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Die Gründerinnen von Tandemploy, Anna Kaiser (links) und Jana Tepe, teilen sich ihre Arbeit

Die Gründerinnen Jana Tepe und Anna Kaiser sagen Sätze, die für Chefs sehr untypisch sind. Zum Beispiel: „Je mehr Zeit unsere Mitarbeiter draußen verbringen, desto wertvoller sind sie für uns.“ Oder: „Teilzeit-Mitarbeiter sind die besseren Angestellten.“ Oder: „Zeit für Urlaub muss sein“.

Damit unterscheiden sich die beiden Frauen sehr von anderen Gründern. In der Startup-Branche sind Arbeitszeiten von 60 bis 80 Wochenstunden keine Seltenheit. Die meisten Stellen, die ausgeschrieben sind, sind für Vollzeitkräfte. Überstunden sind oft unbezahlt – und häufig auch durchaus erwünscht.

Im Team von Tepe und Kaiser arbeiten alle zehn Mitarbeiter in flexiblen Arbeitsmodellen, die meisten weniger als 40 Wochenstunden. Und das passt zum Produkt. Denn die beiden Frauen haben vor drei Jahren die Jobsharing-Plattform Tandemploy gegründet. Auf der Webseite suchen Menschen nach Partnern, mit denen sie sich gemeinsam auf eine Stelle bewerben können. Der Algorithmus der Software schlägt ihnen dabei geeignete Kandidaten vor – das Prinzip ist ähnlich wie bei Datingseiten. Außerdem stehen auf Tandemploy Profile von Unternehmen, die Jobsharing generell offen gegenüberstehen.

Im Moment suchen nach Angaben der Gründerinnen auf der Seite rund 5.000 Bewerber gerade nach einem Tandempartner. Etwa 50 Firmen nutzen die Plattform oder eine spezielle Software, die Tandemploy seit Kurzem Unternehmen für den internen Gebrauch anbietet. Damit können Mitarbeiter nach Kollegen für Jobsharing oder andere flexible Arbeitsmodelle suchen können. Zu ihrem Umsatz wollen sich die beiden Gründerinnen nicht äußern, er habe sich aber in den letzten sechs Monaten verdoppelt.

Hier erzählen sie, warum viele Chefs Vorurteile beim Thema Jobsharing haben und wieso sie selbst in Vollzeit arbeiten, obwohl sie so viel Werbung für Teilzeit machen.

Wie kamt ihr auf die Idee für Tandemploy?

Jana: Wir haben vorher beide in einer Personalberatung gearbeitet. Dort schrieb ich eine Führungsposition aus, auf die sich zwei Menschen zusammen bewarben. Im persönlichen Gespräch überzeugten mich die beiden so von ihrem Modell, dass ich danach begeistert meinen Kollegen darüber erzählen wollte – und Anna war zufällig die erste Person, die ich traf. Zwei Tage später haben wir unseren Job gekündigt und uns selbstständig gemacht, um eine Plattform fürs Jobsharing zu entwickeln.

Zwei Tage später? Eine sehr spontane Reaktion.

Anna: Viele Bewerber wollen Teilzeit arbeiten. Aber die ausgeschriebenen Stellen sind meistens in Vollzeit. Das ist ein Problem und das wollten wir lösen.

Wie finanziert ihr euch?

Anna: Im ersten Jahr bekamen wir das Exist-Gründerstipendium. Danach haben wir in einer Crowdfunding-Aktion rund 18.000 Euro eingesammelt – das aber vor allem zu Marketingzwecken gemacht. Dann stiegen zwei Business Angel ein und im vergangenen Sommer schlossen wir nochmal eine siebenstellige Finanzierungsrunde mit der Schörghuber Unternehmensgruppe ab. Mittlerweile zahlen die Unternehmen für die Nutzung unserer Software einen jährlichen Beitrag, der je nach Firmengröße variiert.

Wer sucht bei euch nach Tandempartnern? Frauen im Alter von 30 bis 40?

Jana: Nicht nur. Bei uns melden sich Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen: vom Mitte 20-Jährigen, der neben der Arbeit nochmal studieren oder nebenbei ein anderes Projekt verfolgen möchte, bis zum Mitte 50-Jährigen, der nebenbei einen Angehörigen pflegen muss oder selbst chronisch krank ist und deshalb kürzer treten will. Interessanterweise kommen 30 Prozent der Anfragen von Männern, was viel ist. Die Teilzeitquote von Männern beträgt in Deutschland nur sechs Prozent und in der Industrie nur ein Prozent.

Warum sollte man zwei Menschen einstellen, wenn auch eine Person denselben Job machen würde?

Jana: Aus reiner Menschenliebe macht das niemand. Einige Vorgesetzte fürchten, dass Arbeitnehmer in Teilzeit mehr kosten. Das kann man allerdings locker widerlegen, wenn man bedenkt, dass Mitarbeiter in Teilzeit produktiver und weniger krank sind. Man hat weniger Ausfälle. Es gibt tatsächlich Studien, die das belegen.

Anna: Falls einer der Mitarbeiter krank wird, wird der andere immer versuchen, ihn bestmöglich zu vertreten. Das wird er zwar vielleicht nicht hundertprozentig können, aber wenn er es auch nur probiert, ist das für den Arbeitgeber viel wert.

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Was ist mit den Sozialausgaben, die durch zwei Mitarbeiter höher sind?

Jana: Den Unterschied merkt man im Grunde nur bei einer bestimmten Beitragsbemessungsgrenze, die ab circa 48.000 Euro im Jahr, meist erst deutlich später, ansetzt. Bei allem, was darunter fällt, fallen die Sozialausgaben nicht ins Gewicht. Und auch wenn das Gesamtgehalt darüber liegt, sind die Mehrkosten sehr gering. Man spart mehr als das man beispielsweise für Krankheitsausfälle ausgibt.

Welche Vorurteile begegnen euch noch?

Anna: Viele Vorgesetzte fragen sich, ob sich Mitarbeiter in einem Tandem überhaupt organisieren können. Sie wollen wissen, ob man die Mitarbeiter dann gegeneinander ausspielen kann. Da merkt man schon, was da für ein Menschenbild mitschwingt.

Und kann man? Sind Tandempartner automatisch Konkurrenten?

Anna: In der Regel sind Tandempartner Teamplayer, die sich nach ihren Stärken und Schwächen aufteilen. Im besten Fall ergänzen sie sich und pushen sich gegenseitig. Sie haben ein gemeinsames Ziel, tragen zusammen Verantwortung und haben in der Regel ein großes Interesse daran, dass das Modell funktioniert. Die Tandems machen das aus Eigennutz heraus. Einsame Helden entscheiden sich nicht für ein solches Modell.

Was passiert, wenn sich ein solches Tandem verkracht?

Jana: Dann trennen sich die Mitarbeiter eben. Sie schließen mit dem Arbeitgeber einzelne Verträge ab, jeder hat einen Teilzeitvertrag. Sie sind also nicht ewig aneinander gebunden.

Wie viele Wochenstunden finden Mitarbeiter normalerweise erstrebenswert?

Jana: Viele unserer Jobsharer würden gerne zwischen von 25 bis 32 Stunden in der Woche arbeiten. Das scheint für eine Menge Leute die perfekte Arbeitszeit zu sein. Sie können davon leben und bekommen dennoch im Büro viel mit.

In einigen Startups sind Arbeitszeiten von über 60 Wochenstunden keine Seltenheit. Eignet sich auch hier Jobsharing?

Anna: Die ganze Woche durchzupowern ist auch in Startups kein nachhaltiges Modell. Man kann mit Mitte 20 oder Anfang 30 eine Phase haben, in der das geht. Aber irgendwann macht der Körper schlapp. Außerdem fehlt einem dann die Zeit zur Reflektion. Nur wenn man sich erholt an den Schreibtisch setzt, kann man wirklich produktiv sein.

Jana: Perspektivisch möchten wir in unserem Team eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich einführen. Unsere Angestellten schaffen in der Zeit das Pensum von anderen, die 40 Wochenstunden und mehr arbeiten.

Was ist mit Führungspositionen? Kann man überhaupt in Teilzeit gründen?

Jana: Sicher. Wenn man selbstständig ist, findet man immer etwas, das zu tun ist. Da ist es sehr schwer, nach einem Achtstundentag die Arbeit wegzulegen und nach Hause zu gehen. Wenn man aber zu zweit gründet, also im Tandem, kann man den Job sehr flexibel auslegen und beispielsweise auch gut mit der Familie verbinden. Dafür muss man sich mit seinem Geschäftspartner gut absprechen, aber das ist in der Regel dank etlicher technischer Tools leicht machbar.

Warum arbeitet ihr beide in Vollzeit, obwohl ihr so für Teilzeit werbt?

Anna: Wir teilen uns im Grunde auch eine Stelle, die aber normalerweise über 60 Wochenstunden hätte. Dadurch, dass wir zu zweit sind, arbeiten wir nie mehr als 30 bis 40 Wochenstunden, gehen regelmäßig in den Urlaub, nehmen uns Freiräume. Und trotzdem ist ständig jemand im Büro und für die Mitarbeiter ansprechbar. Für uns beide ist es das perfekte Modell.

Vielen Dank für das Gespräch, Anna und Jana!

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Foto: Tandemploy