„Wir geben uns mit kleinen Schritten zufrieden, die keinerlei Bedeutung haben“, findet Lakestar-Chef Klaus Hommels.

Ideen, Fortschritt, auf allen Kanälen diese Worte, selbst in den Unterhaltungssendungen. Durch die Wahlwerbung wurde man schon das ganze Jahr daran erinnert, täglich liest man die Tech-Erfolgsmeldungen. Wir feiern uns hierzulande dafür, das haben wir gut gemacht, ein weiterer Schritt in eine sorglose Zukunft. Und dann steht Klaus Hommels in Berlin auf der Bühne der DLD-Konferenz, Digital Life Design, und sagt (auf Englisch): „Bullshit, ja“. Unsere bedingungslose Kapitulation vor dem Fortschritt und den Produkten, die da kommen werden, die will der Chef der VC-Firma Lakestar nicht mitmachen.

Hommels hält den Vortrag über Startup-Finanzierung zum x-ten mal, verändert hat er ihn über die Zeit kaum, ihn schon auf vielen Tech-Konferenzen vorgetragen, mal im Anzug, heute mit Pulli und offenem Hemd drunter. „Im großen Schema der Dinge stehen wir nirgendwo.“ Es brauche eine Neukalibrierung, betont er wieder, sonst geben wir uns mit kleinen Schritten zufrieden. Irgendwo klatscht jemand, aber die meisten halten sich zurück, sie wissen nicht, wo Hommels gedanklich hin will. Es ist gut, dass er den Vortrag noch einmal hält, nicht jeder hat ihn offenbar schon gehört, auch wenn er sogar in verschiedenen Varianten auf Youtube zu finden ist.

Ihm, Hommels, ist der Vortag wichtig. „Unser zukünftiges Wohlergehen hängt davon ab.“ Forschung und Entwicklung, da können wir noch was machen, beim Skalieren werde es schon schwierig. Auch wenn er das mit seinen Slides nie ganz explizit sagt: Wenn wir in Europa so weitermachen, verlieren wir gegen die USA und China.

Von den vielen Zahlenbeispielen bleibt eines besonders hängen: Die weltweit 30 größten privaten Digitalunternehmen haben zusammen 80 Milliarden geraised, an 16 Prozent der Finanzierungsrunden haben europäische VCs teilgenommen, 1,9 Prozent der Summe haben sie investiert und halten nun 1,4 Prozent der Stimmrechte. Ein solcher „Mismatch“ kann nicht funktionieren, sagt Hommels, hiesige Geldgeber haben zu wenig Einfluss. Auf die deutsche Ebene bricht der deutsche Investor, der übrigens in der Schweiz lebt, seine Statistik lieber nicht herunter.

Dass Hommels seine Rede in Berlin gehalten hat, ist schon ein paar Tage her, was aber keine Rolle spielt, weil er seine Botschaft ja bereits so oft auf Tech-Konferenzen vorgetragen hat. Gerade kam aber die Midas-Liste der 25 „besten“ VC-Investoren in Europa heraus, aufgestellt hat sie das US-Magazin Forbes. Dass nur drei der Top-VCs Frauen sind, zeigt, dass die Liste nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, an die stets männlich dominierten Investorenpanels auf den vielen Startup-Veranstaltungen hat man sich ja schon gewöhnt.

Angeführt von Index-Ventures-Gründer Neil Rimer findet sich auf Platz drei der Forbes-Liste das Bild von Klaus Hommels, diesmal mit Anzug und Krawatte, er ist der einzige Deutsche auf der Liste. Die Lebensläufe der aufgelisteten VCs beeindrucken, der Großteil der 25 Top-VCs kommt dabei von den VC-Firmen Index Ventures und Accel. Und auch wenn es nicht das ist, was Klaus Hommels sagen will, wenn er vom sinkenden Einfluss spricht: Offenbar verlieren nicht nur europäische Investoren gegen internationale, sondern auch deutsche gegen ihre europäischen Kollegen.

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Es wird also Zeit, den Mismatch, wie Hommels auf der Bühne in Berlin gesagt hat, aufzulösen. Wieso steigt eigentlich ein Lehrerpensionsfonds aus Ontario bei Zalando ein, während deutsche Versicherungen, Banken, Pensionskassen, Stiftungen lieber in Dinge investieren (oder investieren müssen), die zwar besser einschätzbare Risiken mit sich bringen aber dafür auch miese Renditen? Bloß nicht aus dem Fenster lehnen! Zum Glück gibt es ja genug Regularien, die das ohnehin kaum möglich machen.

Es wird dringend Zeit, ein größeres Investment-Gewicht aufzubauen. Nicht, um in Top-25-Listen aufzutauchen. Aber um die Wirtschaft für die Welt von morgen zu rüsten, für die von heute haben wir es wohl nicht geschafft, sonst müsste unser Forbes-Vorzeige-VC nicht immer wieder den gleichen Vortrag halten. Index Ventures und Accel bekommen das Geld für ihre Fonds übrigens auch von internationalen Pensionskassen und Versicherungen – weil die nicht so knausern (müssen) wie ihre deutschen Kollegen. All das wurde wahrscheinlich schon öfter gefordert als Klaus Hommels seinen Vortrag gehalten hat, mit oder ohne Krawatte. Nur passiert ist nichts. Mal machen – das wäre doch wirklich eine fortschrittliche Idee!

Bild: Johannes Simon / Gettyimages