ipad pro
Das Schicksal mobiler Computer ist es, Kompromiss zu sein – aus Mobilität, Leichtigkeit und kompakter Bauweise auf der einen und Leistungsfähigkeit, einem möglichst großen Bildschirm und einer guten Tastatur auf der anderen Seite. Jeder Versuch, beide Seiten perfekt zu vereinen, muss scheitern. Das neue iPad Pro von Apple im 9,7-Zoll-Format ist Apples jüngster Ansatz, es dennoch zu versuchen.

Das iPad Pro ist weder kompromisslos mobil wie beispielsweise das iPad mini – noch ist es riesig, wie das iPad Pro mit 12,9-Zoll-Bildschirm, das Apple zuerst vorgestellt hatte. Das kleinere der iPad-Pro-Modelle kommt in der Größe des Ur-iPads von rund 25 Zentimetern in der Bildschirmdiagonale, das größere und teurere iPad Pro hat eine Bildschirmdiagonale von rund 33 Zentimetern.

Die bisher beste Technik in einem iOS-Gerät

Doch das ist nicht der einzige Unterschied. Denn beim kleineren der beiden iPad-Pro-Modelle handelt es sich um die bisher beste Technik, die Apple je in einem Tablet verbaut hat. So sticht schon der Bildschirm den des größeren Bruders aus: Laut Apple ist er in der Lage, einen größeren Farbraum darzustellen. Zudem handelt es sich um das erste Apple-Gerät mit einem sogenannten True Tone Display. Bei diesem soll sich die Farbtemperatur des Bildschirms automatisch an das Umgebungslicht anpassen.

Beide Unterschiede sind aber zu vernachlässigen: Der größere Farbraum ist nur von geschulten Augen bei professionellen Fotos zu erkennen – auch die Kamera aller iPhone- und iPad-Modelle reicht für diese Qualität nicht aus. Und das True Tone Display fiel auch in unserem Test nicht auf – weder positiv noch negativ. Die Antireflex-Beschichtung soll Spiegelungen verhindern – doch helle Fensterflächen beispielsweise stören an sonnigen Tagen immer noch.

Interessanter sind da schon zwei andere technische Neuheiten, die Apple bislang exklusiv in das kleinere der beiden iPad-Pro-Geräte verbaut hat: Eine virtuelle SIM-Karte mit der im Ausland Datentarife ausgewählt werden können, ohne die SIM-Karte wechseln zu müssen. Damit kann der Nutzer einen lokalen Anbieter für die Zeit eines Urlaubs oder einer Geschäftsreise wählen, ohne teure Roaming-Gebühren zahlen zu müssen oder umständlich die SIM-Karte zu wechseln.

Das würde sich sicher auch mancher iPhone-Kunde wünschen. Die Vermutung liegt aber nahe, dass Apple die virtuelle SIM-Karte vor allem aus Rücksicht auf die Mobilfunkprovider nicht in das iPhone verbaut, die mit teuren Roaming-Tarifen Geld verdienen und allzu viel Flexibilität bei der Providerwahl ohnehin nicht schätzen. Zumindest aber das True Tone Display und der größere Farbraum des Bildschirms werden die Nutzer vermutlich bald auch im iPhone 7 sehen.

Erstes iPad mit Kamera auf iPhone-Niveau

Zudem ist das 9,7-Zoll-iPad Pro das erste Apple-Tablet, in dem die derzeitige Spitzenkamera des iPhones mit zwölf Megapixel Auflösung verbaut ist – im großen iPad Pro befindet sich nur eine Acht-Megapixel-Kamera.
Prozessor- und Grafikeinheit sind identisch mit denen im großen iPad Pro – der schnellste mobile Prozessor von Apple, den es derzeit gibt. Und die Ausstattung ist auch ansonsten wirklich „Pro“: Vier Lautsprecher sorgen für so satten und raumfüllenden Klang, wie man ihn bisher von Tablets nicht gewöhnt war.

Das iPad Pro ist damit bestens ausgestattet für den Konsum von Medien wie Filmen unterwegs – Fotos lassen sich auf dem Gerät hervorragend präsentieren, und auch Spiele machen dank sehr guter Grafikleistung Spaß. Wird das iPad Pro in unserem Test durch ein Spiel gefordert, wird es merklich warm – anders als ein iPad mini.

Apple glaubt allerdings, dass Tablets noch mehr können. Der iPhone-Konzern glaubt an eine Post-PC-Ära, wie sie der verstorbene ehemalige Apple-Chef Steve Jobs einst getauft hatte – die Ära nach dem PC, in der Smartphones und Tablets sowohl Windows -PCs als auch Macs weitgehend ersetzen. Das iPad Pro soll daher nach Vorstellung von Apple das Macbook Air ersetzen – auch zum Schreiben von Texten sowie für die Bild- und Videobearbeitung.

Das iPad Pro in Kombination mit Tastatur und dem Eingabestift Apple Pencil – beide kosten extra – soll der schlankere, leichtere, mobilere Laptop sein. Das soll auch den saftigen Preis rechtfertigen. Das iPad Pro selbst gibt es ab 689 Euro mit 32 Gigabyte Speicher für Daten und Apps und ohne SIM-Karte. In dieser Version ist der Nutzer also auf WLAN angewiesen, um sich mit dem Internet zu verbinden. Das iPad Pro in Vollausstattung mit 256 Gigabyte Speicher und SIM-Karten-Slot kostet sogar 1200 Euro.

BILD: Apple

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Gesamtpreis mit Tastatur und Stift bei mindestens 1000 Euro

Die Tastatur, Apples Smart Keyboard, kostet weitere 169 Euro, der Apple Pencil nochmals 109 Euro. Die Tastatur ist dabei bislang nur mit US-Tastenbelegung zu haben – eine deutsche Tastatur soll laut Apple noch folgen. Insgesamt kostet das iPad Pro damit samt Tastatur und Stift zwischen rund 1000 und fast 1500 Euro. Das ist eine stolze Preisspanne, in der es auch sehr gut ausgestattete Laptops gibt.

Ist das iPad Pro tatsächlich der elegantere Laptop? Genug Power hat das Tablet dank Apples A9X-Prozessors – auch zwei Apps lassen sich reibungslos im Multitasking-Betrieb nebeneinander nutzen. Allerdings ist reine Rechenleistung nicht das, was dem Laptop beim Arbeiten den entscheidenden Vorsprung gegenüber Tablets verschafft.

Zwei Dinge hat ein klassischer Laptop – sei es ein Macbook oder ein Windows-Gerät – auch dem jüngsten iPad Pro immer noch voraus, wenn es um das produktive Arbeiten geht: Die Steuerung mit der Maus ist einfach präziser – sei es beim Markieren von Texten oder der Bedienung von Software wie Filmschnitt-Programmen oder Bildbearbeitungs-Apps. Das Kopieren und Einfügen von Texten bleibt auf Smartphones und Tablets eine Geduldsprobe.

Und auch wenn vom Desktop bekannte Programme wie Microsoft Word und Excel oder Apples Videoschnitt-Software iMovie inzwischen in iPad-Versionen verfügbar sind, bleibt die Software-Auswahl eingeschränkter als unter Windows oder OS X. Zudem ist der Funktionsumfang der Apps in der mobilen Version immer noch eingeschränkter. Und gerade bei einer feinmotorischen Arbeit wie Videoschnitt oder Bildbearbeitung sind weder Finger noch der Apple Pencil ein vollwertiger Mausersatz.

Für produktives Arbeiten ist ein Laptop besser

Das Smart Keyboard von Apple lässt sich über den sogenannten Smart Connector mit dem iPad verbinden. Wer Bluetooth-Tastaturen gewohnt ist, wundert sich zunächst darüber, dass keinerlei Meldung erscheint, dass es sich mit dem iPad verbindet – es funktioniert sofort.

Die Kombination aus der Schutzhülle und Apples Smart Keyboard machte in unserem Test aber einen eher klapprigen Eindruck. Für denjenigen, der beides in der Regel immer in Kombination nutzen will, ist die fest verbaute einklappbare Tastatur eines Laptops besser geeignet.

Auch ist das Multitasking auf dem iPad Pro immer noch eingeschränkt: Zwei Apps lassen sich jeweils parallel im Vollbildmodus nebeneinander parallel nutzen, indem bei geöffneter App von rechts in den Bildschirm gewischt wird. Dort befindet sich dann eine Übersicht aller derzeit offenen Apps. Das ist immer noch etwas unkomfortabler als die flexiblen Möglichkeiten eines Macs oder PCs, auf denen sich die Fenster von Programmen völlig frei anordnen lassen.

Aber natürlich hat das Tablet-Konzept auch Vorteile: Gerade für technisch wenig Versierte ist das iPad leichter zu bedienen. Es erfordert auch weniger Systemkenntnisse, und Viren oder andere Schadprogramme sind für die geschlossene Apple-Welt bisher kein Thema.

Für wen sich das iPad Pro lohnt

Wer auf seinem iPad aber ohnehin nicht produktiv arbeiten will, sondern es in erster Linie zum Surfen nutzt und vielleicht ab und zu mal eine E-Mail schreibt, für den ist Apples kleines iPad mini die bessere Wahl. Es ist so klein und leicht, dass es sich problemlos auch längere Zeit mit einer Hand halten lässt – im Gegensatz zum iPad Pro. Das iPad mini 2 gibt es zudem bereits ab rund 300 Euro.

Wer es gerne größer hätte, kann auch zum iPad Air 2 greifen, das etwas weniger leistungsstark ist, aber von Apple weiterhin jetzt ab 439 Euro angeboten wird. Android-Tablets haben hingegen den Nachteil, dass es in der Android-Welt weniger speziell auf die Tablet-Größe abgepasste Apps gibt als unter Apples iOS-System.

Wem es dagegen in erster Linie um produktives Arbeiten geht, ist in der Regel mit einem Ultrabook und Windows oder einem Macbook besser bedient – in vielen Fällen reicht dazu sogar ein Gerät unter 1000 Euro, das damit dann günstiger ist als das iPad Pro mit Tastatur und Stift.

Ist das neue, kleinere iPad Pro dann damit überhaupt für irgendwen interessant? Ja, um es kurz zu machen: Für alle, die gerne etwas mehr für einen mobilen Computer ausgeben, nicht in erster Linie damit arbeiten wollen und keine Computer-Profis sind.

Dann lohnen sich die klaren Fortschritte gegenüber dem iPad Air 2: ein beeindruckender Sound durch die Vierfach-Lautsprecher, eine virtuelle SIM-Karte, die bisher beste Bildschirm- und Kamera-Technik in einem iPad und blitzschnelle 3-D-Grafik.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt online.

Bild: Apple