Google Kartellrecht

Ein Beitrag von Dr. Andreas Lober, Rechtsanwalt bei der Schulte-Riesenkampff Rechtsanwaltsgesellschaft in Frankfurt am Main, und Thomas Stollberger, Mitgründer der E-Commerce-Beratung e5 media GmbH.

Der Vorwurf: Google manipuliert

Alle auf den Großen: Mit Google-Bashing kann man derzeit Schlagzeilen machen. Justizminister Maas forderte, Google solle seinen Suchalgorithmus offen legen. Es geht um die unterstellte Diskriminierung von Wettbewerbern.

Sigmar Gabriel bringt sogar eine Zerschlagung ins Spiel. Diese soll aber nur eine Ultima Ratio sein. Der Wirtschaftsminister in der FAZ wörtlich: „Wirtschaftsministerium und Bundeskartellamt prüfen, ob ein Unternehmen wie Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, um durch die Beherrschung einer ,essential facility‘, einer wesentlichen Infrastruktur, Wettbewerber systematisch zu verdrängen. Eine Entflechtung, wie sie bei Strom- und Gasnetzen durchgesetzt wurde, muss dabei ernsthaft erwogen werden. Sie kann aber nur ultima ratio sein. Wir fassen deshalb zuerst eine kartellrechtsähnliche Regulierung von Internetplattformen ins Auge. Dreh- und Angelpunkt dabei ist das Gebot der Nichtdiskriminierung von alternativen Anbietern, die Platzhirsche innovativ herausfordern.“

Was ist dran an den Vorwürfen, was ist der Hintergrund der Debatte? Die Macht von Google ist unbestritten. Sie weckt bei Menschen teils diffuse, bei Unternehmen teils sehr konkrete Ängste. Es geht um handfeste wirtschaftliche Interessen, denn die Abhängigkeit von Google ist für Unternehmen oft enorm, teilweise sogar existenziell. Entsprechend werden schwere Geschütze aufgefahren.

„Es steht ja heute außer Frage, dass Google seine Dienste in den Suchergebnissen begünstigt“, behauptet beispielsweise Rechtsanwalt Dr. Thomas Höppner, der einige Presseverbände in einem Kartellverfahren gegen Google vor der Europäischen Kommission vertritt.

Das kartellrechtliche Instrumentarium

Wenn es denn so einfach wäre, würde sich das Kartellverfahren wohl nicht so lange hinziehen.

Denn den Kartellbehörden steht ein breites Instrumentarium zur Verfügung, um Kartellverstöße abzustellen. So kann die Kommission dafür „alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen“ vorschreiben. Dass von einem Unternehmen wie Google die Offenlegung eines Suchalgorithmus verlangt werden kann, ist also prinzipiell eine durchaus denkbare Maßnahme – das Abstellen einer Diskriminierung sowieso.

Für die Anordnung einer Maßnahme durch die Kommission muss aber eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht vorliegen. Wenn Google – wie in der Diskussion häufig unterstellt – bei der Suche eigene Dienste gegenüber fremden bevorzugen würde, könnte darin der Missbrauch einer beherrschenden Stellung liegen.

Die Kartellbehörden sind jedoch zurückhaltend in der Annahme einer beherrschenden Stellung – auch wenn Untersuchungen in der Regel den Anteil von Google am Suchvolumen in Deutschland bei rund 90 Prozent sehen, eine Marktbeherrschung aber schon ab einem Marktanteil von 40 Prozent vermutet wird. Schwierigkeiten bereitet schon die Marktabgrenzung für die Suche. Im Bereich der Werbung – für die Forderung nach einer Offenlegung des Suchalgorithmus von untergeordneter Bedeutung – verweist beispielsweise die Monopolkommission in ihrem jüngsten Hauptgutachten auf bestehende anderweitige Alternativen.

Unerwähnt bleibt: im Bereich des Performance Marketing führt an Google kaum ein Weg vorbei, wenn eine große Reichweite nötig ist. Zudem wird die Marktmacht von Google durch Zugriff auf Nutzerdaten gefestigt. Die Öffentlichkeit würde bei Google eine Marktbeherrschung wohl bejahen, obwohl gerade im IT-Bereich schon so manches marktstarke Unternehmen seine Stellung durch Innovationen Dritter verlor.

Eine marktbeherrschende Stellung einmal unterstellt: Derartige Marktmacht ist nicht verboten, nur ihr Missbrauch. Das wäre bei manipulierten Suchergebnissen (sogenannten „search bias“) der Fall. Allerdings konnte Google nie eine heimliche Manipulation nachgewiesen werden. Eine solche wird es wohl auch nicht geben – allenfalls subtile (Qualitäts-)Kriterien, über deren Rechtfertigung diskutiert werden müsste.

Ein (hier vereinfacht dargestelltes) Beispiel: Webseiten, bei denen Werbung eine große Fläche einnimmt, werden von Google tendenziell an schlechterer Position angezeigt als vergleichbare mit weniger Werbung (allerdings schneidet sich Google hier vermutlich auch ins eigene Fleisch, denn gerade mit Werbung überladene Webseiten nutzen häufig das Google-eigene Werbenetzwerk AdSense zur Monetarisierung). Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Manipulation der Suchergebnisse dürfte also nicht vorliegen.

Entsprechend erteilte Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamts, den politischen Gedankenspielen eine Absage. Das geltende Recht erlaube keine Zerschlagung. Auch die zwangsweise Offenlegung des Google-Suchalgorithmus‘ kann er sich „nur sehr schwer vorstellen. Das ist die DNA des Unternehmens, die fast jeden Tag geändert wird, um vor externen Manipulationen geschützt zu sein.“

Die echte wettbewerbliche Crux der Angebote von Google dürfte ohnehin anderswo liegen. Das Kernangebot selbst entwickelt sich zunehmend weg von einer Suchmaschine, die nur Links auswirft. Es versorgt Nutzer oft direkt mit der passenden Antwort auf die Suchanfrage. Beispielsweise bei der Suche nach Flügen, Wetter oder Aktienkursen liefert Googe die relevantesten Informationen häufig direkt. Das ist bequem für die Nutzer und bitter für alle Unternehmen, die derartige Information außerhalb von Google anbieten.

In Wahrheit dürften sich die Äußerungen von Rechtsanwalt Höppner gerade auf diese Dienste beziehen. Dies ist freilich verschleiert formuliert: „Google müsste seine Wertungen nur auf alle Webseiten anwenden und dürfte nicht weiterhin mit zweierlei Maß messen, indem es an seine eigenen Dienste weniger strenge Anforderungen stellt, um ganz oben in den Ergebnissen zu erscheinen.” Damit wird zwar nicht gesagt, aber immerhin suggeriert, Google manipuliere den Suchalgorithmus und somit die organischen Suchergebnisse. Damit lässt sich in der Öffentlichkeit punkten.

Dabei handelt es sich freilich nicht um eine Manipulation der Suche, zumindest nicht im engeren Sinn, denn es werden hier ja gar keine Links zu anderen Angeboten ausgeworfen, sondern direkt Ergebnisse geliefert. Dass einige Beschwerdeführer Google gerade diesen sehr bequemen Service verbieten wollen, käme in weiten Teilen der Öffentlichkeit sicherlich gar nicht gut an. Gleichwohl können durch diesen Ausbau des Angebots andere Anbieter schwer betroffen werden. Aus (kartell-) rechtlicher Sicht ist diese Frage auch deutlich schwerer zu beantworten, als wenn eine klare Diskriminierung durch den Suchalgorithmus vorläge.

Es handelt sich hier je nach Lesart entweder um den Ausbau des bestehenden Angebotes oder um die Verbindung eines bestehenden Angebotes (Suche) mit weiteren Angeboten (zum Beispiel Wetterbericht). Das Beispiel Microsoft – wo die Kartellbehörden der Integration von Internet Explorer in Windows Grenzen gesetzt haben – zeigt, dass zumindest letzteres kartellrechtlich nicht unbedenklich ist.

Bild: © panthermedia.net / Allan Swart