Macht immer eine gute Figur: Judith Williams beim Turnschuhtesten
Macht immer eine gute Figur: Judith Williams beim Turnschuhtesten

Judith Williams kann in der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ nichts aus der Fassung bringen. Mit ausgesuchter Freundlichkeit tritt sie auch dem absurdesten Startup entgegen und kleidet auch das deutlichste „Ich steige aus“ in ein formvollendetes Lächeln. Doch die Unternehmerin nutzt die TV-Show nicht nur, um neue Startups zu entdecken. Die Auftritte vor einem Millionenpublikum scheinen auch ihrer Imagepflege zu dienen. 

Denn spätestens seit ihren Auftritten bei DHDL sind Judith Williams und mit ihr ihre Produkte deutschlandweit bekannt geworden. Bei den Zuschauern ist sie von den DHDL-Löwen am beliebsten. In der Vox-Sendung lässt sie kaum eine Gelegenheit aus, um zu betonen, wie genau sie auf die Qualität ihrer eigenen Produkte achte. Inzwischen weiß wohl ganz Fernsehdeutschland, dass sie ihre Produkte mit einem „Team von Wissenschaftlern“ kreiert, ihre Firma ein eigenes Rosenfeld besitzt und ihr innovatives Team stets höchsten Wert auf hochqualitative Inhaltsstoffe legt. 

Auch in Beiträgen bei HSE24 lobt sie die „Haut-verdichtenden Eigenschaften” ihrer Produkte und verspricht, die Haut „auf ganz natürliche Art und Weise zu liften“. In einem Video zu ihrer neuen Hautpflegelinie für die Drogeriekette dm sagt sie: „Ich liebe es, in der Wissenschaft und mit der Natur gemeinsam neue Maßstäbe zu setzen.“ Sie schließt mit den Worten: „Schöne Haut ist kein Zufall.“ Doch halten ihre Produkte mit diesen gut klingenden Sätzen mit?

Einzelne Stoffe werden als „bedenklich” oder auch „sehr bedenklich” eingestuft

Im Internet muss man nicht lange suchen, um Kritik an den Inhaltsstoffen der Produkte von Judith Williams zu finden. Auf der Website CodeCheck, auf der die Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten von Wissenschaftlern bewertet werden, werden bei zahlreichen Kosmetika von Williams verschiedene Inhaltsstoffe beanstandet. Dr. Mandy Hecht von CodeCheck sagt auf Nachfrage von Gründerszene: „Einzelne Stoffe, die sich in Judith Williams Produkten befinden, werden bei CodeCheck basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Studien oder verschiedenen Datenquellen als ,bedenklich‘ oder auch ,sehr bedenklich‘ eingestuft.“

Als Beispiel nennt sie „Sodium Acrylates Copolymer“, ein auf Einschätzungen des BUND in der Umwelt schwer abbaubares, synthetisches Polymer. „Weitere Produkte aus Frau Williams Linie enthalten auch Palmöl“, sagt die Wissenschaftlerin weiter. „Da ihre Produkte keine Siegel oder Label wie ,BDiH‘ oder ,Demeter‘ aufweisen, ist davon auszugehen, dass dieses von nicht nachhaltig bewirtschafteten Palmölplantagen stammt.” Am Ende müssten die Kunden laut der Expertin selbst wissen, ob sie erdölbasierte Stoffe auf der Haut wollen oder nicht. 

Über ihren Sprecher lässt Williams dazu mitteilen, hochwertige Rohstoffe einzusetzen und bei deren Auswahl extrem sorgfältig zu sein. „Im Gegensatz zur Naturkosmetik, die nach den Vorgaben des COSMOS-Standards, Demeter oder ähnlichen Organisationen produziert wird, ist die Kosmetik von Williams, wie wir immer wieder betonen, eine Kombination aus Natur und Wissenschaft“, heißt es weiter. „Die Philosophie von Williams ist es, allen Frauen und unabhängig vom Geldbeutel die Pflege ihrer Haut durch hochwertigste Kosmetik zu ermöglichen.“ Zudem wird betont, dass für Williams‘ Produkte „kein reines Palmöl oder Mineralöle beziehungsweise Erdölderivate“ verwendet werden. 

Hecht ist nicht die einzige Wissenschaftlerin, die Kritik an Williams Produkten übt.

Bild: Vox

Die neue dm-Pflegelinie von Williams wirbt vor allem mit der EGF-Technologie. EGF steht dabei für „Epidermal Growth Factor“. Dabei handelt es sich um Proteine, die gegen natürliche Alterungsprozesse der Haut wirken, indem sie als Zellaktivatoren die hauteigene Erneuerung beschleunigen. Professor Claus Kerkhoff von der Universität Osnabrück ist skeptisch, ob dieser Effekt durch eine Creme erreicht werden kann. „Es gibt tatsächlich Literatur zur Wirkung von EGF auf Hautalterungsprozesse, welches über den Magen-Darm-Trakt in Form von Kolostrum aufgenommen wird“, sagt der Biomediziner. Auch gibt es laut ihm Literatur zur Wirksamkeit, wenn das Protein mit zusätzlichen Modulen ausgestattet ist, die die Penetration durch die Haut erleichtern. Doch er meint: „Eine Aufnahme von EGF ohne Modifikation über die Haut ist vermutlich aufgrund der Größe des Moleküls eher unwahrscheinlich.“

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Ein Sprecher von Williams widerspricht: „Die Wirksamkeit des Rohstoffes EGF als auch unserer Produkte sind in zahlreichen wissenschaftlichen Studien eindeutig belegt. Allgemeine Berichte sind nicht dazu geeignet, die Qualität eines Produktes zu bewerten.“

„Eine hervorragende Zusammenarbeit“, lobt Professor Manfredini

Judith Williams ist eine der erfolgreichsten Geschäftsfrauen Deutschlands. Nachdem ihre Karriere als Opernsängerin wegen eines gutartigen Tumors Mitte der 1990er Jahre ein jähes Ende fand, war sie zunächst als Moderatorin der Teleshopping-Sender QVC und HSE24 bekannt geworden. Heute hat sie ein eigenes Beauty-Unternehmen, mit dem sie Schmuck, Kleidung und Kosmetik verkauft.

Doch was sagen die von Williams so oft erwähnten Wissenschaftler, mit denen sie ihre Produkte entwickelt, zur Zusammenarbeit mit der Unternehmerin? Steckt wirklich ein ganzes Labor-Team hinter Williams‘ Produkten? Anruf bei Professor Stefano Manfredini von der Universität Ferrara, nördlich von Bologna. Er wird auf Judith Williams Homepage als „der Mann, dem Judith in Schönheitsfragen vertraut“ beschrieben. Worin genau besteht seine Arbeit für Williams? „Seit 2012 haben wir mehrere neue Ansätze auf Grundlage von patentierter Hyaluronsäure-basierter Technologie entwickelt“, erzählt Manfredini. Neben ihm arbeiteten bis zu drei Personen an Produkten für Williams, je nach Auftrags- und Entwicklungsphase mal in Vollzeit, mal nur ein paar Stunden, wie der Wissenschaftler erklärt. 

Das grundsätzliche Prinzip der Zusammenarbeit gibt er so wieder: Mit dem an die Universität angeschlossenen Forschungsunternehmen Ambrosialab entwickele er neue Kosmetikprodukte. Wenn einem Hersteller eine solche Neuheit gefalle, komme es zum Geschäft. Dabei habe Williams immer Vorkaufsrecht. „Eine hervorragende Zusammenarbeit“, lobt Manfredini.

Ein Sprecher von Williams ergänzt auf Nachfrage von Gründerszene: „Professor Manfredini ist einer von mehreren wissenschaftlichen Partnern der Judith Williams Cosmetics.“ In der Kosmetikfirma gebe es eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung. „Zudem hat Williams in den letzten 20 Jahren ein internationales Netzwerk an Wissenschaftlern sowie Kooperationen mit führenden Universitäten aufgebaut.“ Konkrete Namen werden nicht verraten.

Laut Pressemitteilung hat Williams ihre neue dm-Linie gemeinsam mit ihrem Team und Professor Huber von der Universität Innsbruck entwickelt. Gegenüber Gründerszene bestätigt Huber telefonisch, dass er die Produkte getestet hat, wie er auch in diesem Video erklärt. Er könne die Wirksamkeit der Produkte somit wissenschaftlich bestätigen.

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Bislang gibt der Erfolg ihres Unternehmens Williams recht. Ihre Firma setzt jährlich rund 150 Millionen Euro um. Auch einige ihrer DHDL-Startups, wie etwa Little Lunch, haben sich erfolgreich entwickelt. Viele Unternehmen, in die sie investiert hat, loben die Zusammenarbeit mit der Investorin in den höchsten Tönen. Und auch die Wissenschaftler, von denen öffentlich bekannt ist, dass sie mit ihr zusammenarbeiten, äußern sich über die Kooperation sehr positiv. Dass im Marketing Versprechungen gemacht werden, ist ebenfalls nicht ungewöhnlich – gerade in der Kosmetik-Industrie. Auch andere Marken der Branche werben mit ähnlichen Ankündigungen. 

Doch es bleibt fraglich, ob die Judith-Williams-Produkte zum dem Image passen, das sie nach außen trägt. Zum Image der Unternehmerin, die Deals in der Höhle der Löwen auch mal ausschlägt, weil sie mit sich selbst noch nicht ausgemacht habe, ob die Menschheit weiterhin auf tierische Produkte setzen solle. Zu einer Kosmetik, die doch „auf ganz natürliche Art und Weise“ Haut liften will. 

Bild: Vox

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