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Die Growth-Debt-Finanzierung

Eine für deutsche Verhältnisse recht neue Finanzierungsalternative sind Growth-Debt-Finanzierungen (auch Venture Debt genannt), über die dieser Tage vermehrt gesprochen wird und deren Eignung ich für Startups einmal näher thematisieren möchte. Inhaltlich gilt mein Dank dabei vor allem auch Frederik Fleck, der dazu seine Erfahrungen aus dem Silicon Valley mit mir geteilt hat.

Bei Growth-Debt-Finanzierungen handelt es sich (je nach Ausgestaltung) um Kredite, die an eine Mindestverzinsung gekoppelt sind und im Falle eines Startup-Erfolgs in Anteile umgewandelt werden können. Eigentlich sind Venture Debts also Darlehen, die dem Kreditgeber durch eine hohe Verzinsung und unterschiedliche Exit-Partizipations-Klauseln VC-ähnliche Erlöse bescheren. Üblicherweise umfassen solche Debt-Finanzierungen ein Volumen von zwei bis fünf Millionen Euro bei einer Laufzeit zwischen 18 und 36 Monaten.

Damit richten sich Growth-Debt-Finanzierungen vor allem an reifere Startups, die bereits drei bis vier Jahre am Markt sind und schon solide Umsätze sowie entsprechende Sicherheiten aufweisen können.

Mir waren Growth-Debt-Finanzierungen bisher vor allem zum „Bridgen“ bekannt, also zur Überbrückung zwischen zwei Finanzierungen. Gerade wenn eine Folgefinanzierung auf sich warten lässt, kann es so möglich werden, zu guten Konditionen zwischen zu finanzieren (siehe dazu auch „Venture Deals“). Der Vorteil dieser Finanzierungsart liegt – je nach Strukturierung des Deals – offensichtlich darin, dass nicht unmittelbar Anteile ausgegeben werden müssen und dass unter bestimmten Bedingungen ein positiver Effekt auf die Eigenkapitalrendite entsteht (siehe dazu ausführlich einen anschaulichen Kommentar von Sebastian Diemer).

Growth Debt zur Zwischenfinanzierung als Convertible Note

Im Silicon Valley werden Growth-Debt-Finanzierungen bereits ergänzend von so genannten Growth Debt oder Venture Debt Providern gewährt. Anwendbar ist dort eine so genannte Convertible-Note-Finanzierung in der Seed-Phase. Dabei handelt es sich um ein Wandeldarlehen, das zunächst als Kredit besteht und dann zur Series A in Anteile gewandelt wird. Üblicherweise werden dabei eine moderate Verzinsung und ein Rabatt zur Series-A-Bewertung gewährt und gleichzeitig eine Obergrenze (ein Cap) eingebaut, mit dem sicher gestellt wird, dass die Bewertung nicht explodiert (siehe dazu auch einen entsprechenden Artikel bei TechCrunch).

Dass eine Series A aber vollständig durch Growth beziehungsweise Venture Debts getragen wird, ist aber auch im Valley eher ungewöhnlich, investieren Venture Debt Provider doch am liebsten mit klassischen Venture Capitalists, um so auch ein Stück weit ihr Risiko zu minimieren. Auch eine Convertible Note ist damit also im Prinzip etwas Ähnliches wie ein Bridging-Vorgang, nur dass im Valley mittlerweile häufig die Eigenkapitalfinanzierung in der Seed-Runde übersprungen wird. Startups starten dort also direkt mit der Convertible Note (als Seed-Runde) und gehen dann direkt zur Series A als erste Eigenkapitalfinanzierung über. Bitte wenden – hier geht’s zu Seite 2

Bild: 10227 (Michaela Pucher) / PantherMedia

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Wann ist eine Growth-Debt-Finanzierung sinnvoll?

Wir fassen noch einmal kurz zusammen: Venture-Debt-Finanzierungen sind Kredite, die auch bei höherem Risiko gewährt werden, dafür aber verhältnismäßig teure Zinsen aufwerfen und im Erfolgsfall zu Anteilen gewandelt werden können. Am Ende hilft der Unternehmer also dem Kreditgeber ein Stück weit, sein Risiko zu minimieren, indem die Auflagen solcher Venture Debts etwas höher sind. Venture Debts eigenen sich deshalb für reifere Unternehmen zur Überbrückung von Finanzierungslücken und sollten sowohl mit der übergreifenden Finanzierungsstrategie orchestriert als auch an der eigenen Geschäftsentwicklung orientiert werden.

Neben der Tatsache, dass nicht unmittelbar Anteile den Besitzer wechseln, bieten Debt-Finanzierungen vor allem den Vorteil, dass sie sich (abhängig von ihrer Ausgestaltung) sehr schnell und kosteneffizient realisieren lassen und dabei im Gegensatz zu aufwändigen VC-Verträgen auch eine gewisse Einfachheit mitbringen. Wie gesagt: abhängig von ihrer Ausgestaltung.

Der Umstand, dass die Anteile vorerst bei der Gesellschaft bleiben, ist neben den wirtschaftlichen Aspekten vor allem attraktiv, weil damit an eine Debt-Finanzierung nicht unmittelbar auch ein Kontrollverlust geknüpft ist, immerhin erfordern die für Risikokapital-Investoren sonst vorgesehenen Preferred Shares ja in der Regel die Abgabe umfangreicher Rechte.

Venture Debts geben einem Gründer also vor allem eines: Flexibilität. Ein Attribut, das insbesondere bei der Zusammenstellung einer längerfristigen Finanzierungslösung sehr essenziell werden kann (siehe dazu detailliert die Ausführungen von Scott Walker).

Wenn es für ein Startup gut läuft, kann Growth Debt also eine gute Alternative sein, wenn es sehr schlecht läuft, macht es wohl ohnehin keinen Unterschied. Spannend ist eher, wie attraktiv Growth-Debt-Finanzierungen sind, wenn es mittelmäßig läuft. Im schlimmsten Fall ist ein Debt-finanziertes Startup dann nicht in der Lage, eine Series-A-Finanzierung aufzutreiben, könnte durch sein Kreditvolumen aber womöglich auf kleiner Flamme überleben.

In jedem Fall hätte es aber seine Zinsen sowie das grundlegende Darlehen abzuzahlen und würde je nach Cashflow-Lage wohl langsam an den Schulden zugrunde gehen. Die Kehrseite der Debt-Medaille liegt also in seiner Schuldenlast, wie bei Krediten eben üblich.

Es kommen ja ohnehin nur gewisse Modelle für eine Debt-Finanzierung in Frage, etwa E-Commerce-Ansätze, da diese durch ihr Geschäft gewisse Sicherheiten (Kundenstamm, Logistik-Lösungen und so weiter) bieten und sehr planbar skaliert werden können. Die Frage ist also, ab wann es „gut“ läuft, sodass eine Growth-Debt-Finanzierung nachhaltig attraktiv ist. Und dazu erscheint mir die Argumentation von Sebastian Diemer einleuchtend, der die Kreditkosten in Abhängigkeit vom bilanziellen Gewinn, dem Umlaufvermögen sowie der unterschiedlichen Rentabilitätsfaktoren sieht.

Mit anderen Worten rechnet sich eine Growth-Debt-Finanzierung dann, wenn ein Startup über ausreichend Umsatz und Skalierungspotenzial verfügt, die unter dem Strich in einem positiven Ergebnis münden und das Geschäft auch weiterhin planbar wachsen lassen. Wenn noch hohe Unsicherheitsfaktoren bestehen und kein bilanzieller Gewinn verzeichnet wird, empfehlen sich Growth-Debt-Finanzierungen eher nicht – die Vorgänge im Valley können da wohl auch nicht immer als Maßstab genommen werden, trägt das dortige Ökosystem innovative Startups, die aber noch Verluste einfahren, doch ganz anders.

Growth-Debt-Finanzierungen sind in dieser Denke also vielmehr eine instrumentelle Ergänzung zu bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten, weniger eine eigenständige und allein einzusetzende Gattung.

Bild: 10227 (Michaela Pucher) / PantherMedia