Eine im Bau befindliche Gigafactory von Tesla.

Stromspeicher sind elementar für die E-Mobilität und das Gelingen der Energiewende. Deshalb müsse Europa den führenden Batterieherstellern aus Asien Paroli bieten und schnellstens eine eigene Großproduktion aufbauen, fordert EU-Energiekommissar Maros Sefcovic zu Wochenbeginn auf einem „Batterie-Gipfel“ in Brüssel.

„Nicht mit uns“, antworten jetzt führende deutsche Batteriehersteller. Auf einer Veranstaltung des Zentralverbands Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI) in Berlin machten Branchenvertreter deutlich, dass sie noch auf Jahre hinaus keine wirtschaftliche Grundlage für die politisch gewünschten Milliarden-Investments in sogenannte Gigafactories sehen.

Christian Riedel, Sprecher bei Johnson Controls, dem weltgrößten Hersteller von Autobatterien, sieht die Bringschuld bei der Autoindustrie: Die habe sich bislang nicht auf einen Standard festlegen können. „Die Entwicklung von Batteriezellen dauert Jahre“, sagte Riedel: „Wenn sich der Verband der Automobilindustrie nicht auf eine Zelltechnologie einigt, wird es keine Investments in Großfabriken auf der grünen Wiese geben.“

Branche verlangt zuerst Standards

Zwar gehe die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterien weiter, betonte Riedel. Vor 2025 sehe er jetzt kaum eine Chance auf den Bau von Gigafactories.

Rainer Hald, Chief Technical Officer beim Batteriehersteller Varta, würde den Zeithorizont lieber noch in Richtung 2030 verschieben: „Uns muss erst einmal jemand sagen, wie das Produkt aussehen soll“, sagte Hald: „Solange sich kein Abnehmer aus der Autoindustrie festlegen will, gibt es auch keinen Business Case.“

„Eine einzige Gigafactory erfordert Investitionen von mindestens 1,5 Milliarden Euro“, erklärte Otmar Frey, Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Batterien. „Bei solchen Größenordnungen springt kein Hersteller einfach so ins kalte Wasser.“

Die Bedingungen, unter denen der US-Milliardär und Tesla-Gründer Elon Musk in den USA eine Gigafactory für die Batteriezellenproduktion hochgezogen habe, ließen sich auf die Verhältnisse in Deutschland oder Europa nicht übertragen, betonte Frey. Auch bei der Ankündigung des sogenannten TerraE-Konsortiums, eine Großproduktion für Lithium-Ionen-Zellen mit einer Kapazität von sechs Gigawattstunden in Deutschland aufzubauen, sei vorerst nicht mehr als eine Absichtserklärung.

Blind oder sogar naiv

Die Zurückhaltung der Batteriehersteller steht in einem starken Kontrast zu den politischen Erwartungen. „Wir brauchen mehr als zehn Gigafactories in Europa“, hatte EU-Energiekommissar Sefcovic noch am Montag in Brüssel gefordert.

Man müsse bis Mitte des nächsten Jahrzehnts 100 Gigawattstunden Produktionskapazität bereitstellen, um dann die Nachfrage nach Elektroautos bedienen zu können. Europa müsse sich einen Platz auf dem boomenden Weltmarkt für Batterien erkämpfen, dessen Volumen auf 250 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt wird.

Für die E-Mobilität seien Zellen und Batterien zentral, erklärte Matthias Machnig (SPD), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium auf dem Batterie-Gipfel in Brüssel: Wer glaube, diese Batterien einfach einkaufen zu können, sei blind, oder sogar naiv. Deshalb müssten europäische Firmen über nationale Grenzen hinweg zusammenarbeiten.

Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Elektromobilität in Deutschland unter anderem mit neuen Kaufprämien stärker zu fördern. Auch die Forderung nach einer eigenen Batteriezellen-Produktion in Deutschland findet sich im Koalitionsvertrag.

Nicht im Hintertreffen gegenüber Asien

In Brüssel versprach Sefcovic, dass die EU-Kommission nationale Förderprogramme in einem gewissen Rahmen beihilferechtlich erlauben werde. Wegen zu hoher Luftverschmutzung hatte die EU-Kommission gegen Deutschland und acht weitere Staaten bereits Klage eingereicht. Am Freitag kommender Woche will die EU-Kommission die Grundzüge einer europäischen Batterie-Strategie veröffentlichen.

Die Batterie-Branche wehrt sich unterdessen dagegen, stets nur am Bau von Gigafactories für die Elektromobilität gemessen zu werden. Der Eindruck, gegenüber den großen asiatischen Herstellern technologisch ins Hintertreffen geraten zu sein, ist falsch, betonte ZVEI-Fachgruppenchef Frey: „Es ist nicht so, dass wir uns verstecken müssten.“

Tatsächlich handele es sich bei den Lithium-Ionen-Zellen der großen asiatischen Hersteller lediglich um den „Rohstoff“ der Batteriefertigung. Dessen Anteil an der gesamten Wertschöpfung sei im Vergleich zur eigentlichen Fertigung der Batterien mit ihren Management-Systemen und der dazu gehörenden Leistungselektronik eher gering.

Die Batterie-Fertigung in Deutschland laufe hochautomatisiert ab, betonte Frey. Dabei geht es nicht nur um Starterbatterien für Fahrzeuge, sondern auch um Gerätebatterien für Handys, Hörgeräte oder Elektrofahrräder, sowie um stationäre Solarspeicher für Hausbesitzer oder Spezialbatterien für den industriellen Einsatz.

Keine Umweltgefahren dank hoher Recyclingquote

Rund 30 Unternehmen exportierten im vergangenen Jahr mit rund 8000 Mitarbeitern Batterien im Wert von 2,6 Milliarden Euro. Das Exportwachstum der Batterie-Branche entwickelt sich in den vergangenen Jahren dreimal schneller als in der Elektroindustrie allgemein. „Die Batterie-Industrie in Deutschland ist hervorragend aufgestellt“, sagte Frey: „Wir haben eine starke Basis, auf die wir aufbauen können.“

Neben der Lithium-Ionen-Technik blieb auch die klassische Bleibatterie ein „Exportschlager“, betonte der ZVEI. In den vergangenen fünf Jahren sei die Produktion dieses Batterietyps um 42 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro gestiegen. Die Exporte, vor allem Starterbatterien für die Automobilindustrie, stiegen noch stärker an.

Auch in reinen Elektroautos kämen neben den Lithium-Ionen-Akkus weiterhin Bleibatterien zum Einsatz. Als „Bordnetzbatterie“ blieben sie für bestimmte Funktionen im Auto unersetzlich. Bei einer Recyclingquote von 99,8 Prozent gehe von der Bleibatterie in Deutschland praktisch keine Umweltgefahren aus, erklärte der Verband.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de