Investoren aus aller Welt beschäftigten sich beim Roundtable mit dem Gender Gap in der Startup-Szene
Investoren aus aller Welt beschäftigten sich beim Roundtable mit dem Gender Gap in der Gründerszene

Die Startup-Szene scheint ein Gender-Problem zu haben: VCs sollen seltener in Gründerinnen investieren als in Gründer. Crunchbase hat in einer aktuellen Studie versucht, die Geschlechterungleichheit bei Investments zu beziffern. Der Untersuchung zufolge sitzt bei weltweit 13 Prozent der Startups, die in den letzten fünf Jahren ein Investment erhalten haben, eine Frau im Gründerteam. Ein Zehntel des gesamten Kapitalvolumens soll in diese Unternehmen geflossen sein.

Die Geschlechterungleichheit in der Investmentbranche beschäftigt nicht nur Gründerinnen und Gründer: Bei einem Roundtable in der Berliner Factory diskutierten zuletzt Business Angels und Venture Capitalists aus der ganzen Welt darüber. Ein Begriff fiel auffallend oft in der Diskussion der Investoren: Strukturen. Diese aufzubrechen scheint essenziell zu sein, damit Gründerinnen künftig öfter und mehr Kapital bekommen.

Investoren: Schubladendenken ablegen

Im Gespräch mit den Teilnehmern des Roundtables wurde deutlich: Eine wichtige Rolle bei der Vergabe von Kapital spielt das Mindset der Investoren. „Die haben ein konkretes Bild von erfolgreichen Gründertypen im Kopf“, sagt Young-Jin Choi, Investmentberater bei Phineo. Als vielversprechend gelten Gründer, die selbstsicher und motiviert pitchen; unrealistisch hohe Ziele oder Umsatzprognosen werden nicht als schlechte Einschätzungen gewertet, sondern als Zeichen von Zielstrebigkeit und Selbstvertrauen.

So, da sind sich die Investoren einig, pitchen in den allermeisten Fällen aber nur Männer. „Konservativ“ werden hingegen Gründerinnen-Pitches am Roundtable genannt. Doch konservative Pitches kommen bei Kapitalgebern schlecht an – das Geld bleibt für Gründerinnen also oft aus. Dabei seien Startups mit weiblichem Gründungsteam zwar langsamer, dafür aber länger erfolgreich, sagt Business Angel Diane Tea. Kapitalgebern rät sie daher, Startups über den Pitch hinaus zu bewerten. „Investoren müssen ihr Schubladendenken ablegen“, sagt sie. Auch ein Zuhör-Training für Investoren könnte eine Maßnahme sein, glaubt Choi: Sie müssten lernen, dass Frauen zwar weniger imposante, aber nicht unbedingt weniger relevante Schlagwörter verwendeten.

Für Kapitalgeber gilt also: Dass Frauen in ihren Pitches weniger optimistische Prognosen abgeben als Männer und ihre Ideen sachlich vortragen, darf kein Ausschlusskriterium für ein Investment sein.

Gründerinnen: authentisch pitchen und trainieren

„Wichtig ist, seinen eigenen Pitch zu finden und nicht künstlich zu sein“, empfiehlt Choi Gründerinnen. Wenn es nicht ihrem Charakter entspricht, sollten Frauen also nicht versuchen, die bei Investoren beliebten männlich-provokanten Pitches nachzumachen. „Dass Frauen sich Männern anpassen, ist der komplett falsche Ansatz“, glaubt auch Tea. Authentizität sei das A und O, verstelle man sich, sehe es mit einer Finanzspritze meist schlecht aus. „Die Investoren müssen den Gründern zu 100 Prozent vertrauen können“, begründet Tea. Business Angel Raya Papp sagt, Gründerinnen könnten sogar von ihrer bedeckten Haltung profitieren: „Frauen können mit faktenbasierten Pitches punkten“, sagt sie. Das heißt: Von vornherein ankündigen, dass man realistische Prognosen abgeben wird und die vermeintliche Schwäche so zur Stärke machen.

Gründerinnen, die einen Pitch planen, rät Choi, Trainings zu absolvieren. „Man muss nicht alles alleine machen. Gute Advisor, die viel Erfahrung haben, können einem bei der Vorbereitung helfen“, sagt er. Als Probe könne man zum Beispiel vor laufender Kamera pitchen. Dem stimmt auch Tea zu, neben Pitch-Übungen rät sie zu generellen Kommunikationstrainings, um zu lernen, wie man seine Ideen klar vermitteln kann.

Ein Tipp, den sie Gründerinnen mitgeben möchte: „Realisiert, dass Investoren auch Menschen sind, vor denen man keine Angst haben muss. Und wenn die einen nicht investieren, nicht die Hoffnung verlieren: Es gibt genug andere Investoren“, so Tea.

„Ganz große Räder“

Dass Kapitalgeber und Gründerinnen versuchen, gewohnte Verhaltensmuster abzulegen, sei zwar eine kurzfristige Lösung – doch Geschlechterungleichheit sei ein Problem, das an der Wurzel gepackt werden müsse, sagen die Investoren am Roundtable der Berliner Factory.

Rollenbilder würden schon im Kindesalter festgelegt. „Daran ist die Erziehung schuld“, sagt Papp. „Ich war in der Schweiz und in Japan, da wird heute von Müttern immer noch erwartet, dass sie zu Hause bleiben“, erzählt die US-Amerikanerin. Das bestätigt auch Choi: Prägung in der Kindheit sei der Grund, dass weniger Frauen MINT-Fächer studieren würden als Männer. Das müsse sich ändern, damit der Anteil von Tech-Gründern und -Gründerinnen ausgeglichen wird. „Es fängt schon in der Grundschule an, dass Lehrer unterschiedliche Erwartungen an Jungen und Mädchen haben und eher die Jungen in mathematischen Fächern fördern“, meint Choi. All das seien „ganz große Räder, an denen man drehen muss“.

Bild: Vodafone Institut