Reihe von Instituten untersagte in den allgemeinen Geschäftsbeziehungen (AGB) die Eingabe von PIN und TAN außerhalb der eigenen Onlinebanking-Welt. Diese Abschottung rief das Bundeskartellamt auf den Plan. Nun soll ein Abschluss des Kartellverfahrens unmittelbar bevorstehen.

„Die im Urteil angesprochene Stellungnahme des Bundeskartellamtes bewerten wir als positiv für neue Zahlungsdienstleister, da sie deren Beschränkung durch die AGB der Banken für unzulässig hält“, sagt Korschinowski. Die deutsche Kreditwirtschaft hat sich darauf bereits heute eingestellt, zumal eine Kontoöffnung für Dritte auch in Brüssel bereits beschlossen ist.

Der Artikel erschien zuerst in der Welt

Bild: Sofort Gmbh