4hundred-Gründerin Ilona Ludewig
4hundred-Gründerin Ilona Ludewig

Nie stehen bleiben. Das, erzählt Ilona Ludewig, ziehe sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Als die Starnbergerin 2016 ihr Ökostrom-Startup 4hundred gründete, hatte sie bereits eine Strategieberatung, eine bilinguale Schule und eine Bioleder-Firma gestartet.

Die Vielfalt der beruflichen Stationen ist Ludewig wichtig. So eine „Portfolio Career“ sei die Zukunft der Arbeit, sagt sie. Noch ist sie mit einem Weg wie diesem aber ein Exot – es ist weder gang und gäbe, dass jemand alle paar Jahre das nächste Startup gründet, noch, dass dieser jemand eine Frau und Mutter ist: Seit sechs Jahren ist der Anteil der Gründerinnen nicht über 17 Prozent gestiegen. Grund genug, mal genauer bei der Frau nachzuhaken, die aus dem Durchschnitt fällt.

Ilona, wann hast Du zum ersten Mal gemerkt, dass der klassische Karriereweg nicht der richtige für Dich ist?

Ich habe so angefangen, wie einem die Eltern das empfehlen: bei einer großen Firma einsteigen. Nach acht Jahren im Großkonzern (Ludewig begann ihre Karriere bei Siemens, Anm. d. Red.) brauchte ich eine neue Aufgabe, die meinen Geist so richtig anspornt. Ursprünglich bin ich ein sehr kreativer Mensch. Das wollte ich im Beruflichen mehr einbringen.

Deine Gründungen klingen erst einmal sehr verschieden – eine Schule, Bioleder, Ökostrom. Gibt es da einen roten Faden?

Der Gedanke, dass man sowohl geschäftlich erfolgreich sein als auch nachhaltige Produkte anbieten kann, spielt bei jeder Gründung eine Rolle – auch jetzt bei 4hundred. Ich möchte niemanden abzocken, sondern langfristig etwas Gutes bieten.

Wie gehst Du damit um, ständig in ein neues berufliches Umfeld geworfen zu werden?

Ich finde es sehr spannend und inspirierend, ständig etwas Neues zu machen. Das Schöne ist, dass man Erfahrungen aus anderen Gebieten auf neue Bereiche übertragen kann. Ich sehe immer Parallelen. Die Prinzipien, die bei mir wichtig sind – die eben angesprochene Nachhaltigkeit und der Innovationsgedanke – kann man in jedem Bereich einbringen.

Auch wenn gewisse Aspekte übertragen werden können: Die Branche zu wechseln, obwohl man sich nicht darin auskennt, traut sich nicht jeder.

Ich würde sagen: Hab’ einfach den Mut und mach es. Gesellschaftlich ist so ein Wechsel heutzutage auch eher akzeptiert als früher. Ich persönlich finde, dass eine Portfolio Career die Zukunft der Arbeit ist. Einfach zwanzig Jahre in die gleiche Richtung rennen, geht heute nicht mehr. Dazu verändert sich heutzutage zu viel. So beweist man auch, dass man anpassungsfähig ist und sich immer wieder neu orientieren kann.

Wirst Du irgendwann ankommen?

Das kann ich mir schon vorstellen. Es ist nicht so, dass ich durch die Gegend laufe und ständig nach der nächstgrößeren Sache Ausschau halte. Natürlich finde ich es schön, wenn etwas gut klappt und ich mich mal zurücklehnen kann. Immer auf und ab zu springen und nicht entspannen zu können, ist nicht meine Art. Aber wenn mir zufällig eine gute Idee über den Weg läuft, freue ich mich.

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Woher kam Dein Wunsch, Dich in Deinem Leben vor allem beruflich entfalten zu wollen?

Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich glaube, bei mir ist es Familienhistorie: Meine Eltern haben ihr ganzes Leben gearbeitet. Ich weiß, das Geld wächst nicht auf den Bäumen und finde es wichtig, das auch meinen Kindern mitzugeben. Das Familienleben allein wäre definitiv nichts für mich. Ich möchte, dass meine Kinder mehr von mir wissen als dass ich ihre Socken falte. Ich kann auch andere Dinge.

Hast Du schon negative Kritik für Deine Berufstätigkeit bekommen?

Ich persönlich wurde zwar noch nie so genannt, aber im Kontext arbeitender Mütter taucht immer wieder das Wort Rabenmutter auf. Das finde ich unglaublich gemein. Ich arbeite sehr gerne mit Müttern, weil sie extrem organisiert sind. Sie sind effektiv und wissen, wie sie ihre Prioritäten setzen. Für langes Herumgerede haben sie einfach keine Zeit.

Mit Deinem Startup 4hundred vertreibst Du Ökostrom – auch keine klassische Frauenbranche. Sind in Deinem Team noch andere Frauen?

Ja, eine.

Würdest Du Dir wünschen, dass es noch mehr sind?

Ich wünsche mir die richtigen Menschen. Ich würde natürlich, wenn ich zwei vergleichbare Profile habe, eher die Frau wählen als den Mann. Für die ist es im Leben doch immer noch ein bisschen schwieriger.

Was meinst Du damit?

Männer haben es im Leben immer noch leichter – das ist einfach so. Allerdings kann man das Frausein auch zu seinem Vorteil nutzen. Ich bin oft bei Veranstaltungen, wo ich fast die einzige Frau bin. Das Schöne daran ist, man fällt eher auf und geht nicht so in der Masse unter.

War Dir das Frausein denn mal eine Hürde?

Am Anfang meiner beruflichen Laufbahn habe ich gemerkt, dass es in einer männerdominierten Branche doppelt schwierig ist, wenn man jung ist und eine Frau. Männer wissen genau, wie sie miteinander reden und können abends mal einen trinken gehen. Das machst du als Frau nicht so schnell. Ich habe dann versucht, mehr Hosen zu tragen. Das mache ich heute mit Absicht nicht mehr. Ich bin eine Frau und das finde ich auch gut so – ich habe für mich entschieden, mir treu zu bleiben und mich nicht zu verstellen. Ich muss allerdings zugeben, dass die Zusammenarbeit mit Männerteams teilweise einfacher ist.

Inwiefern?

Dadurch, dass sich Frauen in einem Männerumfeld so extrem anstrengen müssen, kann es, wenn mehrere Frauen zusammentreffen, zu Rivalität kommen: Wer ist die Frau, die es in der Männerwelt schafft?

Hast Du auch schon das Gefühl gehabt, Dich gegen andere Frauen durchboxen zu müssen?

Ja, schon. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es nicht nur um die Fakten geht, sondern eher, wer die Schönste im ganzen Land ist (lacht).

Glaubst Du, dass Dein Geschlecht jetzt, wo Du auf eine Karriere zurückblicken kannst, weniger Thema ist?

Auf jeden Fall. Inzwischen weiß ich, was ich kann und wofür die Leute mich schätzen. Da geht es mehr um den Menschen Ilona als um mein Geschlecht. Ob es in der Karriere einen Unterschied macht, ob man eine Frau ist oder nicht, kann ich aber nicht pauschal beantworten. Es kommt auf so viele verschiedene Dinge an. Ich kann immer nur sagen, Leute, macht euch Mut und legt euch einfach ins Zeug. Es kommt auf eine gute Idee an – egal, ob man Frau oder Mann ist.

Bild: Ilona Ludewig