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Hamburg, deine Gründer

„Hamburg ist die Online-Marketing-Hauptstadt“, sagt Philipp Westermeyer. Er muss es wissen: Mit Adyard und Metrigo hat er zweimal bewiesen, dass er in dieser Branche gründen und den Exit schaffen kann; bei den Online Marketing Rockstars stellt er Harvard-Professor Ben Edelman, Katzen-Fan Ben Huh und Buzzfeed-Gründer Jonah Peretti auf die Bühne und lässt zwischendurch Fettes Brot und Das Bo als Pausenfüller auflaufen – ganz im Sinne einer Branchenhauptstadt.

Auch im Bereich Social Marketing tut sich gerade eine Menge: Der Facebook-Marketing-Dienstleister Facelift hat Anfang des Jahres 15 Millionen Dollar von einem Family Office aus dem arabischen Raum eingesammelt – eine der größten Erstfinanzierungen, die es in Hamburg je gab. Und bei einem klassischen Werber floss kürzlich ebenfalls eine Menge Geld über Hamburger Konten: Der Verkauf der offenbar mit rund 200 Millionen Dollar bewerteten Agentur Performance Media an eine Private-Equity-Gesellschaft dürfte für Gründer Christoph Schäfer vermutlich einer der lukrativsten Einzel-Exits gewesen sein, den Deutschland je gesehen hat.

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Dass man in Hamburg gut arbeiten und Geld verdienen kann, haben übrigens auch die großen Player längst auf dem Zettel: 2010 eröffnete Facebook sein Deutschland-Office in Hamburg, Google war zu dem Zeitpunkt schon da. Und Twitter, so geht zumindest das Gerücht, könnte bald folgen: Der neue Deutschland-Chef Thomas De Buhr lebt in der Hansestadt und soll schon erste Gespräche mit dem Hamburger Senat geführt haben.

Jimdo, Protonet: Erfolg in der Nische

Während es im Marketing von Natur aus etwas bunter und greller vorgeht, bearbeiten zwei andere Hamburger Start-Ups ihre Nische im Netz eher im Hintergrund – aber nicht weniger erfolgreich. Mit dem Homepage-Baukasten Jimdo sorgen die Gründer Matthias Henze, Fridtjof Detzner und Christian Springub seit sieben Jahren dafür, dass auch die Metzgerei um die Ecke oder ein technikfremdelnder Mittelständler sich im Netz präsentieren kann. Mittlerweile zählt das CMS zu den erfolgreichsten der Welt, 160 Jimdo-Mitarbeiter kümmern sich um mehr als zehn Millionen Kunden-Pages.

Protonet hatte entweder den richtigen Riecher oder schlicht Glück. Ihre Idee, kleinen und mittleren Unternehmen eine All-in-one-Serverlösung unter den eigenen Schreibtisch zu stellen, traf zumindest den Nerv der Zeit. Während die Snowden-Enthüllungen selbst versierte Nutzer immer verunsicherter zurücklassen, bietet die kleine orangefarbene Box von Protonet die volle Kontrolle über die Firmendaten. Eine eigentlich anachronistische Idee – Daten aus der Cloud zurück in einen stationären Firmenserver zu packen – hat mittlerweile fast 200 Unternehmen überzeugt und generiert zwei Jahre nach dem ersten Prototyp Umsätze von 100.000 Euro im Monat. Gerade hat Protonet sein zweites Produkt vorgestellt, ein kleinerer und billigerer Server für Privatanwender, in wenigen Tagen beginnt dafür das Crowdfunding. 1,5 Millionen Euro sollen eingesammelt werden.

Standortvorteil: Game-Industrie

2003 hat die Stadt Hamburg das Programm Gamecity:Hamburg ins Leben gerufen, um die Games-Branche mit Beratung, Netzwerken und Räumlichkeiten zu versorgen. Seitdem ist ein wahrer Mikrokosmos an Spieleschmieden und Zulieferern in der Stadt entstanden. Bigpoint ist dabei eines der spannendsten Unternehmen: Gründer Heiko Hubertz hat lange Zeit vorgelebt, wovon junge Gründer träumen. 2003 gestartet, folgte ein Aufstieg, wie ihn in Deutschland kaum ein zweites Unternehmen vorweisen kann: Expansionen nach Berlin, Brasilien, London und ins Silicon Valley, die Umsätze gingen durch die Decke. 2011 beschäftigte Bigpoint über 800 Mitarbeiter und hatte gerade Anteile im Wert von 350 Millionen US-Dollar an Investoren verkauft. Die Zäsur folgte im Jahr darauf: 120 Mitarbeiter mussten gehen, Hubertz schmiss als CEO hin und wechselte in den Aufsichtsrat. Seitdem ist es etwas ruhiger geworden um die Spieleschmiede, nach wie vor ist das Unternehmen aber eins der herausragenden Beispiele Hamburger Startups.

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Zum Hamburger Games-Kosmos gehören auch InnoGames und Goodgame. Beide entwickeln mit jeweils mehreren hundert Mitarbeitern Browsergames in Hamburg. Innogames-Gründer Michael Zillmer hat zudem gerade einen eigenen Inkubator ins Leben gerufen: InnoHub soll Neu- und Altgründern mit Büroflächen, Beratung und Kontakten aushelfen.

Und es gibt nicht nur das klassische Games-Geschäft: Zwar sitzt PokerStrategy formal auf Gibraltar, einen Teil des Tagesgeschäfts wickelt das Unternehmen aber über Hamburg ab. 2013 verkaufte Gründer Dominik Kofert seine Pokerschule nach nur sechs Jahren für 38,3 Millionen Euro.

Nicht ganz unumstritten: Kreditech, Mytaxi, Wundercar

Wundercar und Mytaxi zielen auf den klassischen Fahrgast-Transport. Insbesondere Mytaxi konnte sich in der Vergangenheit als Platzhirsch unter den Taxi-Apps etablieren, auch mit Hilfe potenter Investoren wie T-Venture, Car2Go oder der KfW. Zuletzt geriet das Unternehmen aber wegen einer neuen Preispolitik in die Kritik, bei der die Taxifahrer selbst bestimmen können, welche Provision sie abführen – und sich so selbst unterbieten müssen. Wundercar kommt mit einem ähnlichen Angebot, aber ohne Taxen: Wie beim US-Vorbild Lyft können hier Privatpersonen für eine Gebühr Kunden in ihrem eigenen Auto durch die Stadt fahren. Kurz nachdem Wundercar mit seinem Shareconemy-Dienst an den Start gegangen ist, hat auch Uber mitgeteilt, in Deutschland mit einem ähnlichen Dienst an den Start zu gehen.

Nicht nach Deutschland kommen wird vorerst der Service von Kreditech. Aus seinen Büros in der Hafencity vergibt das Startup Kleinstkredite zwischen 50 und 2500 Euro, bislang vor allem in Russland, Polen, Spanien und Südamerika. Die Kreditwürdigkeit ermittelt Kreditech dabei mit Hilfe der Facebook- oder Amazon-Accounts und anderer Daten der Bittsteller – Big-Data-Scoring aus bis zu 10.000 Einzelfaktoren entscheidet dann, ob der Kunde sein Geld bekommt, ganz ohne Schufa und Co.

Ein Modell, das nicht ohne Kritiker ist: Konkurrenten wie das britische Unternehmen Wonga sind als „Pay day loan sharks“ in Verruf geraten, die mit hohem Druck und horrenden Zinsen Studenten und Einkommensschwache ködern. Kreditech expandiert derweil ungeachtet moralischer Zweifel, die es am Geschäftsmodell geben mag, munter weiter. Im Januar haben die Gründer Sebastian Diemer und Alexander Graubner-Müller einen Wachstumskredit über 15 Millionen US-Dollar aufgenommen, nachdem zuvor schon die Samwer-Brüder in das Startup investiert hatten. Eine weitere Finanzierungsrunde soll bald folgen.

 

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Das sind Hamburgs Startup-Köpfe

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