Das Impraise-Team: Filipe Dobreira, Arnaud Camus, Bas Kohnke und Steffen Maier (v.l.n.r.)

Durch Feedback die persönliche Weiterentwicklung vorantreiben

Das Team von Impraise entwickelt in Berlin eine App für Unternehmen, mit der Mitarbeiter sich gegenseitig Feedback geben können. Die drei Gründer Filipe Dobreira, Bas Kohnke und Steffen Maier sind überzeugt, dass durch die Möglichkeit, selbstständig Feedback anfragen oder geben zu können, nicht nur die soziale Komponente im Unternehmen gestärkt wird, sondern sich die Mitarbeiter dadurch vor allem weiterentwickeln können.

Momentan ist das junge, international aufgestellte Unternehmen in der Testphase für seine Smartphone- und Web-App. Gründerszene hat mit Steffen Maier darüber gesprochen, welches Feedback ihre App von den testenden Unternehmen bekommen hat und warum das Feedback über Impraise ohne Noten erfolgt.

Impraise hat ein recht internationales Gründerteam. Wie habt ihr zusammengefunden?

Stimmt, Bas ist Holländer, Filipe ist Portugiese und ich bin Deutscher. Wir haben uns beim Masterstudium in Schweden kennengelernt.

Und dort habt ihr auch die Idee für Impraise entwickelt?

Genau, die Idee entstand während des Studiums, im April 2013. Das Unternehmen ist aber vor allem aus einem eigenen Bedürfnis heraus entstanden. Wir haben alle drei bereits die Erfahrung gemacht, dass gerade in großen Konzernen die Personalentwicklung oder die Mitarbeiterförderung extrem untergehen. Feedback-Prozesse erfolgen normalerweise nur ein- bis zweimal im Jahr. Die werden dann von der Personalabteilung initiiert, also von oben herab, und haben eigentlich eher den Nutzen, deine Leistungen zu analysieren – ob du es wert bist, befördert zu werden oder ob du gefeuert werden solltest.

Das hilft den individuellen Mitarbeitern aber nicht, sich weiterzuentwickeln. Das wollten wir ändern. Wir wollten eine Mobile-App entwickeln, die es super-einfach macht, Feedback zu geben, oder auch Feedback persönlich von Kollegen anzufragen – beispielsweise für Präsentationen, Meetings oder auch längere Projekte.

Wie funktioniert die App denn?

Wir legen starken Wert darauf, dass Feedback unmittelbar passieren kann – und auch kontinuierlich über das ganze Jahr hinweg. Nach einem Meeting kannst du beispielsweise mit wenigen Klicks eine Feedback-Anfrage an deine Kollegen rausschicken, die dann eine Push-Nachricht auf ihr Smartphone bekommen. Sie können dann zum Beispiel bewerten, ob du der Agenda gefolgt bist oder ob du gut vorbereitet warst.

Wie wird das denn bewertet? Werden Noten vergeben?

Nein, wir wollen Abstand von Zahlen nehmen. Niemand weiß, was eine vier von fünf oder eine sechs von zehn bedeutet. Stattdessen haben wir eine visuelle, farbenbasierte Lösung gefunden: Du kannst in der App mit der Maus oder den Fingern einen Kreis größer ziehen. Je größer, desto positiver das Feedback. Der Kreis geht beim Größerwerden von orange in grün über. Das veranschaulicht also auch noch einmal, wie positiv oder negativ das Feedback ausfällt. Außerdem können Kollegen auch Kommentare hinzufügen, also Tipps oder konstruktives Feedback geben.

Welche Soft Skills werden bei Impraise abgedeckt? Bei einem Mitarbeiter im Sales sind ja andere Kompetenzen wesentlich als bei einem in der Personalabteilung. Wie habt ihr das in der App gelöst?

Wir haben vier grobe Kategorien identifiziert, die relativ generisch über alle Jobs und Joblevel relevant sind: die persönliche Arbeitseffektivität, die Kommunikationsfähigkeiten, die strategische Denkweise und die Teamworkfähigkeiten. Es gibt natürlich in den verschiedenen Jobs spezifische Kompetenzen, die werden wir nach und nach auch in die App einstellen. Wir ermöglichen aber auch, dass Unternehmen selbst Kompetenzen, Werte und Verhaltensweisen in die App einbauen können.

Für eure Beta-Version habt ihr viel Feedback von Unternehmen bekommen. Welche offenen Punkte haben sich da gezeigt?

Grundsätzlich gab es viele positive Rückmeldungen, allerdings haben wir zu Beginn einen wesentlichen Fehler gemacht: Wir haben komplett vorausgesetzt, dass die Nutzer wissen, wie und wann sie Feedback geben können. Offenbar haben wir die App anfangs zu offen gestaltet und nicht genügend Orientierung geboten. Daraufhin haben das Feedback in der App vermehrt an Präsentationen, Meetings und Projekte geknüpft, um die Nutzer mehr an die Hand zu nehmen.

Ursprünglich sollte die App Glean heißen. Warum die Umbenennung?

Wir waren eigentlich glücklich mit unserem ersten Namen. Der Hauptgrund der Umbenennung war, dass es in den USA ein Unternehmen gibt, das sich kurz nach uns unter dem gleichen Namen gegründet hat und in einem ähnlichen Bereich tätig ist. Die waren aber relativ zügig, sich den Namen als Marke zu registireren. Um da zukünftig Probleme zu vermeiden, haben wir uns für die Umbenennung entschieden. Der Name Impraise ist eine Mischung aus improve, raise, praise und impress – wir denken, dass wir damit sehr gut ausdrücken können, was wir mit der App erreichen wollen.

Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?

Wir haben ein klassisches SaaS-Abo-Modell, wir werden also pro Nutzer pro Monat eine Gebühr für die App-Nutzung verlangen. Eine zweite Schiene des  Geschäftsmodells ist, dass wir später auch Lösungsvorschläge anbieten wollen, beispielsweise könnten wir Buchvorschläge in die App einbinden.

Da ihr derzeit in der Testphase seid, verdient ihr mit der App noch kein Geld. Wie habt ihr euch bis jetzt finanziert?

Fast ein Jahr lang waren wir komplett selbstfinanziert – klassisches Bootstrapping. Das ging bis dahin, dass wir alles Mögliche eingespart haben und teilweise mit drei Leuten in einem Zimmer gepennt haben. Dann wurde es Zeit, nach Finanzierungen Ausschau zu halten. Seit etwa einem Monat haben wir einen Business Angel mit an Bord. Außerdem haben wir in Aussicht, ins Silicon Valley zu gehen und dort mit einem größeren Investor zusammenzuarbeiten.

Wer sind eure Wettbewerber?

Mit einer Feedback-App fürs Smartphone sind wir, soweit ich weiß, die Einzigen. Es gibt natürlich seit Jahrzehnten Feedbacksysteme für Unternehmen, das sind aber alles umfassende HR-Tools, zum Beispiel von SAP. In Berlin gibt es Small Improvements, die machen etwas Ähnliches wie wir, das basiert aber auf Web-Lösungen und ist auch eher top-down, also durch die Personalabteilung veranlasst. Unsere Vision dagegen ist, Feedback eher bottom-up und mit Fokus auf die persönliche Weiterentwicklung zu gestalten – abgesehen davon, dass wir der Personalabteilung natürlich ebenfalls helfen können.

Welche Unternehmen sollen die App denn nutzen?

Wir fokussieren uns zurzeit auf innovative, wissensintensive Dienstleistungsunternehmen mit 100 bis 1000 Mitarbeiter – also nicht die ganz Großen. Letztlich können aber natürlich alle Unternehmen die App für Feedback und zur Mitarbeiterförderung nutzen.

Die App ist bisher komplett in englischer Sprache. In welchen Ländern wollt ihr starten?

Wir werden zunächst auch nur englischsprachige Länder adressieren; in Europa hauptsächlich Großbritannien, aber auch Holland und Skandinavien, wo sehr pragmatisches Feedbackverhalten und eine Affinität zum Englischen vorherrscht. Und – weil wir dort Aussichten haben – natürlich auch in den USA. Wir wollen aber nicht ausschließen, dass es die App auch für den deutschen Markt geben wird.

Und wann wollt ihr live gehen?

Wir machen jetzt die finale Testrunde. Der Plan ist, ab Juli mit einem einwandfrei funktionierenden Produkt zu launchen und dann den Kundenstamm zu vergrößern.

Welche große Herausforderung wird euch noch bevorstehen?

Ich glaube, es wird eine Herausforderung, dieses Bottom-up-Modell durchzusetzen. Die große Frage ist, inwieweit sich die App von selbst im Unternehmen verbreitet – wird sie der Einzelnen von sich aus zur Weiterentwicklung anwenden, oder müssen wir doch über die Personalabteilung gehen?

Bild: Impraise