Google steuert unser Leben. Sagt das ZDF.

Über Google, das inzwischen Alphabet heißt, muss man diskutieren. Keine Frage. Der Internetgigant ist inzwischen in so vielen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen tätig, dass man leicht den Überblick verliert. Die Marktmacht ist beeindruckend, der Konzern ist nach Apple das wertvollste Unternehmen der Welt. Das ZDF hat im Rahmen seines Wirtschaftsmagazins Wiso eine kritische Reportage über Alphabet ausgestrahlt (siehe unten). Aber statt seinen Zuschauern in „Weltmacht Google“ neue Einblicke in die weit verzweigten Aktivitäten der Kalifornier zu bieten, gab es über weite Strecken nur das altbekannte Geraune vom „allmächtigen“ Datensammler und „brandgefährlichen“ Weltbeherrscher. Allerdings lieferten die Macher des Films unbewusst ein Bild der diffusen Ängste der Deutschen vor der Digitalisierung.

Der erste Teil des Films startete mit einem Experiment. Anhand ihrer Suchanfragen wurde das Persönlichkeitsprofil einer Google-Nutzerin erstellt. „Linksliberal, besser situiert, sozial engagiert, vegan, freizeitorientiert“, lautet das Ergebnis. Erschreckend? Beeindruckend? Für die getestete Nutzerin nicht. Sie fühle sich durch diese Erkenntnisse nicht in ihrer Privatsphäre gestört, sagte sie. Doch dafür legt der Sprecher aus dem Off nach: „Für Google sind wir ein offenes Buch.“ Es seien noch viel präzisere Persönlichkeitsprofile möglich. Schade, das hätten wir gerne gesehen. So bleibt es beim Geraune. Und bei der Feststellung, dass auf diese Weise zielgerichtete Werbung möglich sei, mit der Google seine Milliarden verdienen würde.

Dann folgt der nächste Zeuge der Anklage. Der Medienwissenschaftler und Autor Siva Vaidhyanathan sagt: „Google ist überall.“ Und: „Jeder, der Google benutzt, ist eine andere Person als vorher.“ Und das sei sehr gefährlich. Klingt interessant. Ja, geradezu aufregend. Eine Erklärung, warum das so sei, gibt es allerdings nicht. Aber immerhin kann sich jeder, der im Umgang mit Google diffuse Ängste spürt, irgendwie bestätigt fühlen.

Danach ist ein ehemaliger Google-Mitarbeiter dran. Er sei inzwischen nicht mehr bei der Firma – und es klingt ein wenig so, als ob er sich aus den Fängen einer kriminellen Sekte befreit hätte. „Nur noch Experten verstehen, wo die Bedrohung ist“, gibt er zu Protokoll. Aber wir haben ja diesen Film, der uns sicherlich erklären wird, wo sie denn nun genau liegen, die Gefahren. Google beeinflusse zum Beispiel die Restaurantsuche, sagt der Ex-Googler weiter. Lokale, die nicht auf Google auftauchen, würden auch nicht besucht. Ähnlich sei das in Sachen politischer Einlassungen. Wer nicht gefunden wird, wird auch nicht gehört. Dem Nutzer selber traut der junge Mann offenbar nicht allzu viel Eigenverantwortung zu.

Dazwischen wird immer wieder betont, wie „riesig“ alles bei Google ist. „Riesige Datenspeicher!“ „Riesig“ ist offenbar ein Synonym für böse. Die Kleinen sind die Guten. Auch, dass Google Milliarden Dollar verdient, wird als Argument gegen den Konzern verwendet. Wer Erfolg hat, gilt in Deutschland immer noch als verdächtig. Eine Expertin hält es außerdem für „brandgefährlich“, dass Google immer alles besser machen will als die Konkurrenz und stellt das Unternehmensmotto „Don’t be evil“ in Frage. Besser sein bedeutet also in Wirklichkeit böse sein, lernen wir.

„Alles ist riesig!“

Im nächsten Abschnitt wird gezeigt, wie Google jungen Unternehmern Nachhilfe in digitaler Wirtschaft gibt. Auf englisch. Das ist natürlich höchstverdächtigt. „Wir sind hier in München und nicht in den USA“, merkt die Off-Stimme an. Ein kleiner Schuss Antiamerikanismus kommt hierzulande immer gut an. Ja, es ist schon peinlich, dass in Deutschland ein US-Konzern kommen muss, um Studenten, die ein Startup gründen wollen, mit Know how unter die Arme zu greifen. Peinlich für unser Ausbildungssystem und unsere Wirtschaft.

Dann darf Professor Julian Nida-Rümelin noch pauschal den amerikanischen Fortschrittsglauben und Optimismus belächeln. Weitgehend argumentationsfrei. Und am Ende wollten die selbsternannten Weltverbesserer doch immer nur Geschäfte machen, sagt er. Warum das verwerflich ist, erklärt uns der Professor leider nicht und beleidigt lieber pauschal und überheblich die Arbeit und das Selbstverständnis von Tausenden weltweit führenden Wissenschaftlern, die inzwischen für Google arbeiten.

Am Schluss geht es um die Medien. Google hat einen 150-Millionen-Euro-Fond eingerichtet, um Journalisten mit den digitalen Werkzeugen vertraut zu machen. Höchst verdächtig. Der bekannte Journalist Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung ist ein kritischer Geist und erklärt uns, dass es sich hier nur um eine Falle handelt. Das sei keine Verneigung vor den klassischen Medien und dem Journalismus. Sondern diese Investition würde am Ende nur Google nützen. Sein eigenes Verlagshaus ist natürlich dabei. Doch darin kann Prantl keinen Widerspruch erkennen.

Ein schönes Resümee vom Mitglied der Chefredaktion der SZ. Google soll sich verneigen – vor Herrn Prantl, vor uns und davor, wie wir bis jetzt gelebt, gewirtschaftet und gedacht haben. Stattdessen verändert das Unternehmen gerade die Welt. Das ist natürlich ein Grund, sich zu fürchten. Und wir in Deutschland schauen Filme, die unsere diffusen Vorbehalte bestätigen, statt wirklich aufzuklären.

Foto: ZDF/Wiso/Screenshot

Hier noch ein Buchtipp: Thomas Schulz, Was Google wirklich will, DVA, 335 Seiten, 19,90 Euro. Glänzend geschrieben und informativ.