An Silvester werden die deutschen Mobilfunknetze stärker belastet werden als jemals zuvor. Zwar sinkt die Anzahl der Kurznachrichten weiter, doch die Mobilfunkunternehmen erwarten mehr Anrufe als in den vergangenen Jahren und vor allem einen stärkeren Datenverkehr.

Denn immer mehr Nutzer verschicken kurz nach Mitternacht Neujahrsgrüße per WhatsApp oder posten ihre Partyfotos von der Silvesterfeier auf Facebook. Schon am Heiligabend 2014 waren es allein im Vodafone-Netz 500 Millionen Megabyte, dieses Jahr rechnet das Unternehmen mit deutlich mehr.

Um die dafür nötigen Kapazitäten bereitzustellen, werden die Netze schon seit einigen Jahren modernisiert und auf den schnellen Mobilfunkstandard LTE umgestellt – auch um die Datenmassen durch Musik- und Videostreaming störungsfrei auf Smartphones und Tablets zu bekommen. Das LTE-Netz von T-Mobile zum Beispiel deckt inzwischen fast 90 Prozent der Bevölkerung ab, sagt Dirk Wende von der Deutschen Telekom.

Damit die Netze unter der zu erwartenden Datenlast an den Festtagen nicht zusammenbrechen, „packen wir zu Silvester noch eine Schippe drauf“, so Wende. Vor allem dort, „wo wir zusätzlichen Bedarf erwarten, zum Beispiel zur Silvesterfeier am Brandenburger Tor“.

Mobile Sendeanlagen verstärken das Netz

Hier ist auch Vodafone besonders aktiv, das im vergangenen Jahr mehr als 27 Millionen Anrufe zu Silvester verzeichnete – 70 Prozent mehr als an einem normalen Wochentag. Der Anbieter hat schon im Vorfeld seine Netze unter anderem in der Nähe von Weihnachtsmärkten aufgestockt, damit die Besucher ihre Selfies vom Glühweintrinken verschicken konnten. „Dort, wo die meisten Besucher zu erwarten sind, erhöhen wir die Kapazität der Netze“, sagt Dirk Ellenbeck von Vodafone.

Die Mobilfunker haben in den vergangenen Jahren reichlich Erfahrung in diesem Bereich gesammelt: Schon zur Fußball-Weltmeisterschaft haben sie auf den Fanmeilen größerer Städte Zusatznetze ausgelegt. Dadurch waren die Verbindungen weitgehend stabil, es kam zu keinen nennenswerten Verzögerungen.

Techniker bringen teilweise mobile Sendeanlagen an stark besuchte Ort, an denen mit besonders großem Datenverkehr zu rechnen ist. Oder sie richten die Antennen der umliegenden Basisstationen gezielt auf diese Bereiche aus.

Verloren gegangene SMS sind billige Ausreden

Ein weiteres technisches Mittel ist die Veränderung der Konfiguration: „Sollte eine Zelle hohe Last signalisieren, werden beispielsweise weniger Gespräche in HD-Qualität umgesetzt. Die frei werdenden Kapazitäten lassen sich so für zusätzliche Verbindungen nutzen“, erklärt Dirk Wende.

So wollen die Betreiber sicherstellen, dass eine um 23.59 Uhr abgeschickte Neujahrsgruß-SMS auch um Mitternacht beim Empfänger ankommt. Früher mussten Kurznachrichten einige Minuten vor Mitternacht verschickt werden, damit sie nicht zu spät ankommen. Und wer die Grüße vergessen hatte, konnte sich damit herausreden, dass sie wohl im überlasteten Mobilfunknetz verloren gegangen seien. Das komme mit der aktuellen Technik so gut wie nicht mehr vor, sagt Dirk Ellenbeck.

Dass SMS prompt geliefert werden, Fotos nahezu in Echtzeit auf Facebook erscheinen und WhatsApp-Mitteilungen in Sekundenschnelle ankommen, hat noch einen weiteren Grund: Die Netze sind intelligent geworden. Früher musste der Nutzer manuell von einem überlasteten UMTS-Netz auf GSM umstellen, um durchzukommen.

Jetzt erledigen das die Netze für die Kunden, erklärt Ellenbeck. Sollte das LTE-Netz einmal überlastet sein, wählt die Basisstation automatisch eine andere Übertragungsart. Dadurch kommen die Daten zuverlässig durch und beim Empfänger an – zumindest wenn deren Funkzelle ausreichend viel Kapazität zur Verfügung stellt.

An Neujahr lassen Kunden ihre Handys sperren

Notwendig werden die technischen Tricks der Betreiber vor allem an Silvester. An Weihnachten werden zwar mehr Gespräche geführt als an anderen Feiertagen, jedoch insgesamt weniger als an Werktagen, weil Gespräche aus beruflichen Gründen vielfach entfallen. Im vergangenen Jahr waren es bei Vodafone am 24.12. immerhin fast 60 Millionen Anrufe. Zusätzlich wurden etwa 18 Millionen SMS verschickt, dieses Jahr dürften es etwas weniger sein.

Etwas weniger zu tun als sonst haben dagegen Hotlines und Servicestellen der Mobilfunkbetreiber, die über die Festtage in der Regel aber trotzdem erreichbar sind. Am Nachmittag des 24. Dezember ist es nach Angaben von Vodafone besonders ruhig, schließlich sind die meisten Kunden dann mit der Bescherung beschäftigt. Am ersten und zweiten Festtag gehen konstant viele Anrufe vom Vormittag bis in den Abend ein – vermutlich, um das neue Smartphone für Oma und Opa einzurichten.

Zusätzliches Servicepersonal muss Vodafone dafür allerdings nicht einstellen. Viele Mitarbeiter würden sich auch freiwillig melden, erklärt das Unternehmen. Zum Beispiel solche, die aus religiösen Gründen selbst kein Weihnachten feierten, das aber Kollegen ermöglichen wollten. Und weil die Anrufer um Weihnachten in der Regel besonders freundlich seien, sagt Ellenbeck.

Auch am Silvesterabend rufen nur wenige Kunden die Hotline an. Am Nachmittag des 1. Januar, wenn der Rausch ausgeschlafen ist, kommen dagegen wieder mehr Anrufe. Dann melden sich die Kunden wieder, um ihr Smartphone zu sperren, das ihnen in der Partynacht abhandengekommen ist.

Dieser Text erschien zuerst in der Welt.

Bild: © panthermedia.net / 123ucas