Die Autovermietung baut eine eigene Mobilitätsplattform.

Nico Gabriel leitet bei Sixt den Bereich Sixt X. Unter dem Namen will die Autovermietung neue Mobilitätsangebote entwickeln. Nach dem Abschied aus der mit BMW gemeinsam betriebenen Carsharing-Plattform hat Sixt im Frühjahr angekündigt: Noch in diesem Jahr werde eine neue Plattform für Mobilität eingeführt, die Dienste wie Carsharing, Autovermietung und Transferservices bündle. 

Diese könnte mit dem geplanten Carsharing-Riesen Car2Go (Daimler) und DriveNow (BMW) konkurrieren. Gabriel kennt die Wettbewerber – zumindest zur Hälfte – sehr genau. Bevor er seinen Posten bei Sixt antrat, führte er die Geschäfte von DriveNow. Im Interview erzählt er unter anderem, warum er nichts (mehr) von Freefloating-Carsharing hält und welche Probleme er für die Allianz der Wettbewerber Car2Go und DriveNow sieht.

Herr Gabriel, was verbirgt sich hinter Sixt X?

Mit einem Team von derzeit 20 Mitarbeitern entwickeln wir momentan Blueprints für neue Geschäftsmodelle rund um das Thema New Mobility. Skaliert werden diese dann später in den Fachabteilungen.

Was ist das erste Projekt?

In den nächsten Monaten rüsten wir zunächst unsere Flotte in Deutschland mit Telematik-Einheiten aus. Das ermöglicht unseren Kunden beispielsweise, das Mietauto per App aufzuschließen. Bewährt sich das neue System, wollen wir langfristig unsere 200.000 Fahrzeuge weltweit damit ausstatten.

Was ist noch geplant?

In einem zweiten Schritt sind weitere Services geplant, die durch die Telematikbox im Fahrzeug möglich werden. Wir entwickeln derzeit eine Plattform, an die sich solche Dienste anknüpfen lassen.

Welche könnten das sein?

Da darf ich noch nicht viel verraten. Grundsätzlich gilt aber: Alles, was derzeit unter den Labeln „Shared-mobility“ und „New Mobility“ läuft, könnten wir als Autovermietung auch anbieten. Unterm Strich zielen private Fahrdienste, Automobilhersteller und Co. doch alle auf ähnliche Produkte ab. Der Unterschied besteht darin, wie sie genannt und gemanagt werden.

Wie schnell so etwas geht, hängt vor allem an guten IT-Fachkräften.

In der Tat. Momentan beschäftigen wir insgesamt 450 Mitarbeitern im In- und Ausland, 150 davon in Deutschland. In den Entwicklungszentren bringen wir das Mietvertragssystem und die -abwicklung auf den neuesten Stand.

Was bedeutet das?

Wir arbeiten beispielsweise daran, künstliche Intelligenz in unsere Preis-, Routen- und Yieldsteuerung (Ertragsmanagement, Anmerk. d. Red.). zu integrieren. Dazu gibt es erste Projekte, die erfolgsversprechende Ergebnisse zeigen.

Setzt Sixt bei den Digitalisierungsprojekten ausschließlich auf das eigene Know-how? Oder holt ihr euch Partner dazu?

Wir sind sehr Inhouse-lastig (lacht). Ausnahmen gibt es natürlich, dazu zählen zum Beispiel Lösungen für die Führerscheinkontrolle, die vor jeder Fahrzeugleihe nötig ist. Prinzipiell sind wir aber überzeugt: IT und Software müssen wir selber verstehen und kontrollieren. Das sind unsere Assets, auf dieser Grundlage sind wir profitabel. Und nur so können wir die Wünsche unserer Kunden verstehen – und die ändern sich ständig.

Konkurrent Avis hat das Flottenmanagement für die autonomen Fahrzeuge der Alphabet-Tochter Waymo übernommen. Wäre das auch ein denkbares Geschäftsmodell für Sixt?

Nein, aktuell nicht. Wir wollen uns nicht im Rahmen von Partnerschaften an einen Wettbewerber binden.

Warum sind Sie nach dem Ausstieg von Sixt beim Carsharing-Anbieter DriveNow zurück zu Sixt gegangen? Und nicht bei DriveNow geblieben?

Das hat vor allem persönliche und familiäre Gründe. Zudem bin ich davon überzeugt, dass Sixt das Potenzial hat, künftig eine entscheidende Rolle im Mobilitätsmarkt zu spielen. Das möchte ich mitgestalten.

Und aus fachlicher Sicht?

Daimler und BMW können mit ihrer Strategie sicherlich sehr erfolgreich werden. Aber es gibt auch Risiken. Dazu zählen die interne Konzernpolitik und kartellrechtliche Fragen. Eine weitere Herausforderung ist, die unterschiedliche Kultur und die IT-Systeme zusammenzuführen.

Von der Idee eines Free-Floating-Carsharings hat sich Sixt damit ganz verabschiedet?

Ja. In dem Segment sehen wir klare Grenzen für das Geschäftsmodell. Aus meiner Erfahrung von DriveNow weiß ich: Carsharing ist nicht skalierbar. Zumindest, wenn es nachhaltig betrieben, also eine hohe Auslastung erreicht werden soll. Dafür müsste das Geschäftsmodell erweitern werden, indem beispielsweise mit den Fahrzeugen auch Fahrten ins Umland möglich sind oder eine Ausleihe übers Wochenende.

Sixt-X-Bereichsleiter Nico Gabriel.

Trotzdem drängen viele Anbieter in diesen Markt. Gerade erst hat VW ein neues Carsharing angekündigt.

Das Teilen von Autos gilt als umweltfreundlich – und verleiht den Unternehmen, die es anbieten, einen grünen Anstrich. Ob tatsächlich Geld damit verdient wird, spielt eher eine untergeordnete Rolle.

Was halten Sie denn von E-Fahrzeugen? Erich Sixt hat sie in einem Interview als „katastrophalen Fehler“ bezeichnet.

Ich sehe das pragmatisch. Schon bald wird es Fahrzeuge geben, die den Anwendungsfall der Autovermietung bezüglich Reichweiten abbilden können. Dadurch werden Kunden vermehrt danach fragen – dann werden wir auch den Anteil von E-Autos in unserer Flotte erhöhen. Schon heute loten wir aus, wie sich die Infrastruktur dafür bereitstellen lässt und schauen uns beispielsweise mobile Lösungen an. In dem Bereich arbeiten wir auch mit Startups zusammen.

Sixt-Vorstand Konstantin Sixt hat in das Hamburger Ridepooling-Startup Wunder investiert. Seht ihr auf dem Markt mit digitalen Shuttlebussen eine Zukunft für euch?

Derzeit nicht. Das ist ein Nischenangebot, das in der Strategie des Unternehmens derzeit keine Rolle spielt. Insofern ist es für uns aktuell kein Thema.

Wie viel Startup steckt eigentlich in Sixt X?

Unsere Abteilung ist so etwas wie ein Startup innerhalb des Konzerns. Wir arbeiten agil und orientieren uns an der Arbeitsweise der IT-Abteilungen. Außerdem haben wir viele Teammitglieder aus den verschiedensten Branchen. Die bringen neue Sichtweisen und Know-How ein. Im August werden wir außerdem die neuen Räumlichkeiten in unserem Headquarter in Pullach bei München beziehen. Diese werden deutlich moderner aufgebaut und ausgestattet sein. Das bringt neue Sichtweisen ein. Im August beziehen wir außerdem unser neues Headquarter in München. Das wird deutlich moderner aussehen als das jetzige.

Bild: Getty Images / Chesnot; Sixt