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Ein Beitrag von Fabian Hentschel, Rechtsanwalt im Bereich Tax des deutschen Büros von Morrison & Foerster LLP.

Bundesregierung reagiert auf Startup-Forderungen

Der INVEST – Zuschuss für Wagniskapital (anfangs: „Investitionszuschuss Wagniskapital“) wird seit Mai 2013 angeboten und soll Investitionen in Startups fördern. Er richtet sich insbesondere an Business Angels, die in ihrem Investment an Startups bis zu einer Höhe von 20 Prozent vom Staat unterstützt werden. In dieser Höhe wird dem Investor die geleistete Investitionssumme in Geschäftsanteile eines jungen Unternehmens nach dessen Gründung zurückerstattet. Nach Ablauf einer Mindesthaltedauer von drei Jahren darf er den Zuschuss auch endgültig behalten.

Die Bundesregierung kündigt nun in einer Antwort (BT-Drs. 18/1266) auf eine Kleine Anfrage einiger Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 18/1074) an, diesen Zuschuss steuerfrei zu gewähren. In der Antwort nimmt die Bundesregierung auch konkret Stellung zu weiteren steuerpolitischen Themen, die die Startup-Szene bewegen und die bisher auf Grundlage des Koalitionsvertrages eher vage geblieben sind. Der folgende Beitrag stellt diese steuerpolitischen Forderungen aus der Startup-Szene und die jüngste Äußerung der Bundesregierung dazu kurz vor und bewertet abschließend die offiziellen Äußerungen.

Forderung nach Steuerfreiheit des INVEST – Zuschusses für Wagniskapital

Durch INVEST werden private Investoren bis zu einer Höhe von 20 Prozent des Ausgabepreises ihrer Beteiligung gefördert, wenn die Beteiligung für mindestens drei Jahre gehalten wird und gesetzlich festgelegte Schwellenwerte eingehalten werden. Die Förderung erfolgt durch eine direkte Erstattung des Investitionsbetrages in dieser Höhe an die Investoren. Den mitunter in Startup Szenen anderer Länder anzutreffenden Steuergutschriften sind solche direkten Zuschüsse insofern überlegen, als sie sehr frühzeitig für die benötigte Liquidität sorgen können.

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Für Unsicherheit und Unmut in der Branche sorgte jedoch die ertragsteuerliche Behandlung des Zuschusses, da dieser bisher – mangels flankierender gesetzlicher Vorschriften oder abweichender Verwaltungspraxis – nicht steuerfrei vereinnahmt werden konnte. Die Bundesregierung kündigt nun an, die Anreizsetzung des INVEST-Zuschusses noch zu verstärken und zeitnah eine Befreiung von jeglichen Ertragsteuern einzuführen.

Forderung nach unbegrenzter Verrechnung von Anlaufverlusten mit späteren Gewinnen

Gerade in der Startphase von kapitalintensiven Startups entstehen oft beträchtliche steuerliche Verlustvorträge. Der Untergang dieser Verluste droht bei Finanzierungsrunden in Frühphasen dadurch, dass die Neubeteiligungen der Investoren gemäß § 8c KStG gegebenenfalls als sogenannte „schädliche Beteiligungserwerbe“ einzuordnen sind.

Zwar sieht die betroffene gesetzliche Vorschrift grundsätzlich von einem Verfall der laufenden Verluste und Verlustvorträge ab, wenn zum Zeitpunkt des „schädlichen Beteiligungserwerbs“ genügend sogenannte stille Reserven zur Deckung der Verluste vorhanden sind. Allerdings ist es gerade im Wagniskapitalbereich nicht selten, dass solche stillen Reserven in der Frühphase mangels planbarer Geschäftsaussichten überhaupt nicht vorhanden sind oder die Bewertung der Höhe der stillen Reserven frühes Konfliktpotential zwischen Startup und Investoren schafft.

Vor diesem Hintergrund fordert die Branche eine gesetzliche Privilegierung der Verlustvorträge von Startups bei der Verrechnung mit späteren Gewinnen. Die Bundesregierung gibt sich zu diesbezüglichen Plänen ausweichend. Sie verweist grundsätzlich auf die Rettungsmöglichkeit durch vorhandene stillen Reserven. Im Übrigen müsse ein Urteil des Europäischen Gerichts über die Unionsrechtswidrigkeit des § 8c KStG abgewartet werden, bevor eine Reform auch unter Berücksichtigung berechtigter Interessen der Startup-Branche wieder auf die Agenda gesetzt werden könne.

Forderung nach Umsatzsteuerfreiheit der sogenannten Management Fee

Spätestens seit einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen aus dem Jahr 2007 gilt eine umfassende Umsatzsteuerpflicht auf die Management-Fee eines VC-Fonds an dessen Management. Die Frage, ob es sich dabei um Gesellschafterbeiträge oder einen entgeltlichen Leistungsaustausch handelt, wurde umfassend zugunsten Letzterem entschieden. Dies führt mangels Möglichkeit zum Vorsteuerabzug zu einer Definitivsteuerbelastung auf Ebene der vermögensverwaltenden VC-Gesellschaft.

Branchenvertreter schließen daraus einen großen Standortnachteil für VC-Fonds in Deutschland. Die Bundesregierung verweist dazu nun darauf, dass die divergierende Umsatzsteuerbelastung für Fondsmanagementdienstleistungen innerhalb Europas noch nicht abschließend ermittelt sei und sie die Behauptung des diesbezüglichen Standortnachteils in Europa noch prüfe.

Forderung nach Steuerstundung von Veräußerungsgewinnen

In den USA machen Investoren in Startups regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, Gewinne aus der Veräußerung sogenannter „Qualified Small Business Stocks“ einer Steuerstundung oder gar Freistellung zu unterwerfen, sofern diese Gewinne wiederum in ebensolche „Qualified Small Business Stocks“ reinvestiert werden (Section 1045 und Section 1202 Title 26 – U.S. Internal Revenue Code).

Auch in Großbritannien existieren mit dem SEIS-Regime („Seed Enterprise Investment Scheme“) ähnliche Anreize für Investitionen in junge Unternehmen. In der deutschen Startup-Branche werden daher immer wieder Stimmen laut, wonach die Steuer auf Gewinne bei Reinvestition in andere Startups („Roll-Over“) solange gestundet werden soll, bis diese Gewinne nicht mehr in neue Gründungen fließen.

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Die Bundesregierung reagiert auf solche Forderungen nun mit einer Absage. Die Möglichkeit für gewerblich tätige Business Angel, auch als natürliche Personen Veräußerungserlöse steuerfrei auf neue Beteiligungen zu übertragen, sei gemäß § 6b Abs. 10 EStG bis zu einem Betrag in Höhe von 500.000 Euro gegeben. Für über zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften agierende Business Angel seien die Verkaufserlöse nach § 8b KStG steuerfrei. Darüber hinaus sieht die Bundesregierung keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf für Roll-Over-Lösungen.

Forderung nach gesetzgeberischer Absicherung der steuerlichen Transparenz von VC-Fonds

Die Vertreter der Startup-Branche fordern außerdem seit Langem eine gesetzliche Klarstellung dahingehend, dass die Tätigkeit von Wagniskapitalfonds steuerlich nicht als gewerblich, sondern als vermögensverwaltend anzusehen ist. Die derzeitige Praxis basiert nur auf Verwaltungsrichtlinien, die verschiedene mehr oder minder klare Abgrenzungskriterien enthalten. Beträchtliche Auswirkungen hat die Einordnung auf die steuerliche Transparenz des VC-Fonds und damit auf eine zum Teil doppelte Steuerbelastung auf Ebene des Fonds und auf Ebene seiner Anleger.

Einer darauf abzielenden Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ob die Bundesregierung die steuerliche Transparenz von VC-Fonds für ein geeignetes Instrument zur Förderung des deutschen VC-Marktes halte, antwortet die Bundesregierung jedoch lediglich ausweichend, indem sie die Möglichkeit erwähnt, dass nach geltendem Recht auch VC-Fonds steuerlich transparent ausgestaltet werden können.

Umgang mit der begünstigten Besteuerung des „Carried Interest“

Der „Carried Interest“ als überproportionaler, erfolgsabhängiger Gewinnanteil von VC-Fondsinitiatoren wird derzeit nach § 3 Nr. 40a EStG begünstigt besteuert. Die früher als kritisch eingestufte steuerliche Behandlung des „Carried Interest“ der Initiatoren wurde damit im Sinne einer Anwendbarkeit des Teileinkünfteverfahrens geklärt.

Die Bundesratsinitiative zur Abschaffung dieser steuerlichen Privilegierung im Rahmen des Steuervereinfachungsgesetzes 2013 (Initiative von Hessen, Bremen, Rheinland Pfalz und Schleswig Holstein) sowie eine entsprechende Forderung der SPD in den Koalitionsverhandlungen ließen jedoch befürchten, dass dieser steuerliche Anreiz für die Ansiedlung von VC-Fonds in Deutschland bald der Vergangenheit angehören könnte. Diesen Bedenken erteilt die Bundesregierung nunmehr eine Absage, indem sie sich von der Bundesratsinitiative distanziert und die positive Wirkung der Steuerbegünstigung hervorhebt.

Résumé

Die Bundesregierung äußert sich in den Antworten auf die Kleine Anfrage zu fast allen steuerpolitischen Themen, welche die Branche bewegen. Erfreulich ist, dass dies nun wesentlich konkreter erfolgt als noch im Koalitionsvertrag und die Startup-Agenda der Bundesregierung somit langsam erkennbar wird. Erfreulich aus Sicht der Branche sind außerdem die geplanten steuerlichen Vergünstigungen für den INVEST-Zuschuss für Wagniskapital.

Nicht zu überzeugen vermag dagegen der Hinweis auf § 6b Abs. 10 EStG bei den „Roll-over“-Möglichkeiten. Denn von einer bis zu einer Höhe von 500.000 Euro begrenzten Übertragung eines Veräußerungsgewinns auf Neubeteiligungen dürften keine nennenswerten Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen für dringend notwendiges Beteiligungskapital in fortgeschrittenen Finanzierungsrunden ausgehen.

Verständnis ist für die abwartende Haltung der Bundesregierung hinsichtlich der Frage der privilegierten Verlustvorträge geboten. Denn nachdem schon einmal im Jahr 2009 die privilegierte Verlustverrechnung für Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften durch die Europäische Kommission wegen Beihilferechtswidrigkeit nicht genehmigt wurde, sollte eine neue Regelung auch europarechtlich bestehen können. Deswegen ist das Abwarten des EuG-Votums vernünftig.

Bild: photoimpressions / PantherMedia