Florida Legacy

Häufig haben Menschen einen, höchstens zwei Berufswechsel im Leben – viele auch gar keinen. Sie bleiben bei einem Arbeitgeber, machen täglich das, was sie gelernt haben. Der Brite Ben Tristem dagegen hat bereits über zehn Mal seine Profession geändert.

Seit er 15 Jahre alt ist, ist Tristem selbstständiger Unternehmensberater. Er studierte Informatik, Physik und Mathe, war Helikopter-Pilot, Broker, Stuntman, Feuerwehrmann, Physiker, professioneller Bergsteiger. Außerdem gründete er in seinem Leben 14 Unternehmen, beispielsweise verkaufte er Wohnmobile oder Zubehör dafür sowie Handys auf Ebay.

Seit drei Jahren bringt er nun Menschen in E-Learning-Kursen das Programmieren von Computerspielen bei. Nach eigenen Angaben hat er mittlerweile 160.000 Schüler aus mehr als 80 Ländern. Hier erzählt er, was ihm die vielen Berufswechsel gebracht haben, warum Scheitern zum Gründen dazugehört und welchen Fehler Unternehmer auf keinen Fall tun sollten.

Wie kam es, dass Du so oft den Job gewechselt hast?

Ich liebe es zu lernen, aber sobald ich dann etwas gut kann, verliere ich das Interesse. Das war bei mir schon immer so. Wenn irgendwann die Lernkurve nicht mehr steil genug war, habe ich mir etwas Neues gesucht. Irgendwann dachte ich mir, dass ich gerne mit meiner Lust am Lernen anderen Menschen helfen will. Die Entwicklung von Computerspielen ist perfekt dafür. Sie erlaubt mir, dass ich beim Lernen lehre und beim Lehren lerne. Ich liebe es.

Was gefällt Dir daran?

Das Coden von Computerspielen verbindet Kunst mit Mathematik mit Geschichtenerzählen. Ein breites Themenfeld. Die Kurse sind etwas für jeden, der Coden auf eine spaßige Art lernen will. Oder der Computerspiele bauen will. 30 US-Dollar kostet so ein Kurs. Dafür bekommt man Lernstoff für 150 Stunden. Aber das ist nur ein grober Richtwert. In den Kursen nimmt sich jeder die Zeit, die er braucht. Immer wieder fordern wir die Kunden auf, das Video zu unterbrechen und eine praktische Übung zu machen.

Was ist der Vorteil von E-Learning gegenüber Lernen in einem Klassenzimmer?

Beim E-Learning kann jeder in seinem Tempo lernen. Einfaches kann man sich schnell aneignen, für Schwieriges mehr Zeit nehmen. Das ist ähnlich wie beim Buchlesen. Im Klassenraum dagegen wird einem die Geschwindigkeit vorgegeben – sie passt dann meist nur zu einer Person, für alle anderen ist sie zu schnell oder zu langsam.

Und welche Nachteile gibt es dabei?

Einer der großen Vorteile kann auch ein Nachteil sein. Man kann beim E-Learnung von überall aus arbeiten. Aber nur wenn man genug Disziplin hat, sich wirklich hinzusetzen, wird das funktionieren.

Was hast Du aus Deinen Unternehmensgründungen gelernt?

Von meinen 14 Unternehmen scheiterten die ersten zehn. Erst die letzten vier waren erfolgreich – und am besten lief bisher das, was ich jetzt mache: die Programmierkurse. Bei den anderen Projekten lag es an meiner Person, dass sie gescheitert sind. Ganz klar: Ich war da nicht die richtige Person, um ein erfolgreiches Unternehmen zu leiten.

Das klingt sehr selbstkritisch.

Ja, ich habe viele Fehler gemacht. Und ich habe sie sehr bereut. Aber es war klar, dass ich trotzdem weitermache. Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Doch im Vorfeld weiß man nicht, was das schwächste Glied ist. Sind es die Finanzen, hat man die richtig aufgestellt? Das Marketing? Die Produktion? Wenn man dann niemanden reinholt, der einem dabei hilft oder sich die Kenntnisse selbst aneignet, wird das Unternehmen scheitern.
Es reicht nicht, eine gute Geschäftsidee zu haben. Die komplette Wertschöpfungskette muss gut sein. Es ist ein Lernprozess, ein Unternehmen zu leiten. Oder wie ich es gerne sage: eine Lernreise.

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Was heißt das?

In der Psychologie unterscheidet man beim Lernen vier Kompetenz-Stadien. Am Anfang weiß man nicht, was man kann oder nicht kann, ob man beispielsweise das Autofahren lernen oder Coden kann. Man ist nicht qualifiziert dafür, sich zu disqualifizieren. Und man hat kein Recht zu sagen, dass man etwas nicht kann – weil man es einfach nicht weiß. Man hat es ja nie versucht. Man befindet sich im ersten Kompetenz-Stadium. Man ist unbewusst inkompetent.

Und dann?

Wenn man einen guten Grund dafür hat, probiert man etwas Neues aus – und gründet beispielsweise ein Unternehmen. Man testet, wie man sich am besten einbringen kann. Man spielt herum. Und man kann sich entspannen: Fehler gehören dazu. Irgendwann weiß man, was man tun sollte, um etwas zu erreichen. Aber man hat noch nicht die Fähigkeit dafür. Das ist Stadium 2: Man ist bewusst inkompetent.

Jetzt konzentriert man sich darauf, das Ziel zu erreichen. In dem Moment sollte man aufhören, herumzuprobieren, sondern durchhalten. Das erfordert einige Anstrengung. Man ist bewusst kompetent – das dritte Stadium.

Und irgendwann ist man am Ziel?

Ja, dann ist man unbewusst kompetent. Man hat sich die Kompetenz aufgebaut, die man braucht, um etwas richtig gut zu machen. Es geht einem leicht von der Hand. Man wird mulitaskingfähig, weil man die Aufgaben schon so oft gemacht hat. Und man kann sie anderen beibringen. Meistens ist mir, wenn ich diesen Punkt erreicht hatte, langweilig geworden. Es gab keine Herausforderung mehr. Dann brauchte ich die Perspektive, dass ich eine neue Herausforderung finden kann.

Was könnte eine solche neue Herausforderung zum Beispiel für Gründer sein?

Sie nehmen sich in so einem Fall häufig vor, zu expandieren. Oder sie konzentrieren sich darauf, wie sie mit ihrem Team umgehen, ändern dort vielleicht etwas. Oder sie machen neue Investments. Es gibt eine Menge neuer möglicher Herausforderungen. Wichtig ist, dass sie weitermachen, wenn etwas mal nicht klappt. Und zwar möglichst ohne zu viele Narben. Nur so bleibt man flexibel.

Wie soll das gehen?

Es ist wichtig, an Herausforderungen spielerisch heranzugehen. Und man muss sich immer bewusst machen, dass es das Produkt oder Geschäftsmodell ist, das die Kunden nicht wollen – und nicht man selbst. Sogar wenn man beratend tätig ist, ist es die Beratung, die nicht gut ankommt und nicht man selbst als Person. Man darf das nicht persönlich nehmen.

Das klingt schwer, vor allem wenn eine Dienstleistung kritisiert wird.

Letztlich zählt, was man über sich selbst denkt. Man sollte sich nichts von außen einreden lassen. Es ist wichtig, dass man Dinge tut, die das Selbstbewusstsein stärken. Ein Beispiel: Wenn man sich entscheiden kann, ob man den Lift oder die Treppen nimmt, entscheiden sich viele für ersteres. Es scheint ihnen im Moment einfacher, den Lift zu nutzen. Aber auf lange Sicht zahlt es sich vielleicht eher aus, die Treppen hoch zu laufen. Man fühlt sich so fitter und das steigert wiederum das Selbstbewusstsein.

Was rätst Du Gründern, wie sie erfolgreicher sein können?

In vielen Firmen sind Menschen spezialisiert auf eine Sache, sie arbeiten immer nur in dem Bereich. Besser aber ist, wenn Arbeitnehmer an der kompletten Wertschöpfungskette teilhaben können. Dafür müssen sie sich gegenseitig über Ideen und Kenntnisse austauschen. Dadurch fühlen sie sich für das gesamte Produkt zuständig, sie lernen mehr und sind zufriedener. Und das merken letztlich auch die Kunden. Also: Gebt den Mitarbeitern mehr Verantwortung!

Bild: Ben Tristem