Risikokapital für die Krebsforschung - KfW

Experten für Immuntherapie: Vorstandsvorsitzender Christian Schetter und die wissenschaftliche Leiterin Christine Schuberth-Wagner. Bild: Alex Kraus

 

Das Biotech-Unternehmen Rigontec hat mehr als 14 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt. Das hilft dem Bonner Startup dabei, aus einem neuen Wirkstoff eine Arznei gegen Krebs zu entwickeln.

Krebsforschung der etwas anderen Art

Christian Schetter, Vorstandsvorsitzender der Rigontec GmbH und promovierter Molekularbiologe, streift einen weißen Kittel über und startet mit uns den Rundgang durch die Räume im Life&Brain-Zentrum auf dem Campus des Bonner Uniklinikums. Ein Empfangstresen, zwei Büroräume, dann fängt schon der Sterilbereich an. In zwei Laboren mit großen Fenstern sitzen vier der acht Mitarbeiter von Rigontec vor Geräten und Reagenzgläsern. Frisch promovierte Biomediziner, Pharmakologen, Humanbiologen. „Dieses Zentrum ist extra für wissenschaftliche Ausgründungen geschaffen worden“, erklärt Schetter und in seiner Stimme ist Begeisterung zu spüren. Rigontec betreibt Krebsforschung, und zwar mit Fokus auf der Krebsimmuntherapie. Im Gegensatz zur Chemooder Strahlentherapie wird hier mit speziellen Wirkstoffen das Immunsystem des Patienten zum Kampf gegen die Krankheit mobilisiert. Alle Immun- und Körperzellen werden aktiv – sogar die befallenen. Letztere sterben am Ende den natürlichen Zelltod. „Die Therapeutika wirken so, dass die Krebszellen sich selbst zum Ziel erklären“, sagt Schetter.

Die Immuntherapie als „Breakthrough of the Year“

Die Krebsimmuntherapie ist zwar bereits seit Jahrzehnten bekannt und kann seit etwa zehn Jahren auch Erfolge vorweisen. Doch erst vor zwei Jahren verkündete das führende US-Forschungsmagazin ‚Science‘ den ‚Breakthrough of the Year‘ in dieser Sparte. Alle großen Pharmakonzerne wollen heute Immuntherapeutika in ihrem Portfolio. Kommt der Wirkstoff von Rigontec tatsächlich auf den Markt, haben alle, die in die Firma investiert haben, ihr Geld gut angelegt.

Risikokapital, das seinem Namen alle Ehre macht

Momentan sind es mehr als 14 Millionen Euro. Diese hat Rigontec in einer sogenannten Serie-A-Finanzierungsrunde eingeworben, an der nur professionelle Venture-Capital-Geber beteiligt sind. Allein 4,8 Millionen Euro steuerte Forbion aus den Niederlanden zusammen mit einem weiteren Risikokapital-Investor aus Dänemark bei. Das Forbion-Engagement wird auch von der KfW unterstützt, die seit neuestem in Venture Capital-Fonds investiert, um den Technologiestandort Deutschland zu stärken.

„Unsere Investoren sind ein hohes Risiko eingegangen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Denn: Floppt das Medikament, verlieren sie Geld. Hinzu kommt, dass sie – selbst bei Erfolg – unter Umständen jahrelang auf die Rendite warten müssen. Für deutsche Anleger, die sonst in Immobilien investieren, ist diese Anlegeform in der Regel zu riskant: Deshalb sind die 14 Millionen Euro eine außergewöhnlich hohe Summer für ein Startup in Deutschland. „Unsere Investoren treibt aber auch die Motivation, die Forschung voranzubringen, die viele Menschenleben retten kann.“

Aus seinen Fehlern hat der ehemalige Fresenius CEO gelernt

Risikokapital-für-die-Krebsfroschung2-kfw1_mQ

Mit Erfolgen und Niederlagen von Biotechnologie-Startups kennt sich Christian Schetter aus. Zuvor war er sechs Jahre lang CEO der Fresenius Biotech GmbH. Das neue Arzneimittel gegen Krebs, das das Unternehmen auf den Markt brachte, erhielt sogar einen Preis. Unter der Regie von Schetter wurde die Biotech-Sparte von Fresenius erfolgreich verkauft. Davor gehörte er dem Führungsteam von Coley Pharmaceutical an – benannt nach dem Piuonier der Krebsimmuntherapie William Coley. Die Firma gibt es heute nicht mehr: „Leider funktionierte unser Medikament in einer wichtigen Studie damals aus verschiedenen Gründen nicht.“ Die zehn Jahre Forschung waren aber nicht vergebens: Das Unternehmen wurde 2007 von dem Pharmariesen Pfizer aufgekauft.

Den Anfang machte eine entscheidende Entdeckung

Die Welt der Krebsimmuntherapie ist klein. So steckt hinter den Forschungsergebnissen von Coley Pharmaceutical unter anderem Gunther Hartmann,
Risikokapital-fuer-die-Krebsforschung-kfw3_mQProfessor am Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie am Universitätsklinikum Bonn. Er ist einer der Gründer von Rigontec. Der zweite Gründer ist Professor Veit Hornung vom Bonner Institut für Molekulare Medizin. Gemeinsam untersuchten sie RIG-I, einen Rezeptor des Immunsystems. Sobald bestimmte Viren in unseren Körper eindringen, macht RIG-I unsere Abwehrkräfte angriffslustig. Die beiden Forscher fanden heraus, wie RIG-I die Viren identifiziert. „Der Rezeptor erkennt deren RNA, eine DNA-Kopie, die üblicherweise genetische Informationen in Proteine verwandelt“, so Schetter. RIG-I macht sich dabei die besonderen Merkmale der viralen RNA zunutze. Da der Rezeptor in allen Zelltypen vorhanden ist, auch in Krebszellen, wollten die Wissenschaftler ihre Entdeckung zur Bekämpfung von Krebs nutzen. So gründeten sie im Januar 2014 Rigontec, benannt nach RIG-I. Professor Hartmann sitzt heute im Aufsichtsrat, Professor Hornung ist Rigontecs wissenschaftlicher Berater.

Weniger Nebenwirkungen, mehr Behandlungsmöglichkeiten

Die wissenschaftliche Leitung hat Christine Schuberth-Wagner übernommen, eine energische Frau mit lachenden Augen, die früher auch am Bonner Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie forschte. „Rigontecs Wirkstoff imitiert die Virus-RNA. Anders als das Virus ist er aber nicht krankheitserregend“, erklärt sie. „Wenn man diese RNA in die Tumore einbringt, wird RIG-I sie erkennen und die Tumorzellen in den Zelltod treiben. Parallel dazu wird das Immunsystem des Patienten wie durch eine Software zum Kampf gegen die Tumorzellen programmiert.“ Rigontecs Wirkstoff ist sehr genau: „Mit unserem Wirkstoff RGT100 wird nur RIG-I und damit ein einziger Immunrezeptor aktiviert. Das minimiert die Nebenwirkungen der Therapie.“ Vor allem Haut-, Brust- und Prostatakrebs, aber auch weitere Tumorarten, die Metastasen bilden, könnten so behandelt werden. Die Forscher gehen sogar davon aus, dass die neuen Therapeutika die Bildung eines Immungedächtnisses fördern, sodass in Zukunft neue Tumore erst gar nicht entstehen.

Licht ins Dunkel

Mit einem Transilluminator können Forscher Moleküle entdecken. Bei der Arbeit mit diesem Gerät tragen sie eine orange Filterbrille, die einen sichtbaren Kontrast zwischen dem Licht des Transilluminators und dem eingefärbten Molekül erzeugt.

Wann wird der Wirkstoff auf dem Markt zu finden sein?

Die Aufgabe des Rigontec-Teams ist nun, die Wirkstoffe in marktfähige Therapeutika zu verwandeln. Deshalb soll der sogenannte führende Medikamentenkandidat möglichst bald in der Klinik an ersten Patienten getestet werden. Spätestens Anfang 2017 soll es losgehen – wann genau, entscheidet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn. Parallel läuft unter der Regie von Christine Schuberth-Wagner die Forschung weiter. Die ersten klinischen Tests der Phase I/II werden mindestens zwei Jahre dauern, dann soll der Wirkmechanismus auch in Patienten erste Erfolge zeigen. Christian Schetter schätzt, dass Rigontec dafür bis Ende 2018 weitere 20 Millionen Euro benötigen wird. Darüber, ob das Unternehmen eines Tages an die Börse gebracht wird, will der Vorstandsvorsitzende nicht spekulieren: „Das wäre ein großer Erfolg, aber es gibt auch andere Varianten, bei denen die Firma erfolgreich wäre. Uns geht es zunächst vor allem um die Technologie – und damit darum, Patienten mit neuen Therapieoptionen helfen zu können.“

 

Text: Alla Begisheva
Alle Bilder: Alex Kraus