Heute noch ein Exot, nach dem sich die Menschen umdrehen: ein autonomer Shuttle-Bus

Was muss hierzulande noch getan werden, um autonomes Fahren endlich zu ermöglichen? Das war eine der Fragen, mit der sich Forscher und Unternehmer aus der Mobilitätsbranche diese Woche auf der Fachmesse Hypermotion in Frankfurt am Main auseinandergesetzt haben. Die Meinungen zielten vor allem auf drei Hürden ab.

„Vieles, was man rein rational machen kann, wird längst nicht immer auch emotional von der Gesellschaft mitgetragen“, sagte Volkswagen-Zukunftsforscher Wolfgang Müller-Pietralla während einer Podiumsdiskussion. Die Technologie werde von VW schon seit Jahrzehnten erprobt, aber die Bereitschaft für den Wandel sei bei Öffentlichkeit und Politik noch nicht da.

Es fehle an Vertrauen gegenüber der neuen Technologie, meint auch Ioki-Chef Barillère-Scholz. Sein Unternehmen will im Auftrag der Deutschen Bahn die ersten autonomen Shuttles auf die Straße bringen, um beispielsweise weiter auseinander liegende Anschlusshaltestellen miteinander zu verbinden. Das ändere sich allerdings gerade. Erste Tests mit Passagieren hätten gezeigt, dass sich das Vertrauen gegenüber der Maschine schnell einstelle. Die Leute fingen an, sich während der Fahrt miteinander zu unterhalten, schauten auf ihr Smartphone und lase Zeitung – wie heute schon in Bus und Bahn. Müller-Pietralla kann das bestätigen: Tests von Volkswagen seien zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Was Städte und Kommunen noch tun müssen

Das Problem ist also der Erstkontakt – und der könnte sich auch im öffentlichen Straßenverkehr als problematisch erweisen. Etwa, wenn ein autonomer Shuttle von einer blockierten auf eine freie Spur wechseln will. Werden die Autofahrer für die Maschine halten und sie einfädeln lassen? Barillère-Scholz ist skeptisch. Er glaubt deshalb: Die Straße muss neu gedacht werden. Um einen flüssigen Verkehr der neuartigen Fahrzeuge zu ermöglichen, müsse die Stadtplanung mit einer separaten Spur aushelfen.

VW-Zukunftsforscher Müller-Pietralla sieht eine zweiten Hebel, mit dem die Akzeptanz für die selbstfahrenden Shuttle erhöht werden könne. Die Anschlussfähigkeit von On-Demand-Bussen müsse bestmöglich gewährleistet werden, also vernetzte Bahnen und Busse, die miteinander kommunizierten und sich aufeinander abgestimmt seien. Das käme den Reisenden entgegen, denn „jeder Umstieg kostet Zeit und Geld. Menschen gehen nach Bequemlichkeit.“ Seitens der Städte müsse dafür aber auch die Vernetzung vorangetrieben werden, um die Fahrzeuge beispielsweise mit Verkehrslagen und Ampelschaltungen zu verbinden, fordert er weiter. Erst dadurch könne ein flüssiger Verkehr von A nach B ermöglicht werden.

Wogegen sich die Politik noch sperrt

Eine weitere Technologie-Bremse ist nachwievor das strikte Personenbeförderungsgesetz, das Pooling-Services in der Erprobungsphase erschwert. Das Gesetz sieht vor, dass das Fahrzeug immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Doch das ist nicht der Sinn von einem On-Demand-Shuttle, dessen Strecke immer wieder neu von einem Algorithmus errechnet wird. Die Verkehrsinformationen und Erfahrungen, die dabei gesammelt werden, könnten die Entwicklung autonomer Systeme beschleunigen. Darin sind sich der Ioki-Chef und der VW-Forscher einig. Weniger Einigkeit besteht hingegen bei der Frage, wie viele Personen in solch einem Shuttle eigentlich befördert werden sollen.

Was Autobauer am Wandel hindert

Volkswagen wie auch viele andere große Hersteller haben das Problem, den Wandel vom Autobauer zum Mobiltätsdienstleister möglichst ohne große Verluste bei der Produktion zu bewältigen. Wird mehr geteilt und gepoolt, könnten auf lange Sicht die Stückzahlen der produzierten Fahrzeuge zurückgehen. Das erste angekündigte autonome Fahrzeug ist Sedric. Hier passen bislang aber nur zwei bis drei Personen hinein. Für einen Shuttle-Service taugt das nicht, findet der Ioki-Chef, der lieber auf ein französisches Modell des Startups Ligier setzt (wie auch die BVG), in dem sechs bis acht Personen Platz finden. Apropos Startups: Hierzu hat VW-Forscher Müller-Pietralla eine ganz eigene Meinung.

„Ein großer Anteil der Startups wird es nicht schaffen“

Viele Startups würden versuchen, an den Markt anzudocken, um Geld zu verdienen, so der VW-Forscher. „Einige werden es schaffen, ein großer Anteil der Startups aber nicht.“ Die Deutsche Industrie werde den Wandel nicht verschlafen, glaubt Müller-Pietralla. Schließlich halte man hierzulande die meisten Patente für die Technologie. Nur ein Wettbewerber bereitet ihm offenbar Sorge: Google. Das US-Unternehmen hält, anders als die deutsche Industrie, eine Vielzahl an Patenten im Bereich Infotainment. Wenn es also um die Frage geht, wie die Menschen ihre Freizeit in einem autonomen Fahrzeug gestalten, haben die Tech-Unternehmen die Nase vorn.

„Wir erledigen die Arbeit, und andere machen das Geschäft“, resümiert Müller-Pietralla. Anders ausgedrückt: Die Deutschen entwickeln die Technologie für die Fahrzeuge und die US-Unternehmen werden wahrscheinlich mit ihrer Software-Lösung andocken – und mitverdienen.

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