Hipster

„Es gibt keinen Berlin Hype. Es gibt keine Hipster.“

Vor wenigen Wochen kam eine Gründerin aus Buenos Aires nach Berlin. Sie ist selbst Deutsche, kannte die Szene in Berlin aber nur aus Blogs und von Medienberichten. Gleich in der ersten Woche traf sie sich mit einem bekannten Berliner Startup-CEO. Die beiden sprachen eine Stunde – und als sie zurückkam, war sie begeistert. „Das war so ein gutes Gespräch, so down-to-earth. Endlich mal nicht so ein Hipster-Geblubber über Berlin.“

Seither weiß ich: Hinter unserem Rücken hat sich das Bild des „Berliner Hipsters“ rund um den Globus verselbständigt. Und es ist Zeit, diesem Witz Einhalt zu gebieten. Denn das ist dieses Hipster-Ding: ein schlechter Witz, der außer Kontrolle geriet. 

Eigentlich weiß das auch jeder, denn in Wahrheit hat es überhaupt nichts mit Hipstertum zu tun, ohne Geld an einem digitalen Produkt zu arbeiten. Es ist vielmehr genau das Gegenteil. Und so ist dieser Witz vermutlich auch entstanden. Genauso wie Chirurgen lustige Wörter für ihre blutige Arbeit finden, oder Polizisten den Stress und die Eintönigkeit ihres Jobs herunterspielen, haben Unternehmer dieses Latte-Macchiato-Bild für ihren Job erfunden. Pfeifen im Walde. 

Denn: Welcher Startup-Chef oder Gründer passt denn wirklich in das Hipster-Klischee? Gibt es auch nur einen, der tatsächlich ein oberflächlicher, lifestyle-höriger, nicht wirklich motivierter, metrosexueller Waschlappen ist und von Mamis und Papis Geld lebt? Wer wirklich mal herumfragt, bekommt als Antwort – sogar von der südamerikanischen Gründerin, die gerade erst in Berlin angekommen war: „Hm, jetzt wo du mich fragst, nein, da fällt mir keiner ein.“

Dieser Tage las ich wieder einen Artikel über die „Hipster-Dämmerung“, nachdem Amen und Gidsy das Zeitliche gesegnet haben – und wieder merke ich, wie falsch das Hipster-Klischee immer wieder benutzt wird, um zu beschreiben, was in Berlin gerade passiert. 

Amen ist untergegangen, weil die Gründer ein nutzloses Produkt gebaut haben, das keiner wollte, das niemanden angesprochen hat, das kein Marktbedürfnis oder Pain Point adressierte. Sogar die massive Medienberichterstattung und das viele Geld, für das andere Gründer töten würden, brachte niemanden dazu, Amen zu nutzen. Aber Amen ging sicher nicht unter, weil die Gründer keine Arbeit reingesteckt haben oder weil sie Hipster waren. 

Die besten Leute, die man sich vorstellen kann

Andere Firmen, die in den Klischee-Artikeln immer wieder genannt werden, sind 6Wunderkinder und EyeEm. Aber ich kann auf Tod und Leben versichern, dass die Gründer und Teams dieser Startups die allervernünftigsten und bescheidensten Zeitgenossen sind. Und das ist kein Zufall. Als ich letzten Dienstag mit dem Zug vom Pirate Summit in Köln zurückfuhr, sprach ich lange mit Marc Preusche, Adword-Consultant bei Google für Startups. Wir diskutierten, warum wir Berlin lieben und warum wir so gerne mit Startups arbeiten. Unsere Antwort: Weil wir hier mit den besten Leuten zusammenarbeiten und sprechen dürfen, die man sich nur vorstellen kann. 

Es ist faszinierend und oft bewegend, wie ernsthaft und intensiv all diese Leute zusammenarbeiten, die im Schnitt vier Uniabschlüsse haben, fünf Sprachen sprechen und locker Hunderttausende bei Consulting-Firmen verdienen könnten – aber lieber ein Startup aufbauen, das in 90 Prozent aller Fälle auch noch scheitert.

Dieses Commitment und die Bescheidenheit – die findet man nicht unter Angestellten eines Großkonzerns. Das Risiko, das junge Italiener, Spanier, Polen auf sich nehmen, wenn sie hier ohne Job, Wohnung und Deutschkenntnisse ankommen ist enorm – und ja, geradezu edel.

Darum: Immer wenn ich Artikel über den angeblichen „Berlin-Hype“ und das „Hipstertum“ lese, oder Berater (die für 1200 Euro Powerpoint-Slides schreiben) über die Latte-Macchiato-Szene spotten höre, dann höre ich vor allem eines: Neid. Neid von Leuten, die noch nichts in ihrem Leben gefunden haben, wofür sie ein Risiko auf sich nehmen würden. Neid von Leuten, die lieber in einem sicheren Job bleiben. Neid von Leuten, die Angst vor der Freiheit haben.

Wir sollten uns von Zeit zu Zeit daran erinnern. Es gibt keinen Berlin Hype. Es gibt keine Hipster. Es gibt vielmehr eine Gemeinschaft von Leuten, die die besten ihrer Generation sind. Nichts von dem, was sie tun, ist schlussendlich vergebens. Und das sollen alle wissen, von hier bis Buenos Aires.

Bild: Bestimmte Rechte vorbehalten von ChrisL_AK; dieser Artikel erschien zuerst bei dem Gründerszene-Schwestermagazin Venture Village