94 Prozent aller deutschen Suchanfragen werden von Google abgewickelt

Mit seinem Votum für eine Aufspaltung Googles demonstriert das Europaparlament Problembewusstsein. Die Wettbewerbsbehörden der Europäischen Union sollen nach ihrem Willen Googles Marktmacht im Netz unter die Lupe nehmen und bei Bedarf zügig einschreiten, um den Wettbewerb zu wahren. Doch die Behörden können und sollen den Nutzern in Europa nicht vorschreiben, welche Angebote sie im Netz ansurfen – deswegen ist eine direkte Regulierung des US-Konzerns schwierig. Durch ihr Surfverhalten gewähren die Internetnutzer dem US-Onlineriesen eine extreme Marktmacht.

Über 94 Prozent aller Suchen im Netz wickelt Google hierzulande ab – weit mehr als im Heimatmarkt USA. Dadurch, dass die Deutschen via Google-Suche auch diverse weitere Online-Angebote des Konzerns wie etwa Google Maps intensiv nutzen, kommen alternative Anbieter nur schwer zum Zug. Google fördert das, indem der Konzern seine Angebote geschickt verknüpft: Wer mit Google nach „Karten“ sucht, dem zeigt die Suchmaschine als ersten Suchtreffer Googles hauseigenes Angebot Google Maps an. Noch einfacher macht Google den Klick auf eine digitale Straßenkarte direkt neben den Suchergebnissen, die ebenfalls von Google stammt.

Die Daten, die der Konzern aus früheren Suchen kennt, nutzt er über Plattformgrenzen hinweg: In der Karte werden etwa bevorzugt die Hotels angezeigt, nach denen die Nutzer in der Suchmaschine schon einmal gesucht haben. Und Daten aus Mails werden automatisch in digitale Kalender importiert. Wer der Datensammelwut des Konzerns entkommen will, der muss konsequent ausweichen. Noch gibt es Alternativen zu Googles Diensten. Wer sie nutzt, trägt dazu bei, die Vielfalt des Netzes gegen Googles allumfassenden Anspruch zu verteidigen.

Alternative Angebote zu Google

Als echte Google-Alternative bei der Internetsuche hat sich Microsofts Bing.com etabliert, Microsoft hat in den vergangenen Jahren erheblich in die Weiterentwicklung seiner Suchmaschine investiert. Das Layout ist vertraut und orientiert sich am Konkurrenten, die Suchtreffer sind gleichwertig. Aus Europa kommt die Suchmaschine Qwant.com, an der auch der Axel Springer Verlag beteiligt ist: Das französische Unternehmen präsentiert Suchergebnisse vorsortiert in Spalten, durchsucht auch soziale Medien und zeigt Wikipedia- und Shopping-Ergebnisse separat an.

Wer seine E-Mails Google überlässt, liefert dem Konzern einen direkten Einblick in Alltag und Privatsphäre. Google wertet diese Daten aus, etwa um den digitalen Assistenten Google Now intelligenter zu machen – aber auch, um individualisierte Werbung anzuzeigen. Wer das vermeiden will, sollte einen Blick auf die deutschen Anbieter GMX oder T-Online werfen: Sie garantieren, dass keine Maildaten außerhalb Deutschlands abgelegt werden. Wem das egal ist, dem liefert Yahoos Mail-Angebot ein sattes Terabyte Umsonst-Speicher – hundertmal mehr, als Google anbietet.

Wer Google Maps den Rücken kehren will, der sollte sich das kostenlose Angebot der Nokia-Tochter Navteq anschauen: Hier finden Nutzer eine ausgereifte Routenplanung auch für Mobilgeräte. Kostenlose und insbesondere fürs Wandern und Radfahren sehr detaillierte Karten liefert zudem das Openstreetmap-Projekt. Im Markt der Cloudspeicher- und Office-Angebote im Netz sieht sich Google einer harten Konkurrenz der anderen US-Netzriesen ausgesetzt: Microsoft bietet das Onedrive mit 15 Gigabyte Platz und hält Googles Umsonst-Office Docs das eigene Office Online entgegen. Amazon bietet in seinem Cloud Drive fünf Gigabyte Speicher, Dropbox zwei Gigabyte.

Alle vorgestellten Google-Konkurrenten sind auch mobil verfügbar – doch wer ein Mobiltelefon mit dem Google-Betriebssystem Android nutzt, hat es schwer, die vorinstallierten Google-Dienste zu verbannen. Smartphones sind die idealen Datensammler, nirgends sonst kann Google so ungestört zusammenhängende Daten über den Alltag seiner Nutzer sammeln. Mittlerweile hat Android einen Marktanteil von weltweit über 80 Prozent – wer dagegenhalten will, dem bleibt nur der Gerätewechsel: Alternative Hersteller sind Apple oder Microsoft mit seinen Lumia-Geräten.

Was Google über seine Nutzer weiß

Wer wissen möchte, wie viel Google bereits über jeden einzelnen Nutzer weiß, der sollte einen Blick in seine Konto-Einstellungen beim Internetriesen werfen: Unter diesem Link verrät Google, was genau über jeden einzelnen Nutzer abgespeichert wird. Der Konzern merkt sich jede Suchanfrage, jedes angeguckte YouTube-Video, jede Mail und – für Android-Besitzer besonders eindrücklich – ein Orts- und Bewegungsprofil. Sie müssen nur unter dem Menüpunkt den Unterpunkt „Von Ihnen besuchte Orte“ anklicken.

Wer angesichts dessen Google den endgültigen Exodus erklärt, der muss seine Daten nicht zurücklassen: Mit diesem Tool bietet der Konzern die Möglichkeit, ein Backup aller abgelegten privaten Mails, Fotos, Dokumente und Kontaktdaten auf die lokale Festplatte herunterzuladen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Welt.

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