1. Organisation

Die legendäre Elektroband aus Düsseldorf wird von ihrem Chef Ralf Hütter seit den 70er Jahren straff wie ein Unternehmen geführt. Hütter und sein Mitgründer Florian Schneider, der bereits vor einigen Jahren ausgestiegen ist, stammen aus den „besseren Kreisen“ in Düsseldorf. Mit ihren Vätern sorgten sie schnell dafür, dass aus der Band durch rechtliche und wirtschaftliche Betreuung eine erfolgreiche Organisation werden konnte. Dazu gehörte auch, dass die Band sich ein eigenes Studio aufbaute, um die Produktionsmittel selber in der Hand zu haben und unabhängiger zu sein. Das Klingklang-Studio in Düsseldorf existiert bis heute. Der klare Workflow: Die vier Bandmitglieder experimentierten und übten zu Hause mit Keyboards und Tonbändern, brachten die besten Teile davon abends ins Studio. Daraus entstanden bei gemeinsamen Sessions die Songs.

2. Reduzierung auf das Wesentliche

In ihrer Anfangsphase hatten Kraftwerk lange Haare, es wurden analoge Instrumente wie Schlagzeug oder Querflöte eingesetzt. Erst durch die Aufnahmen zur Platte „Autobahn“ und den Input des Produzenten Conny Planck ging es für Kraftwerk auf die Erfolgsspur. Durch die Reduzierung auf elektronische Klangerzeugung, klare Beats, wiedererkennbare Melodien, einheitlichen Look der Musiker und Produkte wurden ein eigener Sound und eine starke Marke geschaffen.

3. Technik

Kraftwerk waren von Anfang an von Technik fasziniert. Jeder interessante neue elektronische Tonerzeuger wurde angeschafft und hievte den Sound der Band auf jeder Platte auf ein neues Niveau. Auch die Digitalisierung wurde umarmt. Die Band hatte damit die Möglichkeit, ihren musikalischen Katalog zu konservieren, upzudaten und zu remixen, um ein jüngeres Publikum anzusprechen.

4. Konsequenz

Bei ihren Konzerten stehen die vier älteren Herren von Kraftwerk zwei Stunden hinter ihren Pulten und bedienen uneinsehbar und ungerührt ihre Computer. Sie erscheinen pünktlich zur angesagten Zeit und verabschieden sich mit einem trockenen: „Auf Wiedersehen.“ Mehr wird nicht gesprochen. Die Aufgabenverteilung in der Band ist – bis auf den Gesang von Hütter – bis zum Schluss nicht klar. Die Arbeitsteilung, der Herstellungprozess der Musik und Filmeinspielungen bleibt geheimnisvoll. Kraftwerk liefern konsequent ein Abbild unserer modernen Arbeitswelt, in der wir die meiste Zeit des Tages hinter Computern sitzen – egal, ob wir für Versicherungen, Startups, Banken oder Medien arbeiten. Mit klassischer Präsentation von Rock- oder Popmusik hat das Konzert nichts zu tun. Schauwerte liefern retrofuturistische 3-D-Filme, die die Songs illustrieren.

5. Präsentation

Wer in Zukunft eindrucksvolle Präsentationen produzieren will, sollte sich von Kraftwerk inspirieren lassen. Die Band liefert das Gegenteil von Powerpoint: knappe Botschaften, oft nur einen Satz oder ein einziges Wort. Klare Farben, Wiederholungen, Rhythmus, Variation und Dynamik. Höchste Konzentration, keine Abschweifungen.

6. Glück

Der Erfolg der Single „Autobahn“ in den USA war in Teilen auch ein Missverständnis. Die Amerikaner hörten statt „Wir fahren, fahren, fahren auf der Autobahn…“ oft „We’ve fun, fun, fun auf der Autobahn…“ – und hielten diese seltsame Musik für eine Art Update der Beach Boys. 500.000 Singles wurden verkauft, der erste Schritt für den weltweiten Erfolg hatte also auch mit einer gehörigen Portion Glück zu tun.

Übrigens: Ganz am Anfang, bevor die Band sich Kraftwerk nannte, hatte sie einen anderen Namen: „Organisation“.

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