Die New Yorker Skyline vom Central Park aus gesehen – im General Motors Building (Mitte) hat J.C. Flowers seinen Sitz

Die Serie-C-Finanzierungsrunde des Hamburger Scoring-Startups Kreditech war lange erwartet worden. Für Überraschung sorgten schließlich nur noch die Summe – und der Lead-Investor: Angeführt wurde die 82,5-Millionen-Euro-Runde von J.C. Flowers, einer Private-Equity-Gesellschaft aus New York. Loren Felsman von J.C. Flowers, der Mitglied des Kreditech-Boards wird, lobte: Das Startup habe „eine bemerkenswert ausgeklügelte Herangehensweise an das Echtzeit-Privatkundengeschäft entwickelt“. Wer aber ist der neue wichtige Kreditech-Gesellschafter?

Hinter J.C. Flowers steht vor allem ein Mann, der dem Unternehmen auch seinen Namen gegeben hat: James Christopher Flowers, 57, verheiratet, zwei Kinder – und laut Forbes 1,07 Milliarden US-Dollar schwer. Flowers ist seit 35 Jahren in der Finanzindustrie unterwegs, seit über 15 Jahren mit seiner eigenen Private-Equity-Gesellschaft, die mehr als 15 Milliarden US-Dollar investiert hat. Das Wall Street Journal nannte ihn mal den „Jedi-Meister der Finanzen“, die Süddeutsche Zeitung betitelte ihn heute als „Investorenlegende mit wechselhafter Geschichte“.

Vor allem zu Deutschland hat der Investor eine besondere Beziehung – deutsche Banken sind für einige seiner härtesten Niederlagen verantwortlich. Für Startup-Investments ist J.C. Flowers bislang nicht bekannt. Dass sich der Investor bei einem deutschen Fintech-Startup engagiert, ist daher umso bemerkenswerter.

J. Christopher Flowers wird in Kalifornien geboren und wächst in einer Mittelklasse-Familie in Massachusetts auf. In Harvard studiert er angewandte Mathematik. Mit 22 fängt er bei der Investmentbank Goldman Sachs an, in den achtziger Jahren prägt er Goldmans erfolgreiche M&A-Strategie im Finanzsektor. 1988, mit gerade mal 31 Jahren, wird Flowers Partner – der jüngste aller Zeiten bei Goldman Sachs. 1998 verlässt er die Bank im Streit, Goldmans IPO steht kurz bevor, doch dem Überflieger wird der Aufstieg in den höchsten Führungszirkel verwehrt.

Er gründet seine eigene Beteiligungsgesellschaft, Private Equity, eine „Heuschrecke“. Er kauft und verkauft Firmen. Gekauft wird idealerweise in einem angeschlagenen Zustand mit kräftig Rabatt, losgeschlagen nach erfolgreicher Sanierung. Anders als andere Finanzinvestoren wie KKR oder Blackrock ist Flowers allerdings nur in der Branche tätig, in der er sich perfekt auskennt: in der Finanzindustrie. Pensionsfonds, Stiftungen, die Super-Reichen und Top-Banken: Sie alle vertrauen Flowers ihr Geld an.

Der beweist bald ein glückliches Händchen: Im Jahr 2000 steigt er bei der heftig kriselnden und schwer verschuldeten Long Term Credit Bank aus Japan ein. Flowers verordnet einen derart radikalen Sanierungskurs, dass später von einem „Blutbad“ die Rede ist. Aber ihm gelingt das Wunder, er schafft den Turnaround – und bringt das Institut unter dem neuen Namen Shinsei Bank an die Börse. Flowers soll seinen Einsatz mehr als verzehnfacht haben, ein Profit von ungefähr einer Milliarde Dollar. Konkurrent David Rubenstein nennt es den „erfolgreichsten Deal in der jüngeren Geschichte von Private Equity“. Es ist Flowers‘ Meisterstück.

Dann aber häufen sich die Fehlschläge – vor allem in Deutschland. Zunächst kommt Flowers gleich zweimal als Investor nicht zum Zug: 2002 versucht er vergeblich, bei der skandalgeschüttelten Landesbank Berlin einzusteigen. 2005 bietet er für die angeschlagene Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden mit, wiederum erfolglos.

2006 kommt er dann zum Zug, erneut bei einer Landesbank: Für 1,3 Milliarden Euro erwirbt er mehr als ein Viertel der Anteile an der HSH Nordbank. Und im Juni 2008, da sind die ersten Erschütterungen der Finanzkrise bereits zu spüren, zahlt er 1,1 Milliarden Euro für knapp 25 Prozent an dem Münchner Immobilienfinanzierer HRE. Zwei krasse Fehlentscheidungen. Beide Institute schaffen es nicht, sich aus eigener Kraft zu sanieren – sie werden zwangsverstaatlicht. Im Falle der HRE wehrt sich der Investor noch jahrelang vor Gericht. Doch 2014 entscheidet das Oberlandesgericht München in der letzten Instanz, dass die Zwangsabfindung von 1,30 Euro je Aktie rechtens war. Bei Flowers‘ Einstieg kostete eine HRE-Aktie noch 22,50 Euro.

Es heißt, der von J.C. Flowers 2006 aufgelegte sieben Milliarden US-Dollar schwere Fonds soll durch die Krise gut die Hälfte seines Wertes verloren haben. Auch Flowers Privatvermögen, das vor der Krise etwa zwei Milliarden US-Dollar betragen haben soll, dürfte kräftig gelitten haben.

„Für unsere Branche waren 2008 und die folgenden Jahre eine schwierige Zeit“, erzählte Flowers kürzlich der Financial Times. Die Finanzindustrie sei „eine der schwierigsten Arenen“ gewesen. Inzwischen guckt Flowers aber wieder nach vorn: Gegenüber der FT verweist er auf die Performance seine jüngsten Fonds, der, 2,3 Milliarden US-Dollar schwer, im vergangenen Jahr 40 Prozent Wertzuwachs verzeichnet haben soll. Er ist zu zwei Dritteln investiert. „Wir hatten fast nur Gewinner in diesem Fonds“, sagt der Investor.

Zu den Positivbeispielen gehört der Einstieg beim britischen Immobilienfinanzierer Kent Reliance 2010. Als OneSavings Bank brachte er das Institut 2014 erfolgreich an die Börse, der erste IPO einer britischen Bank in über zehn Jahren. Die kalifornische Hypothekenbank IndyMac rettete er 2009 gemeinsam mit Michael Dell, John Paulson und George Soros vor dem Zusammenbruch – sie heißt heute OneWest Bank und bereitet derzeit ebenfalls einen IPO vor.

Als Startup- oder Fintech-Investor ist J.C. Flowers nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Erfahrungswerte für den möglichen Umgang mit Kreditech gibt es daher nur begrenzt. Klar ist jedoch: Flowers gilt als mindestens mittelfristig orientierter Investor, er bleibt in der Regel mindestens vier Jahre. Und er ist ein aktiv in Erscheinung tretender Gesellschafter, der Einfluss nimmt. Gut denkbar, dass bei Kreditech – wo Managemententscheidungen hinsichtlich Strategie, Personal oder dem Umgang mit Datenlecks regelmäßig scharf kritisiert werden – nun anders durchregiert wird.

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