Wir erleben gerade ein politisches Vakuum. Nicht nur, weil gerade die Sondierungen zu einer möglichen Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP geplatzt sind und uns für die kommenden vier Jahre eine stabile Regierung fehlt. Sondern auch, weil die Mehrzahl der politischen Kommentatoren noch nach dem oder den Schuldigen für das Scheitern der Verhandlungen sucht. Dabei ist die grundsätzliche Frage: Ist das deutsche Parteiensystem als politisches Betriebssystem überhaupt noch in der Lage, unser Land zu regieren und in eine erfolgreiche Zukunft zu führen? Repräsentieren unsere Parteien die Gesellschaft in Deutschland?

Politische Parteien mit ihrer Geschichte, ihren Traditionen und Ideologien wirken in unserer digitalisierten Welt seltsam altmodisch und langsam. Nicht erst seit der geplatzten Jamaika-Koalition. Kanzlerin Angela Merkel wird oft mangelnde innere Überzeugung vorgeworfen. Aber vielleicht ist gerade das ein erster Vorgeschmack auf den Politikertypus, dem wir in Zukunft häufiger begegnen werden: dem postideologischen Problemlöser. Für diesen Typus spielen politische Denk-Traditionen eine untergeordnete Rolle. Er sieht die politische Aufgabe als eine Managementaufgabe, es geht nicht darum, eine bestimmte Weltanschauung oder Denkschule in Realität zu übersetzen.

Auch Trump hat das Parteiensystem ad absurdum geführt

Die Franzosen haben einen Präsidenten gewählt, der ohne eine klassische politische Partei angetreten ist. „Bewegung“ hat Macron seine Unterstützer stattdessen genannt – und ist erfolgreich damit gewesen. Viele Mitglieder klassischer Parteien sind ihm gefolgt, weil sie ihn als Hoffnungsträger gesehen haben. Hoffnungsträger, da er das etablierte und erstarrte Parteiensystem mit seiner Bewegung hinter sich gelassen hat. Das Parteiensystem hat übrigens auch Donald Trump in den USA ad absurdum geführt. Er steht als höchst umstrittener Solokünstler außerhalb des traditionellen politischen Betriebes der Vereinigten Staaten. 

Die selbstgestellte Aufgabe der Jamaika-Verhandler in Berlin war es, die wichtigsten Eckpunkte ihrer Parteiprogramme in ein gemeinsames Regierungsprogramm überführen. Das war offenbar nicht möglich. Aber war es überhaupt notwendig? Die Parteien unterstellen ihren Wählern offenbar, diese hätten ihre Programme studiert und würden sich jetzt auf buchstabengetreue Umsetzung in der Regierungsarbeit verlassen. Vielleicht ist das ein Denkfehler.

Politiker sollten wie gute Unternehmer handeln

Vielleicht geht es dem Wähler gar nicht um das Kleingedruckte und die genauen Nachzugzahlen für Flüchtlinge oder die Stilllegung von Kohlekraftwerken in zwei, drei oder fünf Jahren. Vielleicht geht es nicht um Ideologien, die sich letztendlich als Zahlenkondensat in Parteiprogrammen wiederfinden. Vielleicht geht es dem modernen Wähler einfach darum, dass kompetente Leute, denen er vertraut, an schnellen Lösungen für Herausforderungen der Zukunft arbeiten. Wie das Management in einem guten Unternehmen. Nachvollziehbar und transparent. Mit Hilfe der Technik, die uns heute zur Verfügung steht.

Jetzt die Schuld auf die FDP oder mal wieder auf Merkel zu schieben, ist zu einfach. Die Vertreter aller Parteien haben in dieser sechswöchigen Verhandlungsphase mit Hochdruck daran gearbeitet hat, unser politisches Betriebssystem auszuhöhlen und in Frage zu stellen. Auch die SPD und die Linken mit ihren Kommentaren aus sicherer Distanz. Werden wir, wird unsere Gesellschaft wirklich von den aktuellen politischen Parteien repräsentiert? Oder repräsentieren sie eine Gesellschaft, die es gar nicht mehr gibt? Wann kommt ein deutscher Macron, der sich außerhalb dieses Systems positioniert und allen traditionellen Parteien die Rücklichter zeigt? Hoffen wir, dass kein deutscher Trump aus der düsteren rechten Ecke kommt.

Foto: NamensnennungWeitergabe unter gleichen Bedingungen Bestimmte Rechte vorbehalten von marsupium photography

 

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