IoT-Konferenz
Wenn sich die Industrie trifft, um über IoT zu reden, wird es spannend.

Das kann doch kein Zufall sein. Zum frühen Morgenkaffee wird Katrin Göring-Eckardt auf Radio 1 interviewt und äußert sich zum Thema Internet. Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl fordert, wie alle ihre Kollegen aus allen Parteien, ein schnelleres Netz in Deutschland. Dann wäre es möglich, so Göring-Eckardt, auch vom Land aus zu arbeiten. Denn „wenn die Mieten in der Stadt immer teurer werden, könnten so auch Menschen auf dem Land weiter leben, aber dafür braucht es eben das schnelle Internet“. Nein, dafür braucht es das schnelle Internet nicht. Das hätte sie auf der „Industry of Things World“-Konferenz eine Stunde später lernen können.

Denn hier stand Kevin Ashton, der Erfinder des „Internet of Things“ im Berliner Congress Center auf der Bühne und begrüßte das rappelvolle Auditorium. In seiner eindrucksvollen Keynote beschrieb er, wie sich alle Wirtschaftsbranchen durch die Vernetzung der beteiligten Produktionsmittel verändern werden. Das ist der wahre Grund, warum vor allem der Industriestandort Deutschland ein schnelles Internet braucht.

Gute Nachrichten für Lungenpatienten

In seinem Vortrag zeigte Ashton, wie Disruption durch Digitalisierung und der Einsatz von IoT in Entwicklungsländern funktionieren. Mit Hilfe eines Smartphones und einer klugen Software können zum Beispiel Lungenkrankheiten erkannt werden. Gute Nachrichten für Patienten. Denn in vielen Ländern gibt es immer noch viel zu wenig Ärzte. Aber inzwischen schon sehr viele Smartphones. Schlechte Nachrichten für die Hersteller medizinischer Geräte, die zu diesem Zweck eingesetzt und sehr teuer verkauft werden.

Dann folgen Bilder eines sogenannten Sweatshops in Bangladesh, in dem Bekleidung für den westlichen Markt hergestellt wird. Unter fragwürdigen Bedingungen. Durch den Einsatz von IoT-Technologie können bald automatische Fertigungsstraßen, die miteinander kommunizieren, einen großen Teil dieser Arbeit übernehmen. Menschen werden dafür nicht mehr lange gebraucht. Stellt sich lediglich die Frage, ob das wirklich eine gute Nachricht für die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Sweatshops ist.

Wie bringe ich Menschen dazu, Services zu nutzen?

Bei uns werden schon bald alle Geräte und Dinge um uns herum einen oder mehrere Sensoren tragen, die ununterbrochen Auskunft über den Zustand und den Ort des Gerätes geben. So entsteht eine stetige Flut von Daten. In der zweiten Keynote verriet Nigel Upton, IoT-Chef von Hewlett Packard, dass wir auf diese Daten die Geschäftsmodelle der Zukunft aufsetzen können. Der Mehrwert entsteht durch die kundenbezogene Analyse. Derzeit interessieren sich vor allem Versicherungen für die Auswertungen. Sie können so ihre Tarife individuell anpassen.

Die Aufgabe von zukünftigen Anbietern bestünde laut Upton darin, einen Weg zu finden, wie man zum Beispiel den Autofahrer der Zukunft dazu bringen könne, 100 Dollar im Monat für Leistungen zu zahlen, die er in seinem Fahrzeug nutzen kann. Im Retail-Bereich geht es zum Beispiel darum, Location-based-Services anzubieten. Die Städte könnten mit Hilfe von IoT zum Beispiel besser mit Energie und Wasser haushalten. Wichtig für die Zukunft sei, dass man Sensoren entwickele, die über Systemgrenzen miteinander kommunizieren können. Breitband müsse ausgebaut und vor allem günstiger werden, betonte Upton.

IoT ist ein Schwerpunkt der digitalen Szene in Berlin

In Berlin ist IoT ein Schwerpunkt der digitalen Szene. SAP arbeitet seit ein paar Monaten mit Startups in seinem IoT-Accelerator am Hackeschen Markt. Außerdem entsteht gerade einer der größten europäischen Hubs für das Internet der Dinge, in dem etablierte Unternehmen, Gründer und Wissenschaftler ihre Kompetenzen zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder zusammenbringen können. Dafür wird die Factory einen neuen Standort in der früheren Agfa-Fabrik am Görlitzer Park eröffnen. Dort sollen IoT-Lösungen, die aus der Forschung kommen auf Marktfähigkeit getestet werden.

Die Grünen-Politikerin Göring-Eckardt sagte weiter in ihrem Radio-Interview, sie sei ja „gerade so viel unterwegs“ und „würde auch gerne mal schnell bei Twitter was gucken, aber das ginge eben nicht“ auf dem Land. Vielleicht waren ja doch ein paar ihrer Politiker-Kollegen bei der IoT-Konferenz. Sie hätten eine Menge lernen können. Zum Beispiel, dass die deutsche Industrie auf ein schnelles Internet angewiesen ist. Es geht nicht in erster Linie um Leute auf dem Land, die mal eben twittern wollen. Aber so kurz vor der Bundestagswahl ist so ein Konferenz-Besuch leider unwahrscheinlich. Da gibt es ganz sicher wichtigere Dinge. Oder?

IoT 3
Das Berliner Congress Center.

IoT 2
Auch ohne Konferenz einen Besuch wert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 
Fotos: Frank Schmiechen