Vor dem Luxushotel Weißenhaus: Jan Henric Buettner
Vor dem Luxushotel Weißenhaus: Jan Henric Buettner

Jan Henric Buettner ist einer der reichsten ehemaligen Tech-Manager. Der 54-Jährige ist bekannt in der Szene, in den Vordergrund der deutschen Tech-Welt drängt er sich aber nicht mehr.

Seine Geschichte klingt bis heute verrückt: Als ehemaliger Bertelsmann-Manager klagte er in den USA zusammen mit einem Kollegen gegen seinen alten Arbeitgeber. Sie wollten an dem Verkauf der AOL-Europe-Anteile beteiligt werden. Nach drei Jahren Kampf vor Gericht bekamen beide etwa 160 Millionen Euro zugesprochen.

In seiner Zeit bei Bertelsmann baute er AOL Europe und den Wagniskapitalgeber BV Capital, der später zu Eventures wurde, auf. Dort investierte er in eine Vielzahl an Startups. Noch immer steckt er Geld in junge Unternehmen – erst kürzlich ist er beim Flugstartup Volocopter eingestiegen. Doch mittlerweile fließt das meiste Herzblut in ein anderes Projekt.

Im Interview spricht Buettner über Reichtum, seinen Weg aus der Midlife-Krise und Bitcoin-Investments.

Herr Buettner, was treibt einen Menschen mit einem geschätzten Vermögen von 100 Millionen Euro an?

Geld war für mich nie ein Motivator. Ich bin als Jugendlicher nicht irgendwann aufgewacht und habe gesagt: Ich will Millionär werden. Geld war für mich immer nur ein Mittel zum Zweck, ein Indikator für Unabhängigkeit. In meinen zehn Jahren als Angestellter habe ich bei meinen Joggingrunden darüber nachgedacht: Wie lange reicht das Geld, wenn ich jetzt hinschmeiße? Das war eine relative Unabhängigkeit, die mit dem Reichtum zur absoluten Unabhängigkeit geworden ist.

Sie meinen, das Geld reicht bis zum Lebensende?

Ja und darüber hinaus. Alle, die mit mir zusammenhängen, haben auf einmal keine Geldsorgen mehr – und die Generation danach auch nicht.

Wie definieren Sie denn Reichtum?

Am Ende ist nicht derjenige reich, der am meisten hat, sondern der, der am wenigsten braucht. Schauen Sie sich US-Präsident Donald Trump an. Der wird nie zufrieden sein, da ist irgendetwas in der Kindheit schiefgelaufen. Durch meine Erziehung hatte ich die Einstellung: Was habe ich schon zu verlieren? Auch wenn alles Geld weg ist, alle Nullen – ich bin immer noch da. Wir (Anm d. Red. Buettner mit Freundin) waren beispielsweise heute in Berlin unterwegs. Die halbe Stunde beim Gemüsedöner anzustehen, hat uns mehr Freude bereitet, als Designer-Klamotten anzuschauen. Am Ende haben wir zwei Döner für sieben Euro gekauft – das war wunderbar.

In einem Gespräch mit dem Spiegel haben Sie einmal gesagt, mit dem Reichtum seien Sie in ein Loch gefallen. Hat Sie das Geld nicht glücklich gemacht?

Als ich die absolute Unabhängigkeit erreicht hatte, habe ich mich gefragt: Welchen Zweck hast du noch? Mit Ende 30 kam dann eine Midlife-Crisis, ich war ziellos und planlos. Wäre ich 80 gewesen, hätte ich glücklich abtreten können, aber ich wurde ja zu der Zeit gerade erst 40 Jahre alt. Ich saß plötzlich auf einem Hügel aus Geld. Ich habe mich umgeschaut und andere Geld-Hügel und Gebirge gesehen – und gefragt: Willst du dahin? Dann musst Du aber wieder ins Tal und wieder hoch. Und am Ende hast Du dann ein paar Nullen mehr hinten dran – was willst Du Dir davon leisten?

Wie haben Sie es aus der Midlife-Crises herausgeschafft?

Ich bekam die Gelegenheit mit der Ortschaft Weißenhaus in Schleswig-Holstein ein ganzes Dorf zu kaufen – das war ein Katalysator für die Probleme. Dort habe ich ein Luxushotel errichtet.


Was ist daraus geworden?

Nach 13 Jahren Bauzeit sind jetzt alle Produkte fertig, die wir dem Gast anbieten können. Es gibt beispielsweise Gutshäuser oder eine Badehaus mitten im Wald – jedes Zimmer ist dabei einzigartig. Wir sind jetzt bei 60 Zimmern und Suiten angelangt. Außerdem haben wir fünf Restaurants auf dem Gelände und einen Spa, der perfekt ausgestattet ist. Er hat alleine zwölf Millionen Euro gekostet.

Was hat Sie an so einem Immobilien-Projekt gereizt?

Einen Großteil meines Berufslebens habe ich am Computer gearbeitet – und beispielsweise irgendwas in Tabellen eingetippt. Am Ende kommt irgendein Service dabei raus. Aber Weißenhaus ist ein reales Dorf, das kann man immer sehen. Es dauert natürlich sehr viel länger, ein Haus zu bauen als eine Internetseite. Aber wenn es fertig ist, ist das eine wahnsinnige Genugtuung. Es ist diese Anfassbarkeit, die mich reizt. Mein Steuerberater hat – als er das Dorf das erste Mal gesehen hat – zu mir gesagt: Die Leute werden sich wegen Weißenhaus an dich erinnern und nicht wegen des „Venture-Capital-Stuff“.

Wie teuer ist es, im Weißenhaus zu übernachten?

Das günstigste Zimmer kostet 400 Euro, das teuerste 1600 pro Nacht. Zu der Zielgruppe gehören Leute, die es sich leisten können oder wollen. Es kommen welche, denen die teuersten Autos und Privatjets gehören. Aber es gibt auch Gäste, die ein Leben als Angestellte führen, ein normales Auto fahren und in einer Mietswohnung leben – die wollen sich dann einmal im Jahr etwas gönnen.

Das sind ganz schön hohe Preise.

Natürlich ist das eine Frage von Angebot und Nachfrage. Und: Man sagt, dass man grundsätzlich 0,1 Prozent von dem Investment als Tagespreis festlegen sollte. Wenn man unsere Gesamtkosten herunterbricht, liegt man bei einer halben Million Euro pro Zimmer. Das wären ungefähr 500 Euro als Tagespreis. Im internationalen Vergleich sind wir zudem gar nicht so teuer. Erst gerade habe ich von einem Hotel in Paris gehört, da geht die Übernachtung bei 950 Euro los, 5.000 Euro kostet das teuerste Zimmer.

Der Xing-Gründer Lars Hinrichs hat in Hamburg Wohnungen gebaut, die als Smarthomes viele technische Spielereien enthalten. Welche Rolle spielt Technik in Weißenhaus?

Gute Frage. Gar keine (lacht). Im Gegenteil. Es ist zwar mit Tech-Geld entstanden, aber das Produkt richtet sich ja nicht an Leute, die unbedingt in ihrer Freizeit noch irgendwie Tech im Hintergrund haben wollen. Die wollen entspannen und abschalten und da habe ich dieses Dorf erworben, um die alten Bestandteile herauszuarbeiten. Natürlich im modernen Umfeld, Leben wie früher – nur nicht so unbequem wie früher.

Was heißt das genau?

Natürlich haben wir grundsätzlich Tech-Geschichten. Es gibt zum Beispiel keine Schlüssel, sondern Schlüssel-Karten. Die Räume lassen sich zentral beheizen. Der Gast selber soll davon idealerweise aber nichts mitbekommen.

Sollen die Gäste eine Art Digital-Detox machen?

Ich bin kein Freund davon zu sagen: Du hast kein Internet, Du musst jetzt entspannen, Du musst entschleunigen! Wir haben natürlich perfektes Wlan, damit die Gäste nicht erst einmal drei Kilometer bis zum nächsten Hotspot fahren müssen. Gleichzeitig haben wir auch keine großartigen Computer-Andockstationen beim Frühstück. Mich persönlich würde es wahnsinnig machen, wenn ich wüsste, dass alle zehn Minuten drei E-Mails kommen und ich sie nicht kurz anschauen und abarbeiten könnte. Das würde mich eher stressen.

Sind Sie denn abseits von Weißenhaus noch in der Tech-Welt aktiv?

Vor Kurzem habe ich in Volocopter investiert und aus der Vergangenheit habe ich noch einige Beteiligungen. In den USA bin ich zum Beispiel schon lange bei Smartrecruiter investiert, die kürzlich das Berliner Startup Jobspotting gekauft haben. Insgesamt hatte ich ein Portfolio von 30 Startups. Die Hälfte konnte man abschreiben, wie es immer so ist. Ich habe dann irgendwann mein Portfolio bereinigt – und alles was viel Zeit kostet, nervt und nichts bringt, verkauft. Letztlich habe ich mich auf fünf, sechs Beteiligungen konzentriert, die gut laufen. Wenn man – wie ich – dabei war, als das Internet erfunden wurde, ist es nicht mehr so spannend, sich die 57ste App für irgendwas anzuschauen. Insofern bin ich mit dem Soft-Exit aus der Branche ganz gut gefahren.

Welche Themen sind denn die Zukunft?

Auf jeden Fall Immobilien. Zusammen mit Niko Samios und Cooperativa planen wir einen eigenen Proptech-Fonds. Denn es ist der größte Wirtschaftszweig und in Puncto Digitalisierung ganz hinten dran. Wir wollen das mit Experten aus der Immobilien-Welt zusammen machen, ich werde auch etwas Geld investieren. Nach 15 Jahren als Venture Capitalist und jetzt mit Weißenhaus würde ein Proptech-Fonds die beiden Welten verbinden.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie heute noch einmal als Geldgeber starten würden?

Ich hätte bei vielen Investments schneller die Notbremse ziehen müssen. In der Rückschau haben wir letztlich die Mehrheit der Verluste in Follow-up-Finanzierungen gemacht. Wenn ich beispielsweise drei Millionen in eine Firma stecke und sie funktioniert nicht so richtig. Ehe man sich versieht, hat man noch einmal sieben Millionen investiert. Das Ding wird trotzdem abgeschrieben. Das hätte ich gleich am Anfang erkennen können. Never throw good money, after bad money. Außerdem hatte ich so einen jungen Mitarbeiter, der immer ganz schräge Ansätze gehabt hat. Und ich ärgere mich im Nachhinein, dass ich nicht mehr auf ihn gehört habe. Im Endeffekt lag er meistens richtig, er war nur viel zu früh dran. Beispielsweise hat er ganz früh auf das Thema Bitcoin gesetzt. Hätte ich auf ihn gehört, hätte ich das zehnfache investiert.

Wie viel Geld haben Sie denn in Bitcoin gesteckt?

Jetzt auch eine siebenstellige Summe (lacht).

Wie hoch ist der Gewinn?

Ungefähr Faktor 20 oder Faktor 30. Man weiß es ja noch nicht. Es hieß damals schon, für einen Bitcoin wirst Du Dir in zehn Jahren ein Eis kaufen können – oder einen Privatjet. Wenn Du von einem Eis in zehn Jahren ausgehst, ist es nicht ganz leicht zu sagen, ich stecke mal eben 100.000 Euro in das Thema. Das wäre ein teures Eis.

Bild: PR/Weißenhaus