Bekannte Marken wie Burberry, Tommy Hilfiger oder auch H&M haben den gebürtigen Stuttgarter Marcel Floruss schon angefragt. Sie wollen, dass der Mode-Blogger Teile ihrer Kollektionen präsentiert. Der 24-jährige Floruss wohnt seit über vier Jahren in New York, wo er seine eigene kleine Modeblog-Welt aufgebaut hat. Die zählt zum Beispiel 260.000 Follower auf Instagram.

Davon kann Floruss heute leben. Wie er sein Geld verdient, erzählt er uns im Interview. Außerdem, wie er es geschafft hat, Hater auszuschalten und wie die digitale Männermode-Szene eigentlich funktioniert.

Marcel, stell Dir vor: Wir treffen uns im Aufzug auf dem Weg in den zehnten Stock. Wie würdest du dich in dieser kurzen Zeit vorstellen?

Auf Deutsch? Moment, da muss ich erstmal umdenken… Hi, ich bin Marcel. Geboren und aufgewachsen bin ich in Deutschland. Nach meinem Abitur habe ich zwei Jahre lang getanzt, da ich mich künstlerisch austoben wollte. So bin ich auch nach New York gekommen und habe die Entscheidung getroffen, Familie und Freunde zu verlassen, um hier Mode-Management am FIT [Fashion Institute of Technology] zu studieren. Dann habe ich 2013 meinen Modeblog One Dapper Street gestartet, den ich seitdem betreibe.

Wann hat dein Interesse an Mode angefangen?

So weit ich zurück denken kann, habe ich mich gerne mit dem beschäftigt, was ich anziehe. Schon im Gymnasium, in der Unterstufe, ist mir dann aufgefallen, dass mich Leute darauf ansprachen. Dass, zum Beispiel, meine Uhr ja zu meinen Schuhen passen würde. Da habe ich gemerkt, dass ich da ein Talent habe und Leute inspiriere. Das hat mich schon ermuntert.

Noch während der Ausbildung hatte ich mit meinem besten Freund drei Wochen in New York verbracht, eigentlich, um Tanzkurse zu machen. New York hatte mich schon immer interessiert und ich wollte die Gelegenheit nutzen, um mich über ein Psychologie-Studium an der New York University zu informieren. Nach dieser kreativen Zeit erschien mir das dann aber etwas zu trocken. Das grundsätzliche Interesse an Psychologie und Zahlen, zusammen mit meinem Fabel für Mode und Ausdruck, ließ mich den Studiengang Mode-Marketing finden.

In wie weit hat deine Vergangenheit als Tänzer noch Einfluss auf das, was du jetzt machst?

Hoffentlich demnächst wieder mehr. Ich tanze immer noch sehr gerne. Aber momentan habe ich das leider ein bisschen aus den Augen verloren. Anfangs habe ich an der Uni noch getanzt und dann aufgehört, weil ich mich aufs Studium konzentrieren und nebenbei Geld verdienen musste. Als ich meinen Blog gestartet habe, da habe ich auch ein paar Videos gepostet und Mode und Tanz kombiniert. Jetzt habe ich dafür wieder Zeit.


Wann hast du den ersten Account gestartet?

Im März 2013 habe ich zeitgleich meinen Blog und meine Aktivitäten auf Facebook und Instagram unter dem Namen „One Dapper Street“ eröffnet. Davor hatte ich Facebook ein bis zwei Jahre genutzt, um auf meinem privaten Account sporadisch Fotos zu posten. Aber das war selten und nur zum Test, wie Freunde reagieren. Vielleicht fünf, sechs, maximal zehn Looks im Jahr. Eine größere Rolle dagegen hat Lookbook für mich gespielt. Dort habe ich schon vorher Fotos gepostet und hatte als erstes größeren Einfluss. Einige große Accounts für Männermode, die auf Instagram aktiv waren und dort 500.000 Follower und mehr hatten, haben sich die Modefotos in ihren Posts hauptsächlich auf Lookbook zusammengesucht. Dadurch wurde mein Account sehr schnell populär und als ich meinen Instagram-Kanal gezielt anlaufen ließ, konnte ich sehr schnell viele Follower gewinnen.

Wem folgst du auf Instagram?

Ich folge sehr vielen Bloggern aus der Modeindustrie. Ich hole mir links und rechts Inspiration, von Leuten die ich kenne und welchen, die ich nicht kenne. Und es gibt einen Account von meinem besten Freund. Der insprieriert mich wirklich sehr.

Welche Kanäle benutzt du noch? Wie unterschiedlich nutzt du sie?

Ich sollte wohl eine Medienstrategie haben, wie ich die unterschiedlichen Kanäle benutze und einbinde. Aber eigentlich habe ich keine. Twitter ist nicht so meins, ich drücke mich ungern in 140 Zeichen aus. Facebook nutzte ich eigentlich nicht mehr. Seit der Kommerzialisierung und dem Geld, das man dort für die Posts ausgeben müsste, rentiert sich das einfach nicht und macht keinen Spaß. Instagram hat Facebook völlig ersetzt.

Auf meinem Blog finden sich mehr Text und sämtliche Bilder, er ist detaillierter und enthält Links, wo man die einzelnen Teile kaufen kann. Aber die meisten Leute kommen von Instagram auf meinen Blog. Ich habe jetzt angefangen Snapchat zu verwenden, wenn ich zum Beispiel auf Fashion-Shows bin. Es hat aber eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, wozu das gut ist. Mir gefällt daran, dass man keine Zeit hat, groß was an den Fotos zu ändern oder zu verschönern. So entstehen authentische Eindrücke. Wenn ich jetzt wieder mit dem Tanzen anfange, wird Periscope auf alle Fälle eine Rolle spielen.

Ist es für Männer im Bereich Social Media und Mode als Blogger schwieriger?

Ja und nein. Es ist schwieriger, eine große Zahl an Followern aufzubauen, weil sich deutlich weniger für Männermode interessieren. Aber dafür ist man schneller bekannt. Für Frauen ist es deutlich schwieriger, aus der Masse herauszustechen. Dort geht es viel aggressiver zu. In der Männer-Mode-Blogger-Szene sind alle befreundet, auch wenn wir um die gleichen Jobs werben. In der Szene habe ich Freunde aus der ganzen Welt, die ich auch real getroffen habe. Social Media kann einen aufreiben, wenn man Tag für Tag an seinem Handy hängt. Aber es ist auch etwas Wunderschönes, was Männer weltweit verbindet.

Gehören zu deiner Zielgruppe auch Frauen?

Ja. Aber die folgen mir meistens, weil sie für ihre Freunde nach schöner Mode suchen. Bei mir liegt der Fokus wirklich auf Mode. Die Leute folgen mir nicht, weil ich gut aussehe, wie das bei anderen männlichen Profilen der Fall ist. Das kann man an den Kommentaren, dem Alter und Geschlecht meiner Follower sehen.

Gibt es auch negative Reaktionen?

Heute eigentlich kaum noch. Wenn negative Kritik kommt, dann höchstens wegen des Looks – aber keine persönlichen Beleidigungen. Ich denke, das habe ich mir erarbeitet, weil ich auf alle negativen Kommentare immer konstruktiv geantwortet habe und versucht habe, positiv zu bleiben.

Wie genau verdienst du dein Geld? Kannst du davon leben?

Ja, das kann ich. Hauptsächlich durch Advertorials auf meinen Blog. Ich bekomme von Kunden oder Agenten Anfragen, Artikel zu bewerben. Ob ich das dann mache, hängt davon ab, ob mir die Sachen gefallen und ich sie auch selbst kaufen würde. Die hauptsächliche Entscheidungskraft, wie ich die Sachen präsentiere, liegt dann bei mir. Meine Rolle ist die eines Journalisten, Publishers, Creative Editors, Modells und Fotografen. Hier in New York ist das Social-Media-Marketing so weit entwickelt wie nirgendwo sonst. Die Leute haben den Wert dieser Content-Werbung erkannt und dadurch ist viel Geld da.

Musst du überhaupt noch Klamotten selber kaufen?

Ich müsste nicht. Aber ich kaufe einfach sehr gerne die Kleidung, die ich mag. Ich bin ein physischer Shopper und mir macht es Spaß, mir dabei meine Klamotten selbst zusammen zu suchen.

Wer hat dich bei deinen Anfängen fotografiert? Mit wem arbeitest du heute zusammen?

Das war und ist immer noch fast ausschließlich meine Freundin. Auch sie hat ihren eigenen Modeblog und ich fotografiere sie. Sie ist Deutsche, aber in Toronto aufgewachsen und wir haben uns in New York kennengelernt. Da hatte sie mich als erstes zu einer Lookbook-Party mitgenommen, zu einer Zeit, als ich dort selbst nur passiv aktiv war. Das war für mich ein Highlight, da ich viele meiner Ikonen persönlich getroffen habe. Sie hat mir viel beigebracht.

Ist diese Selbstdarstellung nicht manchmal anstrengend?

Absolut. Gerade in letzter Zeit, da ich mich seit einem Jahr Vollzeit damit beschäftige, habe ich ein bisschen das Gefühl, dass das die Oberhand gewinnt. Ich hatte schon immer ein Problem mit Selbstvertrauen. Mode war daher früher so etwas wie ein emotionale Rüstung für mich. Ich wusste einfach, dass ich mich daran festhalten kann, mich sicherer fühle, wenn ich mich gut anziehe. Für mich ist Mode deshalb kein Statussymbol, sondern eine persönliche Strategie, Selbstvertrauen und dadurch Freiheit zu bekommen. Und das ist auch die Motivation hinter meinem Blog. Ich möchte andere Menschen inspirieren und ihnen positive Energie geben. Ich möchte, dass Menschen anfangen, positiv über sich selbst zu denken und sich selbst durch ihren Stil auszudrücken. Es ist anstrengend, die ganze Zeit in diesem Licht zu stehen. Aber gleichzeitig ist es auch sehr schön, wenn man merkt, dass man damit Leben verändern kann, dass man anderen zur Freiheit verhilft.

Gibt es einen Bereich in deinem Leben, in dem du überhaupt nicht auf Aussehen und Mode achtest?

Naja, ich habe nie eine Pause. Ich muss immer verfügbar sein, ständig Bilder hochladen. Wie jeder Gründer und Unternehmer beschäftigt einen der Job die ganze Zeit, sogar im Schlaf. Das ist eine der Schwierigkeiten. 98 Prozent der Zeit achte ich schon darauf, was ich anhabe und muss auch darauf achten. Es ist mir schon passiert, dass ich im Aufzug meines Hauses Follower getroffen habe. Natürlich kann ich mit der Jogginghose zum Bäcker gehen, aber es sollte schon eine nette Jogginghose sein. Im Allgemeinen mache ich das aber wirklich gerne.

Was ist nach deinem Abschluss am FIT alles passiert? Und wo geht’s hin?

Viel! Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich komplett finanziell unabhängig bin. Das ist ein tolles Gefühl. Ich habe dadurch mehr Freiheit zu reisen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, suche ich gerade nach etwas Anderem. Ich arbeite gerne unter Druck, aber dieses Leben, das ich seit einem Jahr führe, ist zu offen. Das ist eine sehr große Herausforderung für mich. Man muss sich seine ganze Struktur selbst geben und das ist verführerisch. Ich habe vor, mich zukünftig mehr auszulassen und den Fokus auf Tanz und Video zu legen. Unabhängig von One Dapper Street möchte ich einen Videoblog starten, wo es auch mehr um Lebensphilosophie geht. Und mit meinem besten Freund plane ich eine Schuhkollektion.

Titelbild: One Dapper Street