hans startup slow down
hans startup slow down Glitzer, glitzer: „HANS!“ erzählt von der schönen neuen Arbeitswelt

„HANS! Start up, Slow down“ im Theaterdiscounter

Es ist nicht immer einfach, ein Startup-Journalist zu sein. „Wir disrupten einen Billionen-Dollar-Markt“, solche Phrasen gibt es ständig zu hören; „wir sind führend im Markt, super erfolgreich (aber Zahlen nennen wir nicht)“, solche Übertreibungen sind an der Tagesordnung; „wir wollen die Welt verbessern, nein, ums Geld geht’s nicht“, solche Heucheleien gehören fast immer dazu.

Für einen Startup-Journalisten ist es also fast wohltuend anzusehen, wie „HANS! Start up, Slow down“ die Widersprüche der Startup-Welt auf einer Theaterbühne auseinandernimmt. Das Stück, das gestern im Berliner Theaterdiscounter Premiere hatte, ist eine Produktion des Kollektivs Lunatiks, einer Gruppe, deren Theaterprojekte oder Performances sich stets um tatsächliche historische Ereignisse oder aktuelle gesellschaftliche Trends drehen. „Forschungsarbeit mit den Mitteln des Theaters“ nennt Lunatiks das, in diesem Fall bedeutete das: Die Regisseurin Janette Mickan führte knapp 40 Interviews mit Leuten aus der Berliner Szene, ihre Aussagen bildeten die Grundlage für das Stück.

Das führt dazu, dass während der 90 Minuten Sätze von einer seltenen Aufrichtigkeiten fallen („Ich baue mir Sachen auf und dann habe ich irgendwann kein Interesse mehr daran, sie weiter zu betreiben“, oder: „Wir wollen, dass jeder Tag Zahltag ist“), Fomeln, deren hohle Naivität („Wir sind dazu bestimmt, die Welt zu verändern“) sich auf der Bühne besonders gut offenbaren, und Lobpreisungen auf eine neue Form des Arbeitens („So frei wie jetzt werden wir nie wieder sein“), bei denen allzu schnell klar wird, dass diese Versprechungen nicht einlösbar sind.

Das ist das eigentliche Thema von „HANS!“: die schöne, neue Arbeitswelt mit ihren vermeintlichen Vorzügen von Selbstbestimmtheit, flachen Hierarchien und Arbeit, die sich wie Freizeit anfühlt – aber vor allem mit ihren Nachteilen von Überarbeitung, Beschleunigung und Ökonomisierung. Das gelingt Lunatiks manchmal richtig gut: wenn Startup-Marotten fein beobachtet werden – zum Beispiel, zur Vorbereitung der Gründung drei Monate den Jakobsweg zu gehen – oder Startup-Gaga-Ideen karikiert werden: „Wir bauen eine Plattform, die Kindern Wurzeln und Flügel geben soll“. Es gelingt nicht so gut, wenn „HANS!“ in plumpe Klischees zurückfällt, eine Gründerin etwa deklariert, sie mache sich „richtig subversive Gedanken, wie man Kommerz anders organisieren kann“, oder ein Business Angel sich besonders gierig geben muss: „Eine Million ist nicht cool. Eine Milliarde ist cool!“

Der dramaturgische Hauptkniff aber ist der Einsatz einer Gruppe von Laienschauspielern im Rentenalter, die im zweiten Teil des Stücks Erfahrungen aus traditionellen Erwerbsbiografien teilen. Sie sprechen über Geschlechter-Ungerechtigkeit, Arbeitsplatzverlust, politischen und strukturellen Wandel. Die Frage sei, so heißt es in der Stückbeschreibung: „Was haben die Gründerszene von heute und der Arbeitsalltag von gestern mit jenem Goldklumpen tauschenden Hans aus dem Märchen gemeinsam?“ Die Antwort von „HANS!“ ist leider nicht ganz klar. Abgründe im Arbeitsleben gab’s schon immer? Das Tempo und die kurzfristigen Ziele der Jungen sind ungesund? Die Alten haben noch was zu sagen? Wenig überraschende Erkenntnisse wären das.

Was „HANS!“ gut gelingt, ist der Startupszene einen Spiegel vorzuhalten. Das ist spannend und unterhaltsam (besonders für Startup-Journalisten!) und es lässt Defizite verschmerzen – dass es so etwas wie einen schlüssigen Plot nicht gibt, zum Beispiel. Und dass der Rentner-Einsatz eher rätselhaft bleibt.

„HANS! Start up, slow down“, weitere Aufführungen heute und morgen sowie vom 11. bis 13. Dezember, im Theaterdiscounter, Klosterstr. 44, 10179 Berlin.

Bild: Lunatiks