Plattformen wie Deliveroo beliefern Kunden mit Essen von virtuellen Restaurants

Gleich zehn Restaurants teilen sich einen kleinen Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Manchmal sind es nur acht, manchmal bis zu 15. Zumindest in der Theorie. Denn in Wahrheit existieren die Lokale nur online. Auch wenn die Adressen von GringoBurritos, Earl’s Deli und SpoonySoups alle zur selben Hausnummer führen, essen kann man dort nicht. Die Marken werden lediglich auf Lieferplattformen für Essen gelistet. Weil sie Ghost Restaurants sind: digitale Lokale ohne eigenen Gastraum, die nur für den Lieferservice kochen.

In den USA gibt es dieses Konzept schon seit etwa einem Jahr. Das Delivery-Restaurant Ando beispielsweise hat in New York mittlerweile 14 Küchen eröffnet. In einer Series-A-Runde sammelte das Gasto-Startup im vergangenen November sieben Millionen US-Dollar ein, unter anderem vom TV-Moderator Jimmy Fallon. In Großbritannien hingegen ist der Lieferdienst Deliveroo im Frühjahr mit eigenen Delivery-Only-Küchen namens Deliveroo Editions an den Start gegangen.

Deliveroo identifiziert dazu, in welchen Gebieten bestimmte Lokale fehlen und stellt an diesen Standorten Lieferküchen auf, die mit Restaurantpartnern maßgeschneiderte Menüs kochen. „Deliveroo Editions ermöglicht es Restaurants, ihren Kundenstamm zu erweitern sowie neue Marken und Küchentypen zu testen, ohne hohe Vorlaufkosten oder Mieten in Kauf nehmen zu müssen“, erklärt die Lieferplattform das Konzept gegenüber NGIN Food. In Deutschland soll der neuartige Essenslieferdienst voraussichtlich 2018 eingeführt werden. Für die Expansion hat Deliveroo gerade erst weitere 98 Millionen Dollar in der Series F-Runde bekommen, darunter von T. Rowe Price und Fidelity Investments. Damit belaufen sich die Investitionen der Series F auf mittlerweile 482 Millionen US-Dollar.

Offline-Store bleibt wichtiger Marketingkanal

Das Berliner Restaurant Beets&Roots hat das Geschäftsmodell im Frühjahr ebenfalls einen Monat lang getestet. Da Beets&Roots einen erheblichen Teil seiner Einnahmen über Lieferdienste macht, wollte Inhaber Max Kochen mit dem Projekt neue Expansionskanäle testen. Die Pop-Up-Küche habe zwar die Erwartungen erfüllt, „aber unser Store ist unser wichtigster Marketingkanal“, sagt Kochen. Seiner Meinung nach ergeben Ghost Restaurants nur Sinn, wenn mit einer Küche mehrere Marken bedient werden.

Das Team von GuruCollective, früher GreenGurus

Genau dieses Konzept verfolgt das Berliner Startup GuruCollective. Gründer Paul Gebhardt und Dimitrios Ploutarchos gingen im März 2016 als GreenGurus mit einem Lieferdienst für Salat an den Start. Mehr als zwei Millionen Euro hatte das Startup eingesammelt, bis es im Februar als Ghost Restaurant expandiert ist. „Wir sind das klassische Restaurantessen, das für die Auslieferung konzipiert ist“, erzählt Gebhardt und zählt einen Vorteil eines Ghost Restaurants auf: „Anders als im klassischen Restaurantgeschäft haben wir nicht so ein hohes Standortrisiko.“ Ghost Restaurants sind nicht auf Laufkundschaft angewiesen und benötigen weniger Platz, da kein Gastraum notwendig ist. Das senke oft auch die Mietkosten.

In wenigen Wochen zum neuen Restaurant

Jede der zehn Marken des GuruCollectives habe ein eigenes Erscheinungsbild samt Social-Media-Präsenz, spreche verschiedene Kundensegmente an und sei preislich unterschiedlich aufgestellt. Beets&Roots-Inhaber Kochen sieht den Vorteil von Ghost Restaurants vor allem im Markenausbau. „Dadurch, dass in einer großen Produktion mehrere Restaurants abgebildet werden können, kann man sich viel breiter aufstellen. Auf diese Weise können Gerichte und Marken extrem schnell aufgezogen und angepasst werden“, so Kochen.

Das Berliner Startup GuruCollective zieht regelmäßig neue Liefermarken binnen weniger Wochen auf. „Wir schauen uns an, was auf den Lieferplattformen gut läuft und wie viel Wettbewerb vorhanden ist. Und dann bauen wir ein Menü daraus, testen das mit fünf Produkten und etablieren das als sogenannte Lab-Marke“, erklärt Mitgründer Gebhardt.

Abstriche beim Kundenservice

„Da wir keinen Laden und kein Servicepersonal haben, das mit den Gästen spricht, muss die Marke online viel mehr leben“, sagt Gehardt. Der Co-Founder spricht damit einen Nachteil an: Die Kundenbeziehung falle anders aus als bei einem klassischen Restaurant. Über fehlende Zutaten – wenn etwa die Avocados für den Salat aus sind – können Kunden oft erst an der Haustür informiert werden.

Weil eine Küche immer nur einen Radius von zwei Kilometern bedienen kann, eröffnet GuruCollective demnächst seine dritte Küche im Berliner Raum. Derzeit schaut sich das Startup auch nach Standorten für Delivery-Küchen in Frankfurt und München um. Neun Monate nach dem Launch schreibe die erste Küche bereits schwarze Zahlen und setze eine knappe Million Euro pro Jahr um, erzählt der Co-Founder. „Wir sind mit jedem Kauf profitabel. Im Idealfall verdienen wir zwischen fünf und 20 Prozent an einer Bestellung“, sagt Gebhardt und ergänzt: „Ich glaube, in zehn Jahren wird der Großteil des gelieferten Essens aus Delivery-Only-Küchen kommen.“

Bilder: DANIEL LEAL-OLIVAS / Getty Images, GuruCollective