Lena Felixberger
Lena Felixberger Descape-Gründerin Lena Felixberger

Eigentlich hatten wir doch gar keine Lust auf einen Schreibtisch-Job. Und dann kam es für viele von uns doch so. Nun will ein Berliner Startup Abwechslung schaffen – arbeiten im Handwerk oder in der Natur soll den Kopf freimachen und motivieren. Zusammengesetzt aus den Worten „desk“ und „escape“ will Descape die Schreibtischflucht ermöglichen. Dafür bieten sie etliche Möglichkeiten. Ob zum Schuster oder in die Destille, zum Chocolatier oder doch auf die Plantage.

Gründerin Lena Felixberger stemmt das Startup gemeinsam mit ihren Mitgründern Heiko Strubel und Jens Ehne zu dritt. Bald erwartet Lena ihr erstes Kind. Angst Familie und Job unter einen Hut zu bekommen hat sie nicht. Ganz im Gegenteil. Im Gespräch verrät sie warum Arbeit auch Ausgleich sein kann und Gründen ihr Privatleben nicht einschränkt.

Lena, wie ist die Idee zu Descape entstanden?

Ich hatte immer schon ein sehr großes Interesse an anderen Berufen. Viele kennen die Situation: Man steht abends in einer Bar und unterhält sich mit jemandem. In Deutschland ist dann der klassische Icebreaker: „Und was machst du so?“ Gemeint ist dann immer der Beruf. Ich fand die Jobs der anderen oft super spannend und war neugierig, wie der Berufsalltag von einem Winzer oder Arzt mir da gegenüber aussieht.

Definiert man sich also zu sehr über den Job?

Dass man nicht mehr wirklich die Möglichkeit hat, etwas anderes zu machen, sobald man seinen Weg eingeschlagen hat im Berufsleben, empfand ich als sehr limitierend. Immer mehr Sharing-Economy Dienste wie Airbnb oder Carsharing kommen auf den Markt – das zeigte uns: Es gibt da draußen Ressourcen wie freie Wohnungen, Autos oder in unserem Fall Berufe. Warum also diese Ressourcen nicht nutzen?

Wie sind die Rückmeldungen von Euren Kunden?

Zum Glück durchweg positiv. Manche Kunden haben in ihrem eigenen Job oft das Gefühl, dass sie gar nicht so genau wissen was sie am Tag  geschafft haben, weil die Arbeitsprozesse zu komplex geworden sind. Für sie ist es dann sehr erfüllend, mal ein paar Tage zu einem Tischler zu gehen und am Ende den selbst gebauten Schreibtisch mit nach Hause zu nehmen.

Wonach wählt Ihr die Orte für Descape aus?

Wir bieten über 60 verschiedene Descapes an, das bedeutet über 60 Berufe zum Reinschnuppern. Dafür stehen wir sehr stark im Austausch mit unserer Community. Auf unserer Seite kann man direkt Wünsche angeben zu Jobs, in die man gerne einmal hineinschauen würde. Einige Betriebe wenden sich auch direkt an uns. Gerade im Handwerk brennen viele voller Begeisterung für ihren Job und haben auch Freude daran ihr Wissen und Können zu vermitteln.

Worauf achtet Ihr bei der Auswahl?

Darauf, dass man innerhalb eines Tages in die neue Arbeitswelt eintauchen kann und nicht erst lange eingearbeitet werden muss, um den Job zu verstehen.Es muss genügend Raum zum Mitmachen und selbst Anpacken geben. Besonders gut eignen sich natürlich Berufe aus dem traditionellen Handwerk oder aber auch alles, was mit Essen und Trinken zu tun hat, wie in einer Brauerei.

Wie kann die Descape Erfahrung mit dem normalen Leben verbunden werden? Muss man dafür Urlaub nehmen?

Freelancer können sich die Zeit eher flexibel einteilen, aber auch wer fest angestellt ist, kann ohne Problem das Wochenende in einer Werkstatt verbringen. Wie lange ein Descape dauert, können Anbieter und Kunde zusammen festlegen. Das kann nur ein Tag sein oder sogar mehrere Wochen. Einige Descapes finden im Ausland statt, das könnte man mit einem Urlaub verbinden. Dann kann man eine Woche am Pool liegen und in der zweiten Woche Land und Leute noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive kennenlernen, indem man beispielsweise bei einem Olivenbauern arbeitet.

Wie finanziert ihr euch momentan und wie wollt Ihr profitabel werden?

Momentan sind wir noch eigenfinanziert. Uns war es wichtig erst einmal zu prüfen, ob die Idee funktioniert. Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir sehen, dass es läuft. Momentan läuft darum auch die erste Investorenrunde. Profitabel werden wir vermutlich nicht gleich morgen. Denn die Anbieter legen den Preis für ihr Descape selbst fest, und der Großteil kommt natürlich auch ihnen zugute. Von dem Gesamtpreis geht dann eine Vermittlungsprovision an uns.

Du bist zurzeit hochschwanger. Wie regelst Du den Spagat zwischen Familie und Unternehmen?

Ich empfinde das eigentlich eher als eine vorteilhafte Situation. Dadurch, dass ich in meiner eigenen Firma arbeite, kann ich mir die Zeit selber einteilen. Als Arbeitnehmerin hat man natürlich den Vorteil, dass solche Angelegenheiten wie Elternzeit klarer geregelt sind, mich schränkt das aber nicht ein. Denn ich habe ein tolles Team um mich herum, sodass ich mir da gar keine Sorgen mache. So kann ich sehr flexibel arbeiten und auch mal Aufgaben am Wochenende oder abends übernehmen, wenn mein Freund sich dann um das Kind kümmern kann.

An welchen Ort würdest du gerne vom Schreibtisch flüchten?

Das Descape, das ich gerne machen würde, müssen wir noch finden, denn mein Traum wäre es für einen Tag Restaurator zu sein. Ich finde es total spannend, wie Fresken mit Hingabe erst freigelegt und dann wieder restauriert werden. Ich habe gar keine Ahnung von dem Beruf, aber genau deswegen würde ich das sehr gerne mal ausprobieren.

Bild: Descape