An Israeli woman works at the BOL (Breath Of Life) Pharma greenhouse in the country's second-largest medical cannabis plantation, near Kfar Pines in northern Israel, on March 9, 2016. The recreational use of cannabis is illegal in the Jewish state, but for the past 10 years its therapeutic use has not only been permitted but also encouraged. Last year, doctors prescribed the herb to about 25,000 patients suffering from cancer, epilepsy, post-traumatic stress and degenerative diseases. The purpose is not to cure them but to alleviate their symptoms. Forbidden to export its cannabis plants, Israel is concentrating instead on marketing its agronomic, medical and technological expertise in the hope of becoming a world hub in the field. / AFP / JACK GUEZ / TO GO WITH AFP STORY BY DAPHNE ROUSSEAU (Photo credit should read JACK GUEZ/AFP/Getty Images)
So sieht es aus, wenn Hanf legal angebaut wird, wie hier in Israel

Ein altes deutsches Sprichwort besagt: Später Markt wird gern gut. Von wem es kommt, ist nicht bekannt. Wann es gesagt wurde, auch nicht. Doch es scheint zur Stimmung zu passen, die einige Unternehmer in Deutschland gerade antreibt. Sie wittern ein großes Geschäft mit einer Pflanze, die zu den ältesten Nutz- und Ziergewächsen der Welt zählt, und deren Anbau hierzulande bisher verboten war: Hanf oder auch Cannabis.

Die Pflanze kann nämlich nicht nur berauschen, wenn man ihre Blüten oder Harz raucht. Sie soll auch Schmerzen lindern, Krämpfe lösen, Entzündungen hemmen und Appetit anregen, also Kranken womöglich wirklich helfen können.

Bisher gab es für rund 1.000 Schwerkranke Cannabis in Apotheken – allerdings nur, wenn sie dafür eine Ausnahmegenehmigung hatten und es aus eigener Tasche bezahlten. Das soll sich jetzt ändern. Laut einem neuen Gesetz des Gesundheitsministeriums soll Hanf nun bald für viel mehr Menschen in Apotheken erhältlich sein. Wenn ein Arzt es für nötig befindet, sollen sie Cannabisblüten und -extrakte bekommen, auf Rezept. Die Rechnung zahlt ihre Krankenkasse.

Dass der Hanf wirklich nur medizinisch genutzt wird, soll eine staatliche Agentur beaufsichtigen. Unternehmen, die in dem Bereich einsteigen wollen müssen sich hier um eine Lizenz zum Hanfanbau bewerben. Geplant ist, dass es 2019 Cannabis aus Deutschland geben soll – zuvor wird es vor allem aus den Niederlanden und Kanada importiert.

Jeder will ein Stück vom Hanf-Kuchen

Ein spannender Markt für Unternehmer. Georg Wurth, der Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, schätzt das Potenzial der möglichen Käufer auf rund ein Prozent der deutschen Bevölkerung ein, also auf etwa 800.000 Menschen. Während schon ohne die neue Richtlinie im vergangenen Jahr 150 Kilo Cannabis in deutschen Apotheken verkauft worden sei, seien schon bald ein paar Tonnen möglich.

Gehe man von einem Verkaufspreis von drei Euro das Gramm aus, erhalte man bei 150 Kilo bereits eine halbe Millionen und für eine Tonne fünf Millionen. „Das skaliert sich fix nach oben“, so der Experte. Umsatzzahlen in dreistelliger Millionenhöhe seien möglich.

Viele Firmen, die bisher nichts mit Cannabis zu tun haben, planten in dem Bereich einzusteigen, sagt Wurth. Seit Wochen erreichen ihn entsprechende Anfragen. Vom Landwirt, der noch ein Stück Acker frei hat bis zum Anwalt, der eine neue Firma mit Investoren hochziehen will, reichten die Interessenten. Neben dem reinen Anbau der Pflanze gebe es außerdem weitere Produkte und Dienstleistungen, die gefragt seien – vom Zubehör bis zur Beratung in pharmazeutischen Fragen, so Wurth. „Wir kriegen ständig Anfragen von Firmen, die Lust haben, da was zu machen.“

Es seien vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die versuchen würden, einen Fuß in die Tür zu bekommen, sagt Wurth. Komplette Neugründungen seien seltener, doch auch sie gebe es.

Run auf die Lizenzen

Es sind Firmen wie Medcann aus St. Leon-Rot, Bedrocan aus den Niederlanden, die DCI Cannabis Institut GmbH aus München oder Hanfpassion aus Dortmund, die vom neuen Markt profitieren wollen. Nach Firmenangaben war Medcann die erste Firma in Deutschland, die medizinische Cannabisblüten nicht aus den Niederlanden, sondern aus Kanada importiert hat.

Bedrocan könnte dabei ein Konkurrent auf dem deutschen Markt werden. Die Firma aus dem niederländischen Veendam baut in ihrer Heimat Cannabis für medizinische Zwecke an und beliefert heute schon Apotheken in Deutschland.

Die DCI Cannabis Institut GmbH sammelt gerade auf der Crowdinvesting-Plattform Transvendo Kapital für die Eröffnung eines Therapiezentrums, das Patienten mit Cannabis-basierter Medizin betreuen soll. Bis 2021 soll der Jahresumsatz der Firma auf 3,6 Millionen Euro steigen, wie Faz.net berichtet.

Medical Marijuana
Medizin-Hanf aus dem Labor

Und auch Hanfpassion, das im Mai 2016 von dem Deutsch-Niederländer Oscar Kuhl, Walter Krispin und Ricardo Pendon gegründet wurde, bereitet sich auf das große Geschäft mit Hanf vor. Zunächst werde man die Pflanze aus Kanada importieren, in Österreich selbst anbauen, um daraus Cannabisprodukte wie Hanfsamenöl und Hanfblütentee zu gewinnen, sagt Pendon.

Der Gründer weiß, dass das nicht leicht sein wird. „Die Produktion muss in einem Gebäude unter höchsten Sicherheitsaspekten erfolgen“, sagt er. Und die Pflanzen müssten keimfrei sein und nicht mit Bakterien, Pilzen oder Pestiziden verseucht sein. Trotz der hohen Anforderungen ist sich Pendon sicher: „Wir haben sehr gute Chancen, die Lizensierung für die Produktion zu bekommen und 2019 die erste Cannabis-Ernte einzufahren.“ Bis zu diesem Zeitpunkt wolle sein Unternehmen Medizinalhanf aus Kanada, Holland und aus Israel importieren.

Trotz der hohen Anforderungen ist sich Pendon von Hanfpassion sicher: „Wir haben sehr gute Chancen, die Lizensierung für die Produktion zu bekommen.“ Man werde sich, sobald möglich, darauf bewerben.

Ein Investment haben sie nach eigenen Angaben noch nicht erhalten. Gehälter zahlt sich das mittlerweile sechsköpfige Team noch nicht aus. In Zukunft wolle man aber auch auf externes Geld zurückgreifen. Um das nötige Kleingeld für den Aufbau einer Produktion zu erhalten, wollen die Dortmunder im April ein Crowdinvesting starten. „Wir sind auch mit einigen Investoren im Gespräch, haben uns aber noch nicht konkret festgelegt“, so Pendon.

Das grüne Gold für Investoren

Wie attraktiv der Markt für Investoren sein kann, macht André Müller deutlich. Er vertritt als Vorstand zwei Unternehmen: die CannaBrands AG, die sich mit der Entstehung und Vermarktung von Marken aus der Cannabis-Industrie beschäftigt und in Salzburg sitzt. Und die Deutsche Cannabis AG: eine Hamburger Beteiligungsgesellschaft mit einem Portfolio an zumeist US-amerikanischen Hanf-Startups.

„Es gibt schon jetzt beispielsweise Getränke, Schokolade, Gummibärchen und Pizza mit Hanfgeschmack – Cannabis kann einen den ganzen Tag begleiten“, sagt Vorstand Müller. Er rechnet fest damit, dass Cannabis hier in Deutschland komplett freigegeben wird: „Für den Fall haben wir bereits einige Kooperationen zu US-Firmen geknüpft, die uns dann mit solchen Produkten versorgen.“

Auch den Anbau und Verkauf findet Müller spannend. „Wir präferieren die Herstellung in Kalifornien, weil sich die Leute dort gut auskennen und man mit kleinen Parzellen hohe Erträge erhält.“ Doch mit dem neuen Gesetz rücke auch Deutschland mehr in den Fokus der Firma. „Wir diskutieren derzeit auch den Anbau bei uns, dann zu medizinischen Zwecken.“

Was bleibt, sind viele offene Fragen

Aber viele Details der Ausschreibung sind noch ungewiss, der Zeitplan nicht bekannt. „Kein Mensch weiß, wie die Bundesregierung jetzt damit umgehen wird“, sagt Wurth vom Deutschen Hanfverband. Er schätzt: „Bis die Lizenzen vergeben sind und die Hallen gebaut sind, wird sicher noch ein Jahr vergehen.“

Wie viele Lizenzen soll es geben? Wie viel wird im Land hergestellt, wie viel importiert? Wie sind die Qualitätsstandards? Welche Sorten sollen Angebaut werden? Und wie viel THC sollen die beinhalten? Es sind eine Menge Unsicherheiten für neue Unternehmen, die heute noch nicht wissen, wie viel Cannabis ihnen die staatliche Agentur am Ende abnimmt.

 

Triff Oscar Kuhl, Gründer von Hanfpassion, auf der HEUREKA Konferenz am 20. Juni in Berlin.

Bilder: Getty Images / JACK GUEZ / Stringer / Colin Brynn