tesla_jobsDie Insolvenzverwalter im Deutschen Anwaltverein (DAV) haben vor einer Pleitewelle in der Autoindustrie durch den technologischen Wandel vom Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb gewarnt. „Die Einnahmeseite vieler Betriebe vor allem aus der Zulieferindustrie ist gewaltig gefährdet“, sagte der Vorsitzende des Insolvenzkreises des DAV, Martin Prager. „Nicht alle Unternehmen werden den Anpassungsprozess schaffen.“ Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigten, dass am Ende allein in Deutschland Betriebe mit mehr als 100.000 Arbeitsplätzen pleitegehen könnten.

Durch den Elektroantrieb werden viele mechanische Teile künftig nicht mehr benötigt. Die Zulieferer, die diese Bauteile herstellen, müssten sich entweder neue Geschäftsmodelle überlegen oder schließen, so Prager. Insgesamt sind in Deutschland etwa drei Millionen Menschen direkt oder indirekt in der Autoindustrie beschäftigt, im Kreis der Insolvenzberater geht man davon aus, dass etwa eine Million davon durch den technologischen Wandel gefährdet sei. Die Erfahrung zeige, dass etwa zehn Prozent der gefährdeten Betriebe die Umstellung nicht schafften und das Geschäft einstellten, so Prager. Das entspräche rund 100.000 Jobs, die in Deutschland wegfielen.

Andere Firmen müssten sich unter Umständen völlig neue Betätigungsfelder suchen. „Ein Auspuffhersteller ist im Grunde in der Metallumformung tätig, das kann man auch in anderen Bereichen einsetzen“, sagte Prager. Die Zukunft eines Autozulieferers müsse daher nicht zwangsläufig der Autobranche liegen.

Jetzt passieren die entscheidenden Fehler in der Branche

Bislang gebe es noch keine steigende Zahl von Insolvenzen in der Autozulieferindustrie, doch die richtigen strategischen Entscheidungen müssten Unternehmer schon jetzt treffen, um ihre Firmen retten zu können. „Der Weg in die Insolvenz ist häufig der gleiche“, sagte Prager. „Man macht strategische Fehler, deren Folgen man erst sehr viel später bemerkt.“ Auch deshalb warne der Kreis der Insolvenzverwalter bereits heute vor der drohenden Gefahr. „Das ist eine große Aufgabe, vor der die betroffenen Unternehmen jetzt stehen.“

Dass es zu technologischen Umbrüchen komme, die ganze Branchen auf den Kopf stellen, sei im Prinzip nichts Ungewöhnliches. Ein Beispiel sei der Fernsehhersteller Loewe, der bereits lange vor dem tatsächlichen Insolvenzverfahren den Fehler gemacht habe, nicht auf Flachbildfernseher zu setzen. Loewe konnte in der Insolvenz gerettet werden.

Vom Wandel in der Autoindustrie seien grundsätzlich Unternehmen aller Größen betroffen, sagte Prager. Besonders schwierig ist die Anpassung jedoch für kleine mittelständische Firmen, die oft nicht einmal direkt den Autobauer, sondern lediglich einen Zulieferer als Kunden haben.

Viele Fahrzeughersteller und Zulieferer haben das Problem, vor dem die Branche steht, längst erkannt. Einige setzen darauf, sich durch Zukäufe neue Betätigungsfelder zu erschließen. So hat sich der früher vor allem auf Getriebe und andere mechanische Teile spezialisierte Zulieferer ZF Friedrichshafen durch den Milliardenkauf des amerikanischen Unternehmens TRW, das vor allem beim elektrischen und autonomen Fahren aktiv ist, breiter aufgestellt. Auch Branchengrößen wie Bosch und Continental setzen bei Zukäufen und Entwicklung inzwischen vor allem auf Elektroantriebe und Digitalisierung.

90.000 Jobs hängen bei Bosch am Verbrennungsmotor

Dennoch sind auch bei diesen Unternehmen große Teile Belegschaft durch den technologischen Wandel zumindest bedroht. Zwar betonen alle Firmen, dass sich noch nicht absehen lasse, ob und wie viele Stellen am Ende tatsächlich wegfallen werden. Doch derzeit hängen bei Bosch beispielsweise rund 90.000 Jobs am Verbrennungsmotor, davon etwa 25.000 in Deutschland. Continental-Chef Elmar Degenhart bezifferte in der Welt am Sonntag die Zahl der Beschäftigten, die mit Benzin- und Dieselmotoren verbunden sind, auf etwa 30.000 von weltweit 218.000 Mitarbeitern.

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Volkswagen hat bereits angekündigt, dass in den kommenden Jahren durch den Wandel hin zur Elektromobilität weltweit rund 30.000 Stellen wegfallen werden – 23.000 davon in Deutschland. Zu Entlassungen soll es jedoch nicht kommen, stattdessen setzt der Wolfsburger Autobauer auf Altersteilzeit und andere sozialverträgliche Maßnahmen. In der Elektromobilität sollen zudem 9000 neue Jobs entstehen.

Und es gibt eine weitere Branche, in der laut Insolvenzverwalter Prager der technologische Umbruch der Autoindustrie zu zusätzlichen Mitarbeitern führen könnte: „Bei den Insolvenzverwaltern könnte in den kommenden Jahren durchaus die Beschäftigung steigen.“ Die Verluste der Autobranche wird das allerdings nicht ausgleichen können.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images /AFP / Freier Fotograf