Mareike Awe und Marc Reinbach, Gründer von Intueat beim Ideenwettbewerb der Stadt und Uni Düsseldorf

„Intuitiv essen lernen ist ein bisschen wie Auto fahren lernen“, heißt es am Anfang der zweiten Lektion zur zweiten Woche des Programms. Vier Monate soll es dauern, bis man lernt, auf seinen Körper zu achten und automatisch gesund zu essen. Das soll zu einer natürlichen und langfristigen Gewichtsreduktion führen, sagen die Macher von Intueat – sie sind beide Düsseldorfer Medizinstudenten im zehnten Semester. Ihr Unternehmen haben sie vor einem Jahr gegründet. Seitdem haben fast 250 Menschen an dem Online-Kurs teilgenommen, sagen die beiden Gründer. Mareike Awe und Marc Reinbach beschäftigen zwei Mitarbeiterinnen für die Kundenbetreuung – finanziert haben sie das Startup bisher ausschließlich selbst.

„Am Anfang kommt Dir alles ganz neu vor und Du musst ständig an die neuen Grundsätze denken. Du machst Fehler und ,würgst auch mal ab´ – aber Du machst den Motor immer wieder an.“

Der Anstoß zum eigenen Startup kam aus einer selbst gemachten Erfahrung: Mareike Awe, sie ist inzwischen 23 Jahre jung, war nach eigenen Aussagen „immer ein schlankes Kind“. In ihrer Jugend machte sie sehr viel Sport – doch zum Studium hin wurde das weniger und sie ärgerte sich über die Kilos, die sie daraufhin zunahm. Da entdeckte sie in Fachbüchern ein vielversprechendes Gegenmittel: „Intuitiv essen“. Damit konnte sie auch ihren Kommilitonen und Mitgründer Marc Reinbach begeistern. „Ich habe Mareike im ersten Semester kennengelernt, als sie gerade ihre Nutella-Phase hatte“, erzählt der 24-Jährige. „Und sie nahm trotzdem ab!”

Durch ihr Medizinstudium und die Schwerpunkte ihrer Doktorarbeiten hatten sie beide mit übergewichtigen Patienten zu tun, deren gesundheitliche Probleme von dem zu hohen Körpergewicht verstärkt wurden. „Wir haben uns gefragt, wie wir diesen Menschen beim Abnehmen helfen könnten. Die meisten hatten bereits mehrere Diäten hinter sich und schafften es nicht, dauerhaft abzunehmen“, erklärt Awe. Die Fachbücher und Studien, mit denen sie sich selbst zum Abnehmen beschäftigt hatte – und mit denen sie Erfolg hatte – waren nicht anwenderfreundlich aufbereitet. So starteten sie nebenher ihr eigenes Projekt: Einen Online-Kurs, der intuitives Essen vermitteln sollte.

„Wann immer Du Dir etwas verbietest, wird es umso interessanter und Du verlierst leichter die Kontrolle über Dein Essverhalten.“

Die beiden arbeiteten wissenschaftliche Materialien zu einem Handbuch in leicht verständlicher Sprache um und Mareike nahm Audiotrainings auf, die sie anfangs selbst einsprach. Denn die regelmäßige Wiederholung von Gedankengängen trägt zu ihrer Festigung bei. Diese Sequenzen sind mit tranceartigen Klängen untermalt und sollen zu einer Tiefenentspannung führen. Doch das Training sei keine Hypnose, betont Reinbach. Das mentale Training funktioniere ähnlich wie das, welches Leistungssportler benutzen, um zu besseren Ergebnissen zu kommen. Bei dem Training hören die Teilnehmer Sätze wie:

„Du möchtest dein Wohlfühlgewicht auf eine gesunde und sichere Art erreichen, indem Du lernst den natürlichen Bedürfnissen Deines Körpers intuitiv zu folgen. Stell dir einmal vor, wie Du dich fühlst, wenn Dein Körper vollständig versorgt ist.“

„Ganz am Anfang – das war im Januar 2015 – haben wir uns im Bekanntenkreis eine Pilot-Gruppe aus zehn Teilnehmern zusammengesucht und unser, damals noch minimalistisches, Programm ausprobiert“, erzählt Reinbach. Das kam gut an und die beiden gewannen darauf hin den Publikumspreis eines Ideenwettbewerbes der Stadt und Universität Düsseldorf. „Da wussten wir, dass wir gründen müssen.“

Das 16-wöchige Programm, das die beiden seitdem entwickelt haben, greift aber nicht nur auf diese Methode zurück. Es besteht aus wöchentlichen PDF-Lektionen, die je ein Schwerpunktthema haben. Zum Beispiel, den „Körper-Hunger“ vom „Geist-Hunger“ unterscheiden zu lernen. Zu dem Thema kommt eine Audio-Wochenend-Sitzung von einer halben Stunde und tägliche, fünfminütige Trainingseinheiten zur Festigung. Die Teilnehmer bekommen darüber hinaus ein Tagebuch, in dem sie ihr Wohlbefinden und ihre Fortschritte täglich notieren können.

„Nun hast Du Deine Wahl getroffen und isst das Brötchen. Doch was folgt vielleicht dann? Greifst Du danach doch noch zum Croissant? Was ich dir damit sagen möchte, ist, dass du eigentlich von Anfang an am meisten Lust auf das Croissant hattest.“

Den ersten professionellen Durchlauf starteten die beiden dann im August letzten Jahres – mit 30 Teilnehmern für 179 Euro. „Doch im Gespräch mit erfahrenen Gründern bei Startup-Weekend wurde uns gesagt, dass unser Preis viel zu niedrig sei“, so Awe. So holten sich beiden mit dem Geld aus dem ersten Programm-Durchlauf und eigenen Rücklagen zwei Mitarbeiterinnen an Board. Denn die Unterstützung ihrer Teilnehmer, sei es am Telefon oder per Mail, sollte Priorität haben. Gleichzeitig professionalisierten sie die Lehrmaterialen und gaben ihnen mehr Feinschliff.

„Da Durst sich manchmal wie körperlicher Hunger anfühlen kann, empfehlen wir Dir, bewusst ein frisches Glas Wasser zu trinken, wenn Du denkst, dass Du Körper-Hunger verspürst.“

Im Januar begannen schließlich 80 Teilnehmer – 90 Prozent Frauen – für 379 Euro, um in 16 Wochen intuitives Essen zu lernen. Eigentlich seien die Lehrmaterialen nicht an einen bestimmten Starttermin gebunden, da das Kursprogramm komplett digital ist. „Doch aus technischen Gründen, besonders wegen der regelmäßigen Motivations-Emails, die wir verschicken, mussten wir das anfangs so organisieren“, so Reinbach. Was zu Beginn eine technische Notwendigkeit war, stellte sich schnell als Positivfaktor heraus. Denn die Teilnehmer seien dadurch motivierter gewesen, zusammen mit einer „Online-Community“ zu starten. Auf der Webseite können sie sich regelmäßig austauschen. Dort gibt es auch aktuelle Tipps, zum Beispiel, wenn zu Ostern und anderen Feiertagen die sinnlose Völlerei droht.

Seit diesem Mai haben wieder 130 Menschen bei Intueat mit ihrem Training begonnen. Einige haben sich nur für einen Schnuppermonat angemeldet und können sich danach noch entscheiden, ob sie die vollen vier Monate mitmachen wollen. Reinbach und Awe wollen die Frequenz der Kursdurchläufe bald erhöhen. Obwohl sie zwei Mitarbeiterinnen beschäftigen, fahren sie schon erste Gewinne ein.

Zeit für die Uni bleibt dabei wenig. Trotzdem wollen beide das Studium beenden und bald ihre Doktorarbeiten abgeben. Doch Reinbach ist sich sicher: „Mit Intueat können wir viel mehr erreichen als ein Arzt in der Klinik.“

Bild: Intueat