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Enri Chantal Strobel kam die Idee zum Pferde-Wearable

Fitbit, Jawbone oder Samsung Gear – die Liste an Wearables, die uns fitter machen sollen, ist lang. Eine Gründerin aus Hannover hat die Idee jetzt auf den Pferdesport übertragen. Das Gerät von Enri Chantal Strobel misst kontinuierlich die Bewegung der Tiere und soll so auch Krankheiten frühzeitig erkennen können.

Strobel ist 25 Jahre jung, Gründerin und Geschäftsführerin von Horse Analytics. Sie studierte Corporate Management und Economics an der Zeppelin Universität und schrieb ihre Bachelor-Arbeit über 3D-Druck. Später arbeitete sie bei Xing-Gründer Lars Hinrichs im Smart-Home-Projekt „Apartimentum“ im Projektmanagement. Ihr aktuelles Startup hat vier Mitarbeiter und wird mit 100.000 Euro vom VentureVilla-Accelerator finanziert. Die Gründerin im Gespräch.

Enri, als ich das erste Mal von der Idee eines Wearables für Pferde hörte, hielt ich das für einen verfrühten April-Scherz. Bekommst Du das häufiger zu hören?

Die meisten Menschen fragen nach, ob es bei unserem Gerät wirklich um Pferde geht. Aber wenn sie sich auf das Thema einlassen, dann verstehen sie, dass es Sinn ergibt. In der Pferdeszene selbst werden wir verstanden, weil Pferdehalter die Probleme kennen, die wir lösen wollen.

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Das Gerät von Horse Analytics misst die Bewegung des Tieres

Und warum ergibt es Sinn?

Weil man sich im Pferdesport immer verbessern will – und das bedeutet mehr Anleitung und mehr Informationen. Zum anderen hat man eine emotionale Bindung zum Tier. Viele Pferdehalter sehen ihr Tier als Familienmitglied. Aber da man nicht immer bei ihm sein kann, will man wissen, was mit dem Tier währenddessen passiert oder wie viel es sich auf der Weide bewegt. Später soll man mit unserem Gerät auch Krankheiten frühzeitig erkennen können, beispielsweise Koliken. Das ist eine Pferdekrankheit, ähnlich wie Bauchschmerzen, an der das Tier sterben kann, wenn es nicht rechtzeitig entdeckt wird.

Dein Gerät liest nur Bewegungsdaten aus. Wie kann man damit Krankheiten erkennen?

Koliken haben eine Änderung der Bewegung des Pferdes zur Folge. Es wird unruhig, apathisch, wälzt sich häufiger. Und diese Veränderungen der Bewegungsabläufe gegenüber des Normalzustands kann man durchaus wahrnehmen.

Dafür braucht man aber sehr detaillierte Messwerte. Wie macht Ihr das?

Wir benutzen Accelerometer und Gyroskope – also Beschleunigungs- und Bewegungssensoren. Wir haben zwei Versionen: Für das Training nutzt man nur die Sensoren des Smartphones. Das soll den Einstieg vereinfachen. Über die Sensordaten erkennen wir beispielsweise das Auftreten der Hufe und leiten dadurch Gangarten und Lahmheiten ab. Mit unserem spezifisch für den Reitsport entwickelten Wearable können wir dabei sogar noch einmal genauer werden.

Kann eine Maschine denn mehr wissen als ein Halter, der sein Pferd schon jahrelang kennt?

Unser System bietet die Möglichkeit, das eigene Training aus einem objektiven Blickwinkel zu betrachten und auch bei Abwesenheit Informationen über sein Pferd zu erhalten. Es ist dabei aber immer eine Zusammenarbeit von Pferdehalter und Algorithmen nötig. Das Gerät wird nie ersetzen können, sich in das Pferd hineinzufühlen.

Du bist selbst Hobby-Reiterin. Kam Dir dadurch die Idee oder hatte das wirtschaftliche Gründe?

Ich habe Polo gespielt und fand es naheliegend, dass wenn ich mich im Training verbessern will, ich auch wissen muss, ob mein Pferd fit genug ist. Gerade im Polo ist das wichtig, um keine Überlastung der Gelenke des Pferdes zu erzeugen. Ich habe lange herumprobiert, wie man das lösen kann und so ist das jetzige Gerät entstanden.

Dein Gerät richtet sich an Reiter. Ist das nicht eine sehr spitze Zielgruppe? Kann man damit Geld verdienen?

Von Außen sieht das wie eine Nische aus. Aber es ist eine sehr zahlungskräftige Zielgruppe, sie geben im Schnitt 550 Euro im Monat pro Pferd aus. Und in Deutschland gibt es allein 890.000 Halter und 1,2 Millionen Pferde. Der Pferdesport ist nach Fußball der umsatzstärkste Sport in Deutschland – also ein sehr relevanter Markt.

Wie viel müssten diese Halter denn zusätzlich im Monat für Dein Gerät ausgeben?

Das Wearable selbst kostet etwa 300 Euro. Dazu kommt eine geringe monatliche Summe für die Übertragung der Live-Daten.

Und wie weit seid Ihr in der Entwicklung?

Wir testen die aktuelle Version gerade mit dem Smartphone an unseren eigenen Pferden. Das Smartphone befestigen wir an einer speziellen Satteltasche, um die Bewegungen des Pferdes aufzunehmen und nicht die des Reiters.

Der Reiter braucht also zusätzlich nur noch Deine App?

Genau. Und damit gehen wir in den nächsten Wochen in einen Beta-Test mit etwa 200 Testern. Wir wollen damit Feedback von der Zielgruppe bekommen, aber auch möglichst viele Pferde in der Bewegung aufzeichnen und damit unsere Algorithmen verbessern.

Und wann kommt das Gerät auf den Markt?

Das wird frühestens Ende des Jahres der Fall sein.

Bild: STEFAN GROENVELD