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Vor zwei Jahren versuchte es der Berliner Kochboxen-Versender zum ersten Mal, jetzt macht er die Pläne wahr: HelloFresh will am 2. November an die Börse gehen. Bis zu 357 Millionen Euro will die Firma dabei einnehmen, wie sie am Sonntagabend ankündigte – und legt die Preisspanne für die Aktien bei 9 bis 11,50 Euro fest. Die Millionen sollen in die weitere Expansion fließen, heißt es von dem 2011 gegründeten Unternehmen.

Es ist ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für den Börsengang: Einer der wichtigsten Wettbewerber von HelloFresh, Blue Apron, strauchelt derzeit in den USA. Das New Yorker Startup, das wie HelloFresh Boxen mit Zutaten für selbstgekochte Gerichte verschickt, wagte im Juni dieses Jahres den IPO. Eigentlich wollte es dabei mit 3,2 Milliarden US-Dollar bewertet werden, musste aber gleich eine herbe Niederlage einstecken: Die Bewertung lag beim Börsengang nur bei 1,9 Milliarden US-Dollar. Außerdem verlor die Aktie der im Jahr 2012 gegründeten Firma massiv an Wert. Ein schlechtes Vorzeichen für den HelloFresh-IPO? Wie steht das Berliner Startup im Vergleich zum US-Konkurrenten? Ein Zahlenvergleich zwischen HelloFresh und Blue Apron.

Märkte:

HelloFresh ist nach eigenen Angaben in zehn Märkten aktiv, beispielsweise in Deutschland, Luxemburg und den USA, wobei das Unternehmen den Zahlen zufolge mittlerweile mehr als die Hälfte des Umsatzes in den USA erwirtschaftet. Die Firma verschickte Mahlzeiten an 1,25 Millionen Kunden weltweit. Als Kunde zählt, wer in einem Zeitraum von drei Monaten eine Box mit Lebensmitteln erhalten hat.

Blue Apron ist dagegen nur in den USA aktiv und verzeichnete Ende Juni alleine dort 943.000 Kunden, also Menschen, die in dem aktuellen Quartal mindestens einmal dort eingekauft haben. In den USA liegt Blue Apron derzeit also weit vor HelloFresh. Allerdings sind die Berliner alleine schon aufgrund ihrer Aufstellung in mehreren Märkten weniger abhängig von der Entwicklung in den USA als Blue Apron das ist.

Umsatz:

Der Umsatz von HelloFresh stieg im zweiten Quartal dieses Jahres um 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an – auf mehr als 230 Millionen Euro. Blue Apron schrieb in der Zeit umgerechnet 202 Millionen Euro Umsatz, 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2016 wuchs der Berliner Kochboxen-Versender um 95,8 Prozent und verzeichnete einen Umsatz von 597 Millionen Euro. Blue Apron legte im vergangenen Jahr allerdings ein noch beeindruckenderes Umsatzwachstum hin: um stattliche 133 Prozent auf umgerechnet 675 Millionen Euro. 

Angestellte:

Bei HelloFresh sollen mehr als 2.000 Angestellte arbeiten, bei dem US-Konkurrenten rund 5.300. Aber: Blue Apron gab vor wenigen Tagen bekannt, sechs Prozent der Belegschaft abzubauen. Damit würden etwa 250 Jobs wegfallen. Zumindest für das zweite Quartal in diesem Jahr bedeutet das: HelloFresh hat mit einer deutlich kleineren Mannschaft als Blue Apron mehr Umsatz erwirtschaftet. Und das US-Unternehmen muss offensichtlich dringend Personalkosten sparen.

Verluste:

HelloFresh machte im ersten Halbjahr 2017 einen Verlust von rund 57 Millionen Euro. Im Vergleich dazu wirkt der gesamte Verlust aus dem Vorjahr fast wenig: 2016 betrug der Gesamtverlust 83 Millionen Euro.

Bei Blue Apron waren die Verluste von Januar bis Juni 2017 merklich höher und lagen bei etwa 71 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Verluste betrugen im Gesamtjahr 2016 umgerechnet 47 Millionen Euro, im ersten Quartal des vergangenen Jahres konnte die Firma sogar rund 3 Millionen US-Dollar Gewinn ausweisen – bislang allerdings einmalig.

Investments vor dem IPO:

Bei Blue Apron waren es laut Crunchbase rund 200 Millionen US-Dollar. HelloFresh sammelte demnach rund 365 Millionen Dollar ein.

Bewertung: 

Beim Börsengang strebte Blue Apron eine Bewertung von 3,2 Milliarden US-Dollar an, sie lag dann aber tatsächlich nur bei 1,9 Milliarden. Und anfangs legte das Unternehmen die Preisspanne pro Aktie bei 15 bis 17 Dollar fest. Heute ist die Aktie bei knapp fünf US-Dollar notiert (Stand 23. Oktober). Ein herber Verlust für Anleger.

HelloFresh kommt derzeit auf eine Bewertung von bis zu 1,5 Milliarden Euro (pre-money). Das ist viel weniger als noch vor zwei Jahren, wo die Investoren das Unternehmen in einer Finanzierungsrunde mit 2,6 Milliarden Euro bewerteten (post-money).

Die Aktionäre von Rocket Internet, das knapp 50 Prozent der Anteile an HelloFresh hält, zeigten sich von diesen Zahlen bereits jetzt enttäuscht, die Rocket-Aktie sackte ab.

Probleme:

  • Starke Konkurrenz. Blue Apron und HelloFresh haben einen großen Wettbewerber, der nicht zu unterschätzen ist: Amazon. In den USA hat der Konzern die Bio-Supermarktkette Whole Foods gekauft hat und damit klargemacht, dass es sich weiter im Lebensmittel-Segment ausbreiten wird. Auch ließ sich Amazon eine Trademark registrieren, unter der ebenfalls Kochboxen mit abgepackten Zutaten verkauft werden sollen. Offenbar werden solche Boxen von Amazon in Testgebieten sogar bereits verschickt. In Deutschland ließ sich Amazon außerdem eine Marke für Fertiggerichte schützen. Ein möglicher Einstieg in den Kochboxen-Markt – und eine große Gefahr für HelloFresh. Ein Grund, den IPO jetzt durchzuziehen, bevor Amazon in dem Bereich durchstartet? HelloFresh kommentiert das auf Nachfrage nicht.
  • Hohe Marketing-Ausgaben. Beide Unternehmen wachsen, allerdings nur, wenn sie Millionen in Marketing stecken. HelloFresh gab dafür im ersten Halbjahr 2017 stolze 123 Millionen Euro aus. Blue Apron investierte im selben Zeitraum rund 81 Millionen Euro – Tendenz allerdings sinkend, da die Firma in dem Bereich kürzlich große Einsparungen gemacht hat. Gleichzeitig hat sie aber auch neun Prozent ihrer Kunden verloren. Es zeigte sich: Stellt das Startup die intensiven Marketing-Bemühungen ein, merkt es das sofort an den Kundenzahlen. Denn einige Konsumenten lassen sich nur über für das Unternehmen teure Rabatt-Aktionen gewinnen und halten.
  • Negative Schlagzeilen. Vor Kurzem entließ Blue Apron mit Blick auf eigene ambitionierte Börsenpläne rund sechs Prozent der Belegschaft. Außerdem soll die Firma Anteilseigner nicht ausreichend über zusammengestrichene Marketingausgaben informiert haben. Es gab zudem Lieferverzögerungen, durch die viele Kunden abgesprungen seien – auch das wurde den Aktionären zunächst nicht mitgeteilt. Deshalb startete in den USA Ende August eine Sammelklage gegen die Firma.
    HelloFresh fiel dagegen in der Presse bisher nur negativ wegen des verschobenen IPOs auf.

Fazit: HelloFresh und BlueApron eint viel. Ihr Produkt ist ähnlich, sie sind beide in den USA aktiv und sie sind auf hohe Marketing-Ausgaben angewiesen, um Kunden zu gewinnen und zu halten. Allerdings ist HelloFresh in mehr Märkten aktiv, hier womöglich auch flexibler, und schlanker in der Personalstruktur aufgestellt als der US-Konkurrent. Warum die Berliner ihren IPO ausgerechnet jetzt ansetzen, wo Blue Apron damit derzeit so strauchelt, wollte das Berliner Startup auf Nachfrage von Gründerszene nicht kommentieren. Befremdlich ist es allerdings schon, wie auch dieser Nutzer auf Twitter anmerkt:

Bild: HelloFresh / Blue Apron