WorldRemit-Gründer und CEO Ismail Ahmed

Ismail Ahmed plaudert fröhlich drauflos. Er ist der Gründer eines mit mehr als 140 Millionen US-Dollar finanzierten Unternehmens und gleich zwei Pressesprecher nehmen am Gespräch teil. Ahmed erzählt ungezwungen von seiner 20-jährigen Erfahrung im Geldtransfer-Sektor, seinem Londoner Geldversand-Startup WorldRemit. Von seiner Arbeit als Berater für Finanzdienstleister und als akademischer Mitarbeiter.

Und er redet auch über seine Zeit bei den Vereinten Nationen (UN): Von 2005 bis 2007 arbeitete er als Compliance-Berater für ein Projekt des UN-Entwicklungsprogramms, mit dem verhindert werden sollte, dass das Geldversandsystem Somalias durch Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Doch Ahmed fand eine andere Wahrheit vor – und das machte er publik: „Als ich für das Entwicklungsprojekt der Vereinten Nationen gearbeitet habe, sah ich gravierende Missstände. Das Programm sollte viel Gutes tun, was dann von den Taten weniger Menschen untergraben wurde. Das hat mich enttäuscht“, schildert Ahmed die damalige Situation. Er zögert, möchte nicht weiter darauf eingehen, sondern verweist auf vergangene öffentliche Berichterstattung – nur von „Korruption“ spricht er. In einem Bericht von Reuters aus dem Jahr 2008 ist von Geldwäsche und Scheinverträgen im Programm die Rede, ein Unternehmen mit Verbindungen zu militanten Islamisten soll unterstützt worden sein. Ein UNDP-Sprecher bestritt die Anschuldigungen.

Finanzielle Entschädigung

Trotzdem – oder gerade deswegen – habe Ahmed in seiner Zeit bei den Vereinten Nationen viel gelernt, resümiert er heute. Ahmeds Fall beschäftigte unter anderem das Ethik-Komitee der Vereinten Nationen, denn er warf der Organisation vor, sie hätten ihn nach seiner Whistleblower-Aktion mit bewussten Vergeltungsmaßnahmen bestraft. Nicht alle Vorwürfe wurden bestätigt, aber für einige bekam Ahmed eine unbekannte Entschädigungssumme ausgezahlt.

Die Ironie: Mit diesem Geld war Ahmed in der Lage, sein Geldversand-Startup WorldRemit zu gründen, das sich auf den Geldversand von Migranten in ihre Heimatländer spezialisiert, sogenannte „Remittances“. Das Londoner Startup ist eine Onlineplattform, mit der Nutzer Geld im Browser oder per Handy verschicken können. Das Geld kann als Kontobuchung, Bargeldabholung, sogenannten mobilen Geldbörsen oder als ‚Airtime Topup‘ empfangen werden, bei letzterem handelt es sich um im Voraus bezahlte Freiminuten, die unter anderem bei lokalen Händlern gegen Bargeld empfangen werden können.

Mit dem Thema Geldversand hat Ahmed sich schon früh auseinandergesetzt. Seit Ahmed 1988 mit Hilfe einer World Bank Scholarship nach Großbritannien kam, wollte er im Laufe der Jahre immer wieder Geld in seine Heimat Somaliland schicken, eine autonome Region im afrikanischen Somalia. Für ihn begann, wie für viele Migranten, ein Finanz-Albtraum. Der Versand war mit exzessiven Kosten und Umständlichkeit verbunden. In den nächsten dreißig Jahren änderte sich im Bankgeschäft zwar viel, aber Ahmed war noch nicht zufrieden.

Globaler Remittance-Markt ist riesiges Geschäft

Um WorldRemit 2010 zu gründen, musste er aber erst einmal lernen, wie man ein Business führt, lacht Ahmed, der inzwischen die britische Staatsbürgerschaft hält. Der Master an der London Business School nutzte ihm nicht nur in theoretischer Hinsicht: Ahmed gelang es kurze Zeit später mit Hilfe des riesigen Netzwerkes der Schule, mehr als sieben Millionen US-Dollar einzusammeln.

Der globale Remittance-Markt ist ein riesiges Geschäft. Laut World Bank wird der gesamte globale Versandwert in diesem Jahr bei 608 Milliarden US-Dollar liegen. Verständlich also, dass WorldRemit nicht das einzige Startup in diesem Bereich ist: US-Startup Remitly raiste im Februar mehr als 10 Million US-Dollar und wurde unter anderem von Amazon-Chef Jeff Bezos und dem britischen VC DN Capital finanziert.

Ahmed hat allen Grund zufrieden zu sein. Denn auch in WorldRemit pumpen die Risikokapitalgeber fleißig Geld: Im März 2014 sammelte Ahmed 40 Millionen US-Dollar ein. Im Februar diesen Jahres gab es sogar noch einmal 100 Millionen US-Dollar, dieses Mal von Investoren wie Technology Crossover Ventures und Accel Partners. Obwohl er jetzt fleißig Finanzierungen raist, wollte Ahmed erst keine Risikokapitalgeber mit im Boot haben: „Man muss immer abwägen, ob es für das Unternehmen auch der richtige Zeitpunkt ist. Denn mit Risikokapital kommt immer auch Veränderung: Sei es neue Board-Mitglieder oder eine Änderung der geschäftlichen Ausrichtung.“

Obwohl die frühe Phase der Unternehmensbildung, die Richtungs- und Konzeptfindung für ihn persönlich und wichtig war – sie sei auch gleichzeitig die größte Herausforderung gewesen. „Damals mussten wir viel mit Banken verhandeln – und die verstehen Fintech-Unternehmen nicht“, stellt Ahmed klar. Viele Banken empfänden Startups einfach als zu riskant, die Angst vor Online-Kriminalität sei groß. Teilweise hätten sie eine falsche Vorstellung von dem, was Fintechs tun.

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Was in Ländern wie dem bargeldbessenen Deutschland, das zu WorldRemits fünf größten Sender-Märkten gehört, noch in weiter Ferne scheint, ist laut Ahmed in anderen Ecken der Welt längst Realität: Viele der Empfänger-Länder, insbesondere in Afrika, werden zunehmend bargeldlos, weiß er: „Viele unserer Nutzer auf der Empfänger-Seite haben oft nicht mal ein richtiges Bankkonto oder trauen ihrer Bank nicht über den Weg. Unter anderem aus diesen Gründen werden viele Länder zunehmend bargeldlos, insbesondere in Afrika. Da setzen wir an.“

Traditionelle Konkurrenten

Dass auch Startups wie Remitly dort ansetzen, kümmert Ahmed wenig. Er sieht die traditionellen Geldtransfer-Anbieter wie Western Union als die wahren Konkurrenten. Der große Vorteil von WorldRemit sei, dass sie nicht auf unabhängiges Personal in Einzelhandelsläden angewiesen seien, welches vor Ort die Transaktionen übernehme. Denn „in dieser Situation – vor Ort und mit Bargeld – kommt es oft vor, dass Geld auf zwielichtige Konten oder unter falschem Namen überwiesen wird“, gibt Ahmed zu Bedenken. Betrug könne WorldRemit aufgrund der Online-Präsenz einfach vermeiden. „Als Online-Dienst können wir mit verschiedensten Mitteln die Identität unserer Kunden feststellen“, erzählt er begeistert. „Beispielsweise können wir bei WorldRemit Nutzerdaten schnell und effektiv mit Verzeichnissen wie der Schufa in Deutschland abgleichen.“ Das Konzept sei Bargeld als Bezahlmethode zu eliminieren und nur noch Kartenzahlungen und Überweisungen von Sendern anzunehmen. Dadurch könne man konsequent international rechtlichen Auflagen nachkommen.

Ahmeds Unternehmen beschäftigt mittlerweile 150 Mitarbeiter – allein in dem Londoner Sitz von WorldRemit. Im Dezember kam eine Niederlassung in Denver, USA, dazu. Dort sollen bald bis zu 200 Mitarbeiter eingestellt werden. Ahmed hat also allen Grund fröhlich zu sein – nicht nur, weil WorldRemit, wie er lachend betont, heute erfolgreich mit Banken zusammenarbeitet.

Bild: WorldRemit