Inkubatoren Analyse

Viel Spreu, wenig Weizen

Auch wenn es klingt wie eine Platte mit Sprung – für mich gibt es nur drei ernst zu nehmende Inkubatoren: Rocket Internet (www.rocket-internet.de), Project A Ventures (www.project-a.com) und Team Europe (www.teameurope.net, auch an Gründerszene beteiligt). Auch bei diesen drei ist längst nicht alles Gold was glänzt, doch im Gegensatz zu den zahlreichen anderen Inkubatoren sehe ich bei ihnen eine unternehmerische Relevanz und ernsthafte Systematiken zur Unterstützung junger Gründungen. Jenseits dessen empfinde ich die Erfolgsbilanz deutscher Inkubatoren als ernüchternd.

Heutzutage gründet ja praktisch jedes digital interessierte Unternehmen, das mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt, einen eigenen Inkubator aus, um Zugang zu Talenten und Innovationen zu bekommen. Man denke auch an jene Medienunternehmen, die mittels Inkubatoren-Portfolios ihre Reichweite zu monetarisieren denken. Oder aber die Fronten werden vom Unternehmer zum Inkubator-Macher gewechselt. Viele Akteure bezeichnen sich selbst dann als Inkubator, wenn es sich eigentlich um bessere Business-Angel-Netzwerke handelt, die Firmenanteile im Austausch gegen etwas Mentoring, einen Schreibtisch und ein paar Euro Startgeld handeln. Das ist ein bisschen wie Freundschaft mit Extras, nur dass es hierbei eben um Anteile und aufgebauschte Wahrnehmung geht.

Der Bedarf bei der Entstehung eines Inkubators ist ja auch recht simpel: Neben Know-how, einer starken Prozessarchitektur und Kontakten braucht es vor allem eines: Geld. Entweder habe ich dieses Geld selbst (Rocket Internet erster Stunde) oder ich leihe es mir in dem Versprechen, Gewinne zurückzuliefern (Project A, Rocket Internet dieser Tage, Hanse Ventures, Rheingau Founders) oder aber ich verdiene es mir durch das Veräußern erfolgreicher Gründungen (Team Europe). Gerade jene Inkubatoren mit wenig Kapital scheinen mir aber oft prädestiniert für merkwürdige Kapriolen um Anteile und Finanzierungen.

Viele unprofessionelle Akteure

Initial ist ein Mehr an Inkubatoren ja auch erst einmal gut, denn Wettbewerb unterstützt das Vorankommen der gesamten Szene, schafft Arbeitsplätze und sät einen gewissen Unternehmergeist in der deutschen Kultur. Man sollte den Hut vor jedem ziehen, der sich aufmacht, unsere Nation um neue Geschäftsideen, Unternehmerpersönlichkeiten und Gründungen zu bereichern. Trotzdem kranken viele vermeintliche Inkubatoren an Overselling und Hochmut. Andere nehmen ihren Gründerteams derweil so viele Anteile ab, dass die gemeinsame Gründung mangels Incentivierung und Verwässerungsschutz schon von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

Immer wieder ist mir dabei untergekommen, dass es vielen Inkubatoren oft nur darum geht, eine Gründung möglichst schnell möglichst groß erscheinen zu lassen, um einen Dummen zu finden, der sie anschließend finanziert. Oliver Samwer nennt das glaube ich ganz gerne „einen dummen Zahnarzt finden“. Es würde wohl viele Gründer schockieren, wenn sie wüssten, wie vielen Inkubatoren es eigentlich nur darum geht, einen namhaften VC dazu zu bringen, eines ihrer Startups zu finanzieren.

Natürlich geht es nicht ohne eine Finanzierung, aber Startups, die ab Tag eins schon ein paar Millionen wert sein wollen, weil sie eine Domain gesichert und einen großen Markt ausgemacht haben, ist skurril. Versucht das mal einem Unternehmer alter Schule zu erklären! „Meine Webseite ist jetzt schon so viel Wert wie ihre fünf Jahre alte Gußeisenfabrik, weil ich viel Wachstumspotenzial habe.“

Aber auch jenseits aller finanziellen Aspekte habe ich in meinen vier Jahren bei Gründerszene an unterschiedlichen Stellen Einblick in zahlreiche deutsche Inkubatoren bekommen und was ich dort erlebt habe, ist ernüchternd, wenn nicht sogar schockierend. Ich habe Kunde von Inkubatoren erhalten, die…

  • für ihr SEO-Wissen viele Anteile einfordern und deren Startups dann hochkant aus dem Google-Index fliegen
  • Ideen auf den Weg schicken, ohne dass es eine wirklich fundierte Vorrecherche gibt,
  • um jedes Prozent feilschen, selbst wenn es um die Bindung ihrer Kernmitarbeiter geht,
  • Versprechen nicht einhalten, Intrigen spinnen und an Modellen festhalten, die so offensichtlich nicht funktionieren,
  • in Gründungen investieren und sie später selbst noch einmal nachbauen oder sogar direkt kopieren,
  • gleich zwei Telefonanschlüsse angemeldet haben, es aber nicht mal merken, weil sie ihre Unterlagen-Ablage nicht im Griff haben,
  • Geschäftsführer einsetzen, die ein Jahr lang ohne Vertrag arbeiten und dafür auch kein Gehalt sehen,
  • kaum Geld in ein Startup tun, ihnen dann aber welches für Miete und die Benutzung des Faxgerätes abnehmen,
  • denen es vollständig an Prozessen, Zielgesprächen und Mitarbeiter-Management fehlt.

Ich könnte diese Liste wahrscheinlich noch um einige Punkte fortsetzen, aber es geht ja hier um das Big Picture und weniger eine vollständige Liste aller Inkubatoren-Vergehen. Unter dem Strich bleibt für mich die Einsicht, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der deutschen Inkubator-Landschaft unprofessionell arbeitet und zu Hochmut und Overselling seiner Dienstleistungen neigt.

Make or Buy ist größtenteils vom Tisch

Zusätzlich zu diesen Faktoren mangelnder Professionalität macht sich auch das veränderte internationale Ökosystem bemerkbar: Das Thema Make-or-Buy-Entscheidung erscheint mir größtenteils vom Tisch. Freilich hängt es vom Modell ab, ob ein Vorbild animiert ist, einen ausländischen Klon seines Geschäfts zu übernehmen. Aber die Zeiten, in denen man schnell ein Alando oder CityDeal aufbaut, um es dann teuer an Ebay oder Groupon zu verkaufen, sind vorbei. Zumindest für die breite Masse und die Mehrheit der Geschäftsmodelle. Johannes Reck hat diesen Umstand ja kürzlich auch ganz passend im Manager Magazin zusammengefasst:

Aber jetzt funktioniert das Pingpong-Spiel, dass sie einen Klon aufmachen und ihn dann wieder zurückverkaufen an das Original in die USA, nicht mehr. Warum? Die machen das nicht mehr. Mir hat kürzlich ein sehr erfolgreicher amerikanischer Startup Unternehmer, der von den Samwers kopiert wurde, gesagt: ‘Das Schlimmste, was man den Samwers antun kann, ist, dass sie Firmen, die sie klonen, langfristig aufziehen müssen. Und genau das tun wir ihnen jetzt an.’

Für die ausländischen Vorbilder deutscher Gründungen hat sich mittlerweile gezeigt, dass ein europäischer Kontrahent viel mehr auch zum Wegbereiter werden kann. Die Abneigung, Klone für viel Geld teuer einzukaufen, wurde nach meinem Gefühl dabei vor allem durch Unternehmen wie LinkedIn oder Airbnb signalisiert, die sich ihren Wettbewerbern Xing und Wimdu lieber offen entgegen stellten. Und betrachtet man die letzten Exits, bei denen dann doch das Vorbild die Kopie übernommen hat (Yelp und Qype, 99Designs und 12Designer oder Care.com und Betreut.de), gibt es – bei allem Respekt – eigentlich keinen Grund für Begeisterungsstürme. Die Bewertungen waren wohl eher überschaubar und der Weg zu einer Übernahme eher steinig als steil.

Inkubatoren behalten dennoch ihre Berechtigung

Bei aller Kritik möchte ich dennoch einen versöhnlichen Ausblick wagen. Ich denke weder, dass Inkubatoren ein Auslaufmodell sind, noch würde ich von einer Zusammenarbeit mit ihnen grundsätzlich abraten. Ich denke nur, dass sich das System als Ganzes weiter entwickelt hat und dies zeigt auch die veränderte Vorgehensweise großer Inkubatoren: Während Rocket Internet sich darauf spezialisiert hat, fortan nicht mehr zahlreiche Modelle direkt nachzubauen, sondern wenige Modelle mit einer Systematik weltweit auszurollen, setzt etwa Project A auf einen kooperativen Ansatz, bei dem mit den fremdländischen Vorbildern kooperiert wird.

Wenn man mal genauer hinschaut, hat sich auch das Personenprofil von Inkubator-Gründern verändert: Mehr und mehr rücken Entwickler, Ingenieure und Berater in den Vordergrund, weniger klassische BWLer oder Quereinsteiger.

Etwas sattelfestere Gründer, die dennoch mit einem Inkubator gründen wollen, sollten also ruhig etwas anspruchsvoller sein und die jeweilige Strategie hinterfragen. Mit dem Zahlen von ein paar Euro, dem Bereitstellen einer warmen Bürostube und ein paar Intros ist es heutzutage nicht mehr getan. Die Daseinsberechtigung eines Inkubators speist sich aus seiner Fähigkeit, Unternehmen schneller, effektiver und gezielter zu gründen als andere. Und dies erfordert eine saubere Prozessarchitektur und aufeinander abgestimmte Systeme – mehr dazu in meinen Kolumnenbeiträgen „10 Dinge, die Rocket besser macht als andere“ und „Ist Project A eine Enttäuschung?“.

Joel Kaczmarek Facebook

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