Google LLC

Hardware-Chef Rick Osterloh soll Google zu einem ernsthaften Hersteller von Geräten machen. Mit eigenen Pixel-Smartphones legt sich der Technologiekonzern nun mit seinen früheren Partnern an. Einen von ihnen hat er sogar gekauft. Doch in der Vergangenheit ist das nicht immer gut gegangen.

Herr Osterloh, im vergangenen Jahr sind die Verkaufszahlen im Smartphone-Markt zum ersten Mal weltweit zurückgegangen. Sind die besten Zeiten vorbei?

Die besten Zeiten für Smartphones sind noch nicht vorüber. Aber das Marktwachstum wird sich in jedem Fall abflachen. Der Grund dafür ist einfach: Irgendwann hat jeder ein Smartphone. Aber die Fähigkeiten, die auch künftig noch in die Geräte kommen, werden beachtlich sein. Augmented-Reality-Funktionen sind ein gutes Beispiel. Es gab sie vor einem Jahr noch nicht im Smartphone. Und jetzt sind sie wirklich nützlich. Und das ist nur ein Beispiel, wie die Dinge besser werden. Oder schauen Sie sich die Foto-Funktionen der Smartphones an. Wir sind dort weit gekommen. Auch wenn die Stückzahlen in den entwickelten Märkten nicht mehr so schnell wachsen werden, werden die Fähigkeiten weiter zunehmen.

Wie ernst meint es Google mit Hardware?

Sehr ernst. Sonst hätten wir nicht das Smartphone-Geschäft von HTC übernommen. Wir haben außerdem angekündigt, dass wir Nest stärker integrieren. Wir haben jetzt wirklich ein starkes Team zusammen für die beiden Bereiche Smartphones und Geräte, die man zu Hause nutzt.

Google ist eher ein Software-Unternehmen. Wie soll der Sprung in die Hardware-Welt gelingen?

Hardware ist tatsächlich erst einmal ein ganz anderes Geschäft. Die Entwicklungszyklen sind länger. Wenn man etwas Substanzielles entwickeln will, braucht es dafür mehrere Jahre. Und manchmal sogar noch länger, wenn man die darunterliegende Technologie einbezieht. Man muss also weiter in die Zukunft schauen. Und es ist sehr schwer, die Richtung zu ändern. Wenn man ständig seinen Fokus verändert, funktioniert das nicht. Das unterscheidet das Hardware-Geschäft von der Software-Organisation.

Also veröffentlichen und hinterher verbessern, geht nur bedingt.

So ist es. Aber Google hat uns sehr geholfen mit unserer Hardware. Alles, was wir derzeit machen, setzt eine enge Zusammenarbeit voraus. Und es ist in der Tat ein Kulturwandel, den man dafür benötigt. Aber Google liebt es zu lernen. Man sieht das gut an dem sprachgesteuerten Lautsprecher Google Home. Daran haben viele Bereiche aus dem Konzern gemeinsam intensiv mitgearbeitet, darunter künstliche Intelligenz, Software und Hardware. Das war eine echte Herausforderung. Das Ergebnis zeigt, dass sich diese Anstrengung lohnt. Das gilt auch für unsere Pixel-Smartphones.

Früher hat Google seine Referenzgeräte von anderen Herstellern wie Huawei oder LG bauen lassen. Sind diese Zeiten nun endgültig vorbei?

Es gibt bei Google andere Bereiche, die eng mit anderen Herstellern zusammenarbeiten. Das gilt vor allem für unser Android-Team. Und diese Hersteller bauen ihre eigenen Geräte. Mir geht es darum, die beste Google-Erfahrung zu entwickeln. Es ist inzwischen besonders wichtig, dass Hardware, Software und künstliche Intelligenz perfekt zusammenspielen. Das Unternehmen, das die beste Google-Erfahrung erschaffen kann, ist eben Google.

Muss man dafür HTC kaufen?

Wir haben mit HTC sehr lange und sehr eng zusammengearbeitet. Auch bei den ersten beiden Pixel-Geräten. Wir haben dann entschieden, dass wir noch besseren Zugang zu den Ingenieuren und Entwicklern haben wollen. Sie sollten mit ihrer Innovationskraft Teil unseres Unternehmens werden. Wir sind froh, dass uns das gelungen ist.

In der Vergangenheit haben Sie das Android-Betriebssystem gemacht, andere Hersteller bauten die Smartphones dafür. Jetzt stellt Google mit den Pixel-Geräten eigene Smartphones her. Ärgert das nicht Partner wie Samsung oder Huawei?

Diese Frage müssen Sie vielleicht besser diesen Unternehmen stellen. Aber schauen Sie, im vergangenen Jahr wurden mehr als eine Milliarde Android-Smartphones verkauft. Mit Android machen viele Unternehmen gute Geschäfte. Wir hatten mit unseren eigenen Pixel-Geräten nur einen sehr kleinen Anteil daran. Es ist auch gar nicht unser Ziel, hier einen großen Marktanteil zu erreichen. Wenn wir ein großes und erfolgreiches Geschäft aufbauen, ist immer noch sehr viel Platz für unsere Partner.

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Größe und Profitabilität gehören in diesem Geschäft zusammen. Sollte nicht beides Ihr Ziel sein?

Unser vorrangiges Ziel ist es, das beste Nutzererlebnis zu bieten. Wenn wir das schaffen, wird es mit der Zeit auch ein gutes Geschäft.

Haben Sie eine Zeitvorgabe, bis wann das Smartphone-Geschäft profitabel sein muss?

Die gibt es nicht. Das hängt ja auch von Entscheidungen ab, wo wir investieren wollen. Google ist dafür bekannt, auch langfristige Investitionsentscheidungen zu treffen. Und bevor Sie fragen: Wir haben auch kein Ziel, was unseren künftigen Marktanteil angeht. Wir gehen aber davon aus, dass er wachsen wird, und dass er einmal signifikant sein wird.

Die drei größten Smartphone-Hersteller Samsung, Apple und Huawei bauen ihre eigenen Prozessoren. Google macht das nicht. Ist das ein Nachteil?

Unternehmen wie Qualcomm sind hier seit vielen Jahren sehr erfolgreich unterwegs. Unsere Strategie ist es, mit ihnen zu kooperieren.

Ist das auch in fünf Jahren noch so?

Ich weiß es nicht. Wir planen zwar langfristig, aber nicht so langfristig.

Sehen Sie das Pixel-Smartphone als Referenz-Design, wie es die Geräte in der Vergangenheit waren? Um Ihren Partnern zu zeigen, was möglich ist?

Das ist nicht die vorrangige Aufgabe. Aber es ist ein Nebeneffekt. Wir haben manchmal einen anderen Ansatz als andere Hersteller. Wenn wir beispielsweise Fortschritte in künstlicher Intelligenz machen, wollen wir das auch schnell in unsere Geräte bringen.

In China, dem größten Smartphone-Markt der Welt, gibt es die Pixel-Smartphones nicht zu kaufen.

Google ist in China vertreten. Wir haben Mitarbeiter in China und betreiben auch Forschung dort. Es gibt aber keine Pläne für den Verkauf des Pixel in China, die ich Ihnen ankündigen könnte.

Warum nicht?

Wir sind nach wie vor neu im Smartphone-Markt und fokussieren uns auf andere Märkte.

Bislang hatte Google nicht unbedingt eine glückliche Hand mit einer eigenen Smartphone-Produktion. Sie haben Motorola gekauft und dann das Geschäft wieder an Lenovo abgestoßen. Warum sollte Ihre jüngste Übernahme HTC nicht genauso scheitern?

Mit HTC haben wir eng zusammengearbeitet. Wir wussten genau, was wir bekommen. Heute haben wir eine klare Vorstellung davon, wohin wir mit unserem Hardware-Geschäft wollen. Bei Motorola ging es zu einem großen Teil um Patente, von denen Motorola viele besaß. Es war eine Zeit, in der sich die Smartphone-Hersteller gegenseitig wegen Patentverletzungen verklagten.

Sie sind dabei, den Smart-Home-Hersteller Nest in das Google-Geschäft zu integrieren. Bislang war Nest weitgehend eigenständig und Teil Ihrer Muttergesellschaft Alphabet. Ist das Googles neue Strategie: Zukäufe gleich zu integrieren?

Es kommt auf den Einzelfall an. Vor vier Jahren wusste Google noch nicht einmal, dass es ein Hardware-Geschäft aufbauen wollte. Es war auch nicht klar, wie sich Nest entwickeln würde. Inzwischen gibt es so viele Überschneidungen, in vielen Bereichen war zuletzt die Zusammenarbeit schon sehr eng. Die Integration ist keine Entscheidung, die über Nacht getroffen wurde. Sie entwickelte sich über die Zeit.

Werden wir künftig grundlegend andere Geräte sehen?

Sie werden in jedem Fall mehr Intelligenz in den Geräten sehen. Google versteht besser als andere Unternehmen, in welchem Kontext sich der Nutzer befindet. Mit dieser Hilfe können wir die beste Nutzererfahrung bauen. Das gilt umso mehr, weil die meisten Geräte von unserem Google Assistant unterstützt werden.

Versprechen Sie sich mehr von Virtual Reality oder von Augmented Reality (VR/AR, Anm. d. Red.)?

Das sind sehr unterschiedliche Dinge. Ich verspreche mir viel von beidem. VR ist eine magische Entertainment-Erfahrung, in die man vollständig eintaucht. AR ist anders, man ist in einem bestimmten Kontext und will mehr Informationen bekommen. Das ist sehr nützlich.

Von Google gibt es mit Daydream View bisher nur eine VR-Brille.

Aber wir haben eine AR-Plattform, in die wir viel Arbeit investiert haben. Unsere Nutzer können also schon Augmented Reality auf ihren Android-Smartphones erleben. Das ist eine hervorragende Möglichkeit, diese Technologie zu erleben. Mit Google Lens haben wir diese Funktion in unsere Smartphones eingebaut. Wenn man die Kamera auf ein Objekt hält, bekommt man zusätzliche Informationen aus dem Internet angezeigt. Ich nutze das selber sehr intensiv. Vielleicht gibt es irgendwann einen Markt für etwas, das man im Gesicht trägt. Aber derzeit können Nutzer AR viel besser auf dem Smartphone erleben.

Dieses Interview erschien zuerst bei Welt.de.

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