Hehrer Anspruch und eine alte Geschichte

Vergangene Woche sind sie gestartet. Die Krautreporter. Ihr Ziel: Sie wollen den Online-Journalismus in Deutschland besser machen, weil er „kaputt gegangen“ sei. Für diesen hehren Anspruch haben Mitglieder 60 Euro im Jahr gezahlt. Zum Start bekamen sie dafür vor allem lange Texte – und eine Geschichte, die vor zwei Jahren bereits in der Welt am Sonntag veröffentlicht wurde. Eine ausführliche Reportage über Mike Drechsel, einem sehr begabten Fußballspieler aus dem Harz, der es aber nie bis ganz oben schaffte.

Das Stück von Jasper Fabian Wenzel liest sich sehr gut. Dieser Meinung war vor zwei Jahren auch die Redaktion der Welt am Sonntag und der damals verantwortliche Welt-Redakteur Holger Kreitling produzierte daraus ein großes Titelthema. In diesem Ressort erscheinen die Schwerpunkte der Sonntagszeitung. Das hielt die Macher der Krautreporter aber offenbar nicht davon ab, diese Geschichte zum Start ihrer Website noch einmal zu veröffentlichen. Noch am Montag war sie – jedenfalls für Mitglieder – auf Krautreporter.de online.

Auf Nachfrage sagte der Autor Wenzel: „Die Geschichte, die ja heute wieder voll und ganz Autor und Fotograf gehört, wurde – nach Ablauf der Welt-Gruppe-Nutzungsrechte – in einem Reportagen-Magazin, das ich mitgegründet habe, veröffentlicht. Dieses Magazin kooperiert mit Krautreporter. Im Stresstest der Krautreporter-Seite wurden Text und Bilder – keineswegs identisch mit der Welt am Sonntag-Veröffentlichung – Mitgliedern zum Probieren der Seite zugänglich gemacht.“

Zum journalistischen Konzept der Krautreporter gehört es laut Wenzel aber nicht, bereits erschienene Artikel wiederzuverwerten. Obwohl hier ganz offensichtlich das Gegenteil passiert ist. Doch Wenzel schreibt: „Ich finde nicht, dass eine Geschichte recycelt ist, bloß weil sie andernorts zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal erscheint; jedenfalls nicht, so lange noch aktuell und lesbar – wäre die Geschichte noch online, würde ich hier auf Leserkommentare verweisen.“ Auf Welt Online findet sich Wenzels Geschichte hier. Viele Änderungen zur Version der Welt am Sonntag hat es nicht gegeben.

Es ist nicht ganz klar, ob es sich hier um ein einmaliges Versehen oder eine bewusste redaktionelle Entscheidung handelt. Die zahlenden Mitglieder der Krautreporter werden jedenfalls nicht sehr erfreut sein. Auf Nachfrage bei Krautreporter gab es – außer der Stellungnahme des Autors – bis heute Abend keine Reaktion.

Bild: Krautreporter