KPCB-Partner Steven Hong (29)

Er gehört zu den wichtigsten Risikokapitalgebern des Silicon Valleys: Kleiner Perkins Caufield & Byers. Der schon 1972 gegründete VC hat für seine Fonds bisher zehn Milliarden Dollar eingesammelt und in mehr als 850 Startups investiert. Kleiner war an Amazon und Google beteiligt, verzeichnet mehr als 180 Exits und hat Startups wie Airbnb, Stripe und Spotify im aktuellen Portfolio. 

Auch in Deutschland ist Kleiner Perkins mittlerweile an mehreren Unternehmen beteiligt: dem Ticketvergleich GoEuro und der angeschlagenen Musikstreamingplattform SoundCloud. Vor zwei Jahren stieg Kleiner außerdem bei dem Berliner IoT-Spezialisten Relayr ein. Im Büro in Menlo Park haben wir den Kleiner-Partner getroffen, der sich mittlerweile um dieses Investment kümmert: Steven Hong. Im Gespräch mit Gründerszene erklärt er, warum der VC nun auch in Deutschland investiert, wie sich deutsche Gründer von denen im Silicon Valley unterscheiden und wann ein Startup profitabel werden sollte.

Steven, wie bekommt man einen Job bei einem VC wie Kleiner Perkins?

Da habe ich keinen wirklich guten Tipp (lacht). Kleiner hat mich angesprochen, ob ich Teil des Teams werden möchte. Wir hatten vor ihnen unser Startup gepitcht, investiert haben sie allerdings nicht. Daher kannte ich aber den Managing Partner, der mich angesprochen hat. Ich vermute, ich bin in Erinnerung geblieben, weil es nicht viele Hardware-VCs und -Startups hier im Valley gibt. Da habe ich vielleicht einfach etwas Glück gehabt.

Hardware ist kein leichtes Feld, die Startups brauchen oft einiges an Kapital. Und viele, die das über Crowdfunding einsammeln wollen, scheitern. Wie findest du vielversprechende Hardware-Investments?

Bei einem traditionellen Kickstarter-Projekt ist das Problem, dass du das Produkt verkaufen musst, bevor du es überhaupt hast. Damit das gelingt, musst du es hypen. Und deswegen geht es bei Kickstarter viel mehr um das Marketing und weniger um die Execution. Wenn wir uns Startups anschauen, dann achten wir darauf, dass die Gründer viel Erfahrung darin haben, ein Produkt an den Markt zu bringen. Generell bewerten wir Startups anhand von drei Kriterien: Produkt, Markt und Team. Das Team ist entscheidend, denn das Produkt und den Markt kannst du ändern, aber die Gründer nicht.

Welche Eigenschaften sollte ein Gründer denn haben?

Der Silicon-Valley-Gründertyp denkt fortschrittlich, trifft aggressiv Entscheidungen und ist dazu bereit, Risiken einzugehen. Wir suchen nach Gründern, die tief gehende Erfahrung in dem Bereich haben, den sie attackieren. Sie sollen querdenken und flexibel bleiben, um verschiedene Produkte und Märkte anzugehen. Und wir achten darauf, ob sie talentierte Mitarbeiter anziehen können. Daran zeigt sich, ob sie die Vision des Unternehmens gut verkaufen können – und es ist ein erster Schritt, um zu sehen, ob ein Gründer im nächsten Schritt auch Kunden und Partner überzeugen kann. Die wichtigste Eigenschaft ist allerdings ein starker Charakter, denn den kann man niemandem beibringen.

Was heißt das genau?

Es ist sehr schwierig, das in einer zwei- oder dreimonatigen Due Dilicence herauszufinden. Deswegen kommen viele unserer Investments durch Empfehlungen von Gründern zustande, mit denen wir schon lang zusammenarbeiten. Das kann natürlich auch eine Einschränkung sein, schließlich gibt es Chancen außerhalb des eigenen Netzwerks. Da sollte man als Investor offen bleiben.

Wenn ihr nach so viel Erfahrung sucht, hat man dann als Unternehmerin, die gerade ihr erstes Startup gründet, kaum Chancen, ein Investment von Kleiner zu bekommen?

Nein, nein (lacht)! Ich denke, für First-Time-Founder ist der beste Weg, sich eine Empfehlung von jemandem zu holen, mit dem wir zusammengearbeitet haben. Die sind auch eine Bewährungsprobe. Es ist wie im Business: Wenn du als Unternehmer verkaufen willst, musst du herausfinden, wer die richtige Person beim Kunden ist, mit der du sprechen musst.

Finanziert ihr also viele First-Time-Founder?

Ja! Viele unserer besten Beteiligungen wurden von First-Time-Foundern gegründet. Sie sind immer bereit dazu, unkonventionell zu denken. Wenn man sich Amazon oder Google anschaut, zwei der größten Erfolge von Kleiner, waren die Gründer auch First-Time-Founder, deren Denken so radikal war, dass sie neue Industrien kreiert haben. Ein Problem bei Seriengründern kann sein – gerade wenn sie erfolgreich waren – dass sie schon ein Playbook haben, dem sie folgen. Sie weichen davon wahrscheinlich nicht ab. Andererseits weiß ein solcher Gründer eben auch, was er kann und was nicht. Beides hat also Vorteile und wenn der Gründer gut ist, dann ist er eben gut, egal wie oft er gegründet er hat.

Welchen Fehler machen Gründer, wenn sie vor euch pitchen?

Sie sehen den Fundingprozess als Transaktion an. Dabei ist er eine sehr langfristige Sache. Auch wenn wir jetzt nicht investieren, sollte man als Gründer die Beziehung aufrechterhalten. Deswegen versuchen wir, Unternehmen immer möglichst früh zu treffen, um über die Zeit den Kontakt zu halten und den richtigen Punkt zum Einstieg zu finden. Die besten Gründer sehen das Ganze als Teil ihrer Karriere an, nicht nur eines Fundings.

Wann steigt ihr normalerweise bei einem Startup ein?

Wir nennen uns gerne One-Stop-Shop. Wir haben den Venture-Fonds, der in manchen Fällen bis zur Serie B geht. Dann gibt es unseren Wachstumsfonds, der alles danach finanziert. Auf der Venture-Seite investieren wir meistens in der Serie A, weil der Fonds sehr groß ist. Da vergeben wir Finanzierungen zwischen fünf und 15 Millionen Dollar. Aber meistens schauen wir nicht so sehr auf die Phase des Unternehmens, sondern auf unsere drei Kriterien. Deswegen ist es sehr gemischt.

Hong vor dem Büro des VCs in Menlo Park

Wie erkennt ihr, ob ein Markt interessant ist?

Wir schauen uns an, wo es strukturelle Verschiebungen gibt. Nehmen wir das IoT-Startup Relayr aus Berlin als Beispiel. Durch die Smartphone-Hersteller sind Sensoren sehr billig geworden, auch Vernetzung wird immer günstiger. Industrielle Hersteller haben das aber gar nicht ausgenutzt. Deswegen und durch die Veränderungen auf der Produkt- und Technologieseite gab es eine Marktgelegenheit für Startups.

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Warum hat Kleiner sich dazu entschlossen, auch in Startups in Deutschland und Europa zu investieren?

Es gibt Bereiche, vor denen das Valley immer eher zurückgeschreckt ist, weil sie etwas chaotischer sind. Hardware ist so ein Bereich: In den letzten 10 oder 15 Jahren war er nicht so attraktiv für Silicon-Valley-Investoren. Auch KPCB hat anfangs vor allem an IoT für Konsumenten gedacht, wir waren zum Beispiel ein früher Investor bei Nest. Da ist aber das Problem, dass es immer mehr Wettbewerber gibt und du immer um den gleichen, begrenzten Anteil eines Privatkunden-Budgets kämpfst. Das Medianeinkommen der Menschen weltweit stagniert ja seit über zehn Jahren.

In der Industrie ist das komplett anders. Es ist zwar schwer, anfangs etwas zu verkaufen, aber sobald du drin bist, musst du nicht mehr um Anteile kämpfen. Wenn du wirklich Mehrwert verkaufst, kannst du auch danach bepreisen. Da haben wir eine Chance gesehen – und wir glauben, dass Europa einer der Early Adopter in der industriellen IoT sein wird. Siemens, Bosch – es gibt so viele führende Konzerne in Deutschland und daher eine Tradition starker Prozesse und eine Menge Talent in der Logistik und Fertigung. Jetzt, wo es notwendig geworden ist, alle traditionell nicht verbundenen Systeme zu connecten, sehen wir ein großes Potenzial.

Beobachtest du Unterschiede zwischen US- und europäischen oder deutschen Gründern?

Silicon-Valley-Gründer sind normalerweise in ihrem Denken und in ihren Ambitionen aggressiver. VCs wie wir haben Erfolg mit Wetten, die ein hohes Risiko eingehen, aber auch sehr hohe Gewinnchancen mitbringen. Wir finanzieren viel eher einen Unternehmer, der aufs Ganze geht und eine sehr große Vision hat, auch wenn es sehr riskant ist. Man sucht nach Startups, die das eingesetzte Kapital verfünfzehn- oder verzwanzigfachen können. Viele Valley-Gründer kommen hier rein und haben keinen Plan für Profitabilität dabei, sie haben nur einen Plan für Wachstum. Europäer hingegen bringen meist einen sehr straffen Plan mit, um in vier Quartalen profitabel zu werden. Ich glaube ihnen das auch, aber manchmal muss man diese beiden Ziele ausbalancieren. Beide Gründertypen können voneinander lernen.

In Deutschland wird viel Wert auf Profitabilität gelegt. Wie lange ist es denn deiner Meinung nach okay, nicht profitabel zu sein?

Das kommt ganz auf das Geschäftsmodell und die Zahlen des Unternehmens an. Wenn unser Growth-Team in größere Unternehmen investiert, schauen sie sich die Zahlen daher ganz genau an. Amazon zum Beispiel war so lange unprofitabel, weil sie ihre Gewinne wieder in das Unternehmen investiert haben. Wichtig war ihnen zum Beispiel, die UX zu verbessern, um dadurch wieder mehr Kunden zu gewinnen. Oder auch die eigenen Produkte zu launchen, die erst einmal teuer waren, sich nun aber durch höhere Margen rechnen. Es war also eine strategische Entscheidung für sie, nicht auf dem Geld sitzen zu bleiben. Wenn man Amazons Kerngeschäft angeschaut hat, waren viele Bereiche aber sehr profitabel. Dann wiederum bei Liefermodellen für Essen beispielsweise, da subventioniert man als Unternehmer Gewohnheiten der Kunden, durch Rabatte gewöhnen sie sich an niedrige Preise. Die Wechselkosten für einen Kunden sind außerdem sehr niedrig. Man hat zwar Netzwerkeffekte, wenn man mehr Restaurants hinzufügt, aber die Beziehung ist meiner Meinung nach nicht so haltbar wie die eines Amazon-Kunden.

Apropos Wachstum: Was hältst Du von SoftBank? Sie sind aktuell sehr dominant.

Tech-Unternehmen bleiben viel länger am privaten Markt, SoftBank investiert sehr spät und sehr viel. Das ist super für das Ökosystem.

Fliegt da nicht zu viel Geld herum?

Es ist fast so, als wäre die SoftBank-Runde der neue Börsengang (lacht). In einer Umgebung mit so viel Kapital werden gute und schlechte Startups finanziert. In einer Rezession bekommen eben nur noch die guten Unternehmen Geld. Wenn viel Kapital da ist, wird es als Investor also nur etwas schwieriger, herauszufiltern, was die wirklich guten Gelegenheiten sind.

Danke für das Interview, Steven.

Bilder: KPCB, Gründerszene